Die Legende der Eiswölfe. Nicole Seidel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Seidel
Издательство: Bookwire
Серия: Eiswolflegende
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738074499
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Frau vorüber ging, meinte er: "Hat ihr Bruder sie nicht rechtzeitig unterrichtet." Doch es war keine Frage, dazu schwang zu viel Sarkasmus mit hinein.

      Das Verhältnis zu meinem Bruder geht dich einen Scheißdreck an, du Blödian! - dachte Jhil Raven und folgte Joe Marley nach draußen.

      "Was hat Aleann denn gefunden?" fragte Joe hinterm Lenkrad auf dem Weg zum abgelegenen, privaten Flughafen.

      "Ich hoffe, dass wonach er gesucht hat", antwortete die junge Frau und schaute aus dem Fenster.

      "Uih, Jhil, sind wir heute Morgen mit dem falschen Bein aufgestanden?" Joe nahm die Ausfahrt vom Highway und bekam von der schwarzhaarigen Frau keine Antwort. "Sag, was ist los?"

      "Sorry, hatte nur eine unruhige Nacht."

      Eine Stunde später landete ein mittelgroßes Frachtflugzeug auf einer staubigen Landebahn, an deren Ende die Leute vom Museum bereits warteten. Ein nicht besonders großer, aber kräftiger Mann mit kurzem Haarschnitt sprang aus dem Flugzeug. Er trug Jeans, Boots, eine dunkelbraune Lederjacke und einen breitkrempigen Hut. Herzlich umarmte er die schwarzgekleidete Frau, die er um wenige Zentimeter überragte.

      "Es ist unglaublich, was ich gefunden habe, Jhil", schwärmte er. "Du wirst es mir kaum glauben wollen!" Er lächelte über beide Ohren und grüßte Joe, Kurt und die Jungs. "Seit vorsichtig beim Verladen, das Zeug ist schwer - und wertvoll!"

      Aleann Raven spannte seine Zwillingsschwester noch eine ganze Weile auf die Folter. Solange, wie die Rückfahrt dauerte und die ein Dutzend große Holzkisten brauchten, um in der Requisite des Museums eingelagert zu werden. Ein kleiner Hubwagen reihte die zwölf Kisten einzeln im Raum auf. Die Aufregung des Professors, Jhil, Aleann und allen zehn weiteren im Raum stehenden Männern war allen deutlich anzusehen.

      Aleann blätterte ein Stapel Papiere durch und ging dann zu einer der größten Holzkisten hinüber und befahl sie zu öffnen. Eine kleine Schicht Holzwolle sicherte darin einen Sarkophag. "Kannst du die Inschrift entziffern, Jhil?"

      Jhil trat ehrfürchtig an die Kiste heran, in der ein Sarkophag aus weißem Marmor lag. Der Deckel trug das dreidimensionale Bildnis eines liegenden, hübschen Königs in Rüstung mit Schwert in der Hand. Der Rand war mit springenden Löwen verziert und zu Füßen des steinernen Königs gab es eine dreizeilige Inschrift aus schwungvollen Runen - uralte Runen, wie Jhil sie bereits aus dem Buch kannte. Elfenrunen. "Es sarch elessar or venn Tanelor, aglareb aran uin Valdavien", las Jhil mit melodischem Timbre in der Stimme vor.

      "Und was heißt das?" fragte Professor Higgins ungeduldig.

      "Hier ruht Elessar vom Geschlecht der Tanelor, ruhmreicher König über ganz Valdavien." Jhil blickte zu ihrem Bruder herüber, der sie mit den gleichen grünen Augen anfunkelte. "Du hast das Grabmal des ersten Königs gefunden?"

      Ihr Zwillingsbruder nickte und grinste stolz über beide Ohren hinaus.

      "Hast du schon in den Sarg hineingesehen?" wollte Jhil wissen.

      Aleann Raven schüttelte den Kopf. "Der Deckel sitzt zu fest." Und dann begann er allen Beteiligten zu erzählen, wo und wie er die Grabkammer gefunden hatte. "Wie ich bereits vermutet hatte, fand ich in den Katakomben von Tanelor die Grabkammer des letzten Rosenritters Pantaleon de Avalon. Dort fand ich alte Chronikbücher und Aufzeichnungen, die bis ins sechste Jahrhundert zurück reichten. Es war sehr schwer, die alten Pergamente zu entziffern, doch zwischen den Seiten einer uralten Chronik aus der Hauptstadt fand ich einen Brief in Elfisch geschrieben, der mir einen Hinweis gab und mich in den Norden, nach Avalon führte.

