Schuschi, die kleine Kirmeslokomotive, findet ihr Glück. Monika Hermes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Hermes
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738068498
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steigendem Unwohlsein warteten wir Stunde um Stunde. Das Treiben im Ameisenbau hielt an und mir wurde immer schlechter vor Angst, doch noch entdeckt und getötet zu werden. Doch zum Glück schöpften die Ameisen keinen Verdacht und erledigten ihre Aufgaben, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Endlich wurde es ruhiger. Die Hortameisen in unserer Nähe hatten sich zum Schlafen zurechtgelegt. Nur die Glühlinge bewegten sich sacht und strahlten ununterbrochen in rötlicher Pracht.

      „Was machen wir nur? Diese Glühlinge scheinen immer noch munter zu sein“, flüsterte ich leise. „Keine Bange, das täuscht. Sie leuchten permanent. Doch schau diese leichte Wellenbewegung an der Decke. Sie schlafen dann und führen dadurch eine gemeinsame sanfte Welle aus. Die stören uns nun nicht weiter. Doch lass uns jetzt sehr vorsichtig und still zu Werke gehen. Zwar sind die Wachameisen nur an den Eingängen postiert, aber man kann nie wissen. Normalerweise rechnen sie in der Nacht nicht mit Eindringlingen innerhalb ihres Baues. Das ist unsere Möglichkeit. Doch sag, was soll ich machen, damit du mich befreien kannst?“ „Kannst du nahe an mich heran rutschen? Ich muss dich berühren können, um einen Impuls über meine Dornen abgeben zu können. Aber denk daran, es wird wehtun. Sobald du etwas spürst, musst du deine Muskeln anspannen, dich von mir wegbewegen und dabei das glühende Zeug abstreifen und mit deinem Körper verstreuen. Und alles möglichst unauffällig und ohne einen Laut von dir zu geben.“ „Ich versuche mein Bestes“, grinste Robert mit Galgenhumor.

      Schon wand er sich hin und her und näherte sich mir dabei. Bald lag er direkt neben mir, so dass ich ihn mit meinen Dornen sanft berühren konnte. „Achtung. Jetzt“, stieß ich heraus und presste meine ganze Energie hoch in die Spitzen meines Häuschens. Die Dornen leuchteten für eine Sekunde purpurrot und Funken sprangen in das Gewebe um Roberts Körper. Rasch robbte er weg und drehte sich hin und her, während die Verschnürung sich löste. Robert rollte sich auf die Reste und erstickte sie mit seinem Körper. Erleichtert und dankbar schaute er mich an. „Ahh, es schmerzt ein wenig. Aber ich bin frei. Frei!“ Die Freude leuchtete aus seinen Augen. Doch gleich schaute er mich wieder ernst an. „Nun zu dir. Ich werde mich über dein Hinterteil wälzen und mit meinen Mittelmuskeln versuchen, alles Gewebe zusammenzuschieben, damit du genügend Bewegungsfreiheit hast.“ Schon machte er sich ans Werk. Ich spürte seine kräftigen Muskeln mit denen er angestrengt schob und drückte. Langsam bemerkte ich, dass mein Dornfortsatz beweglicher wurde. „Ich glaube, das reicht“, wisperte ich. Robert bewegte sich schleunigst nach hinten weg und schaute mich aus einigen Zentimetern Entfernung erwartungsvoll an. „Reicht es wirklich aus?“ Ich bewegte behutsam meinen Dorn. „Es ist noch zu knapp“, stöhnte ich auf. „Macht nichts.“ Robert rutschte dieses Mal direkt am Dornansatz über mich und schob und zerrte, so fest er konnte. Dann zog er sich flink wieder ein Stück zurück. „Und nun?“ Ich probierte es aus und hätte beinahe vor Freude gejubelt. „Jaaaa. Ich kriege es hin. Aber geh noch ein wenig zurück. Sicherheitshalber. Und du darfst auch nicht mit dem Inhalt meines Dorns in Berührung kommen, sonst löst sich deine Haut auf.“ „Oh. Ich bin vorsichtig. Das brauche ich nicht noch zu guter Letzt“, grinste Robert.

      Als er im genügenden Sicherheitsabstand war, presste ich mein Hinterteil zusammen und schlug die Kapsel mit ganzer Kraft gegen meinen Körper. Ein leichtes –pling- . Die Kapsel zerbarst und die blaue Flüssigkeit verbreitete sich über mein Hinterteil. In Sekundenschnelle zerfraß sie die Verschnürung. Nun stemmte ich mich hoch auf mein Hinterteil und drehte so meinen Körper um. Jetzt konnte ich auch mein Vorderteil in die Pfütze legen, die sich unter mir gesammelt hatte. Auch hier tat die Flüssigkeit ihren Dienst. Im Nu war ich ebenfalls frei. „Wow. Das ist ja irre. Dir möchte ich nicht wirklich als Feind begegnen“, schmunzelte nun Robert. „Aber wie kommen wir jetzt am besten hier heraus? Ich könnte weiter vorne in den Gängen abtauchen, doch wie schaffen wir dich unauffällig hier weg? Und hoffentlich hat niemand etwas bemerkt!“ Verstohlen sah ich mich um und auch Robert ließ seinen Blick in alle Richtungen schweifen. „Puh, nichts regt sich. Das zumindest ist schon mal sehr gut.“ „Ja“, lächelte ich. „Aber vielleicht ist es dir möglich, beim Kriechen den Gang auszuweiten? Das Sekret, das ich für das Vorwärtskommen ausscheide, kann ich in höherem Maße produzieren und mich darin wälzen, dann bin ich an allen Seiten glitschig und komme auch durch sehr enge Gänge.“ „Das wäre natürlich die Lösung. Es geht zwar langsamer, aber wir haben ja noch ein paar Stunden, ehe unser Verschwinden bemerkt wird. Dann dürften wir weit genug weg sein, so dass sie uns nicht mehr einfangen können.“

