Er ließ mit einem Gedankenbefehl mehrere Grafiken im Zimmer erscheinen, die zu rotieren begannen.
»Ausgangspunkt unserer Teleportationsforschung waren die Nanobots, welche in jedem menschlichen Körper Krankheitserreger bekämpfen, Krebszellen vernichten, Organe oder Wunden heilen, et cetera. Über unzählige Zwischenstufen haben wir daraus die Quantumbots entwickelt. Hier sehen Sie, wie wir die Maschinen in die Blutbahn der zu teleportierenden Testperson schleusen und hier, wie sie mit einem leblosen Objekt in Kontakt gebracht werden. Die Q-Bots hüllen den Körper, beziehungsweise das Objekt, in ein hyperdimensionales Feld aus Vergangenheits- und Zukunftsvariablen, starten die Quantenverschränkung und führen den Von-Ort-zu-Ort-Transport durch … vorausgesetzt, am Zielort existieren ebenso Q-Bots.«
Yanderbrook unterbrach ihn genervt: »Müssen Sie beim Urknall anfangen?«
»Ähm … nein. Entschuldigung. Aber gestern Nacht entdeckte ich zu Hause, dass die Q-Bots der Alpha-Testreihe manipuliert wurden. Sie sind jetzt in der Lage, sich als gewöhnliche Nanobots zu tarnen und in einem MindCell einzunisten. Dort reproduzieren sie sich selbstständig, übernehmen die Kontrolle über den Biochip des Kopfes und letztendlich den Wirtskörper.«
John fixierte seinen Vorgesetzten. »Ich habe keine Ahnung, wer hinter der Manipulation steckt, aber wissen Sie, was das bedeutet, Evan? Dieser Jemand könnte mithilfe unserer Technologie und dem neuen Datenpaket, mit dem die Bots heute ausgestattet werden, einen Menschen zum willenlosen Werkzeug machen. Mehr noch, man könnte den Menschen gezielt an einen bestimmten Ort teleportieren, um ihn als Spion oder Waffe zu missbrauchen! Sie, mich, jeden! Denn nicht einmal die MindCell-Signatur würde dadurch verändert. Wir blieben wir und würden von den Überwachungscomputern als zugelassen eingestuft. Einzig und allein die Wärmebarriere des Umfelds schränkt die Bots stark ein, den Wirtskörper zu verlassen und sich ohne Injektion, sprich durch die Luft, auszubreiten. Denn bis jetzt gelingen uns die Teleportationstests nur bei kalten Temperaturen. Daran arbeiten wir noch.«
Evan Yanderbrook besah sich die schwebenden Diagramme, wirkte aber wenig beeindruckt. »Sie mit Ihrem Fachchinesisch! Ich erkenne hier lediglich, dass Ihre Berechnungen erstens hypothetischer Natur sind und Sie zweitens dem Worst-Case-Szenario eine Chance von unter fünfzehn Prozent einräumen. Das halte ich für ein durchaus vertretbares Risiko. Sie werden es auf null reduzieren, bis wir das Projekt in zwei Wochen abschließen, die Patente einreichen und an die Öffentlichkeit gehen. Aber für die heutigen Tests spielt das keine Rolle. Wir verstehen uns?«
John spürte wieder den Kaffee hochkommen. Er versuchte seinem Chef mit steigender Verzweiflung klarzumachen, wie groß die Gefahr einer Katastrophe war, da der Abschlussversuch den Q-Bots gestattete, sich in einem freien Milieu zu bewegen. Als er bemerkte, dass seine Emotionen die von ihm angeführten Argumente wie die eines Stümpers klingen ließen, zwang er sich zur Selbstbeherrschung.
Er holte Luft.
»Bisher verliefen unsere Experimente nicht zielgerichtet, Evan. Das heißt, wir mussten die Labors mit einem starken, von den Fluktuationskammern erzeugten Energiefeld eindämmen, um das Teleportationsobjekt nicht an die Umwelt zu verlieren. Der Nachteil: Es materialisierte irgendwo in den Labors. Heute jedoch teleportieren wir draußen auf dem Testgelände. Dort benötigen wir dank der aktuellsten Erkenntnisse keine Eindämmung mehr, sondern legen den Zielpunkt fest, indem wir eine mit Quantumbots gesättigte Eiswolke platzieren. Die Bots in der Wolke und diejenigen in der Versuchsperson sind durch ihre Programmierung aufeinander geeicht. So schließen wir den Verlust des Subjekts aus. Ist der Prozess beendet, verflüchtigt sich die Q-Bot-Wolke. Und das bedeutet, sind unsere Maschinen einmal raus, bleiben sie draußen. Gemäß ihrer Natur ›entwischen‹ sie in Raum und Zeit. Wohin, kann niemand sagen. Das Problem ist, sie wurden manipuliert … also könnten sie unter den ungünstigsten Bedingungen Menschen umpolen!«
Yanderbrook umrundete seinen Schreibtisch, über dem eine dreidimensionale Darstellung des Firmengebäudes leuchtete, die jede Mitarbeiteraktivität anzeigte. Er blieb am Fenster stehen und blickte hinaus.