      Robert machte einen Riesenbogen um mich herum und huschte aus der Mulde heraus. Ich folgte ihm schnell. Wir hielten kurz an, während ich meine Schleimproduktion auf Höchste Kraft stellte. Bald konnte ich mich im Schleimsee wälzen. Erleichtert blickte ich Robert an. „Ich bin soweit. Wo sollten wir deiner Meinung nach abtauchen?“ „Am besten gleich hier an der Ecke hinter der Vorratsvertiefung. Da fällt es nicht gleich auf und niemand kann zufällig darüber stolpern.“ Robert bohrte seinen Kopf in die Erde und drehte und wand sich hin und her. Es wirkte wie ein Tanz. Zuletzt wippte der Schwanz lebhaft hin und her und weitete das Loch immer mehr, bevor er in der Tiefe verschwand. Ich folgte umgehend. Zwar quetschte ich mich mit Mühe hinein, doch es passte. In Windungen und Schleifen folgte ich Richards Spur. Es schien mir Ewigkeiten zu dauern. Plötzliche Helligkeit vor mir. Und ich steckte meinen Kopf aus der Erde. Robert lag schwer atmend und freudestrahlend grinsend vor mir auf dem Boden. „Wir haben es geschafft. Wir haben es wirklich geschafft.“ Ich konnte es kaum glauben. „Ja“, strahlte Robert. „Doch nun nichts wie weg hier. Wer weiß, wie schnell unser Fehlen entdeckt wird. Ich möchte nicht doch noch als Futter enden. Ich kann dir nicht genug danken für deine Hilfe. Allein hätte ich es nicht geschafft.“ „Mein Dank gilt auch dir“, antwortete ich. „Nur gemeinsam hatten wir eine Chance. Ich fürchte, in Zukunft werden diese Ameisen genauer hinsehen, ob jeder wirklich tot ist, den sie im Vorrat ablegen.“ „Das mag wohl so sein. Ich werde meine Familie und alle anderen Regenwürmer warnen und ihnen erzählen, wovor sie sich in Acht nehmen müssen, damit sie nicht in diese Gefahr geraten. Nun leb wohl.“ Mit einem letzten Lächeln verschwand Robert im Erdreich. „Leb wohl“, rief ich hinter ihm her und machte mich ebenfalls schleunigst aus dem Staub. Ich habe seither keine Pause gemacht, um nur ja nicht noch erwischt zu werden.“

      Als Miranda mit ihrer Erzählung zu Ende war, schwiegen alle betroffen. „Was für ein scheußliches Erlebnis“, bedauerte Dangel endlich. „Du hast ja ganz schön viel Schlimmes mitmachen müssen. Da wird es tatsächlich Zeit, ein friedliches Leben führen zu können. Abenteuer sind schön und gut. Aber wenn es dann sooo zugeht, brauche ich es wohl nicht.“ Alle stimmten ihm zu. Nachdenklich schaute Schuschi auf Miranda hinab. „Du hast recht, dass du jetzt schnellstmöglichst zu deiner Familie zurückkehrst. Es ist wichtig, die Familie und Freunde in seinem Leben um sich zu haben. Hätte ich meine Freunde, die Leuchtwichte, nicht, wäre ich bestimmt ziemlich einsam. Da macht das Leben dann nur halb so viel Freude.“ Alle nickten bei ihren Worten. Eine Weile saßen sie noch da und ließen sich das Ganze durch den Kopf gehen. Dann meinte Schuschi: „Ich glaube, wir sollten weiterfahren. Miranda kommt dann schneller zurück zu ihren Lieben.“ Gesagt. Getan. Jeder suchte sich seinen Stammplatz. Miranda klebte sich neben Dangel nahe beim Schornstein fest und Schuschi fuhr los. Erst langsam, dann immer schneller werdend. Miranda lachte vergnügt, als der Wind durch die Dornen ihres Schneckenhauses pfiff. Mirandas Ziel, ihre Familie und ihre Freunde, war nun nicht mehr weit.

      Schuschi begegnet dem unternehmungslustigen Kater Hannibal

      Weiter und weiter ging die Reise. Miranda freute sich riesig, bald wieder mit ihrer Familie vereint zu sein. Es war tatsächlich etwas ganz anderes, auf diese Art vorwärts zu kommen. Sie konnte weit in der Ferne schon die Abzweigung erahnen, die sie zu ihrer Blumenwiese brachte. Für die Zukunft hatte sie genug von Abenteuern. Ein normales Alltagsleben war jetzt genau das, was sie zu ihrem Glück brauchte. Tief atmete sie den Fahrtwind ein, der um sie pfiff.

      Beschwingt fuhr Schuschi inzwischen eine breite Allee mit vielen riesigen Bäumen entlang. Das Sonnenlicht schimmerte immer noch durch die Bäume und tauchte die Allee in ein glitzerndes Lichtspiel. In den Bäumen funkelten Tropfen des spiegelnden Sonnenlichts.

      Plötzlich schoss ein wild aussehender Kater von rechts hinter einem