»Auf welchem Weg kontrolliert, nach Ihrer Theorie, der Saboteur die Q-Bots?«
John schöpfte Hoffnung und fuhr durch sein dichtes braunes Haar. »Richtig, Sir. Das vergaß ich zu erwähnen. Der Zugriff geschieht über die atomgroßen Antriebszellen der Bots. Der Saboteur hat einen Weg gefunden, das Brymm der Zellen in Negativ-Energie umzuwandeln, ein Vorgang, den man konkret einleiten muss und den ich bisher für nicht realisierbar hielt. Dieser Jemand kennt sich genauestens mit der Materie aus und ist ehrlich gesagt ein Genie.«
»Klingt weit hergeholt. Doch die Möglichkeiten, die sich daraus ergäben, wären … immens, nicht wahr?«
John runzelte die Stirn. Er vermochte den Unterton in Yanderbrooks Stimme nicht zu definieren. Überhaupt verhielt dieser sich seltsam.
»Wenn tatsächlich ein Eindringling existiert«, ordnete sein Vorgesetzter an, »dann will ich, dass Sie ihn bis heute Nachmittag finden und eliminieren. Und falls es sich um eine echte Person handelt, brauchen wir nur den Namen, damit der Werksschutz es wie einen Unfall aussehen lassen kann. Problem gelöst!«
Entsetzt starrte John den Mann am Fenster an. Niemals hatte er mit einer solchen Skrupellosigkeit gerechnet. Er machte einen letzten Versuch. »Evan, ich beschwöre Sie! Geben Sie mir drei Tage. Bitte! Ich kann unmöglich so schnell …«
Yanderbrook drehte sich um und brüllte: »Genug! Ich habe hier das Sagen! Tun Sie sich selbst einen Gefallen, Jonathan, und vermasseln Sie sich nicht Ihre Karriere. Sie sind schließlich erst Ende dreißig.«
Die Drohung, die der Abteilungschef ausgesprochen hatte, lastete unheilschwanger auf dem Büro.
»Trotz Ihres angeborenen Pessimismus haben Sie sich bis jetzt durchgebissen, und das schätze ich an Ihnen. Sehen Sie zu, dass es so bleibt. Die Tests werden termingerecht über die Bühne gehen, haben wir uns verstanden? Sonst müsste ich mir einen anderen leitenden Quantum-Engineer für das wichtigste Forschungsprojekt in der Firmengeschichte von Gyronics-Tech suchen. Diese Unterhaltung ist beendet!«
Milchiges Weiß.
Jonathan McGloominter loggte sich aus.
Verstört verließ er das Meetingcenter und stieg in eine Gleiterbahn, die ihn über das Firmengelände zu seinem Arbeitsbereich brachte. Als er noch immer wie betäubt bei »Quantum-Researches-Lab« ausstieg, stand sein Entschluss fest.
Am Eingang des Gebäudekomplexes fegte ihm Nyla Singer entgegen, die Empörung in Person.
»John … was läuft hier eigentlich?!«, schnaubte seine Assistentin und ging neben ihm her. »Wie Scott mir vor einer Viertelstunde gebeichtet hat, ist die finale Testreihe von dir abgeblasen worden. Kannst du mir das erklären? Wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Du hättest deine Entscheidung mit mir absprechen müssen!«
Beide blieben am Ende des Gangs vor dem Panzerschott stehen, wo der Kontrollpunkt ihre Signaturen scannte. Die Augen der schlanken Frau funkelten. Er wusste, sie erwartete eine verdammt gute Rechtfertigung von ihm.
»Die Tests finden nun doch statt«, gestand John emotionslos.
Wie konnte ich so naiv sein, mir einzubilden, für diese Firma stünde die Sicherheit an erster Stelle?!
Sein Blick ging ins Leere. Und sollte er Nyla einweihen? Ihr von seinem Plan erzählen? Das hieße, sich länger mit ihr zu unterhalten. Jedes Gespräch wurde analysiert.
Riskant! Die Abschirmung fällt auf. Mir bleibt nur eine Möglichkeit …
»Oh«, stichelte Nyla, »dann hat dir Yanderbrook einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kann nicht behaupten, mir täte das leid!«
Das Schott zischte und öffnete sich. Sie begaben sich zu Abteilung 7, Experimentelle Quantumbot-Teleportation.
»Hör zu, John«, lenkte sie ein, »ich bin auf deiner Seite … wirklich. Wie wir aus Erfahrung wissen, kriegst du jedes Mal kalte Füße am Ende