      Das alte Kloster der Rosenritter war längst dem Erdboden gleich gemacht. Es hatte sich einst vor zweitausend Jahren an den Klippen über dem Meer erhoben. Ein Einheimischer meinte, als ich ihm die Zunge mit ausreichend Bier gelockert hatte, dass unterhalb der Klippen Höhlen vermutet wurden, die damals mit dem Kloster verbunden gewesen seien. Leider lag der Zugang unter Wasser und die Valdavischen Behörden durften nicht spitz bekommen, dass ich dort illegale Nachforschungen anstellte. Aber William Stafford, unser Freund vom Ministerium, hat mir zum Glück den Rücken freigehalten. Und mir noch zwei Sammler verraten, deren Urgroßväter einst in den Klosterhöhlen auf Schatzsuche gegangen waren.

      Ich wagte mich mit Ausrüstung hinab und fand tatsächlich einen Eingang. Ich kam bis in eine große unterirdische Halle, die bereits geplündert worden war. Aber die eisigen Wellen hatten mit der Zeit einen Eingang verschoben, der davor unbemerkt geblieben war. Dahinter kam die Grabkammer des ersten Königs zutage. Das Schwierigste war sicherlich die beiden Sarkophage und die Wertgegenstände darin ungesehen hinauf zu schaffen. Wir schafften es, ein Glück dass die Gegend dort oben lang nicht mehr so dicht besiedelt war, wie noch vor wenigen Jahrhunderten.

      Am Eingang zur Grabkammer fand ich eine Scherbe aus einer unbekannten Silberle­gierung, das Bruchstück und Drittel eines schön gearbeiteten Keltischen Knotens. Ich bin dann zu den beiden privaten Schatzsuchern gegangen und hab mir ihre Schätze einmal genauer angesehen. In ihrem Fundes befanden sich unter anderem zwei weitere Teile dieses Knotenschmuckstückes und ich schwatzte ihnen die Teile ab, die Leute konnten mit dem alten Kram ihrer sammelwütigen verstorbenen Großväter eh wenig mit anfangen. Das Sonderbarste ereignete sich am folgenden Abend, als ich die drei Scherben aneinander gelegt hatte, denn plötzlich leuchteten sie auf und fügten sich zu einem Stück zusammen."

      Aleann Raven holte aus der Innentasche seiner Jacke ein etwa handtellerrundes Schmuckstück aus einem mattglänzenden Silbermetall. Das Rund war durchbrochen und handwerklich vollkommen gearbeitet, zeigte ein mehrfach-verschlungenes keltisches Knoten-Dreieck.

      "Es ist wunderschön", staunte Jhil. "Wann hast du es zusammengesetzt Wenn es sich selbst zusammen fügte, scheint es magisch zu sein."

      "Gestern Abend irgendwann."

      "Da ist eine Elfenrunen-Inschrift auf dem Rand. Hm", die zierliche Frau versuchte eine direkte Übersetzung. "Rufe die Vergessenen, die nicht leben, nicht sterbend sind. Aus dem Dunkel strebt ein Licht, offenbart die Wahrheit des Herzens." Jhil runzelte die Stirn und reichte das Schmuckstück dem Professor, der es sich auch ansehen wollte.

      Die Männer begannen die Holzkisten auszupacken. Den Nachmittag über katalogisierten, sortierten, verzeichneten, untersuchten und bestimmten Aleann, Jhil, der Professor und Steve Andersen ein weiterer Archäologe des Museums, die Grabgegenstände, die sie aus den Kisten zogen. Viele kleine Alltagsgegenstände, unterschiedliche Kriegswaffen aus alter Zeit, fein gearbeiteter kostbarer Schmuck, zwei wundervoll goldene Rüstungen und ein weiterer Steinsarg. Der zweite Sarkophag war etwas kleiner und trug kein Abbild, des darin liegenden. Doch der Deckel war mit einem verschlungenen Dornenornament aufwendig verziert und eine Namentafel deutete auf dessen Inhalt.

      "Nuaja Silver 'Elin arwen uin Valdavien", las Jhil. "Wenn sie mit ihm in der Grabkammer lag, handelt es sich wohl um seine Frau. Obgleich mir eine Besonderheit bei ihrem Namen auffällt."

      "Ja, er ist elfisch", entgegnete Aleann.

      "Nuaja Silberstern, Hohe Frau Valdaviens", übersetzte Jhil und erinnerte sich an das alte Buch in dem sie heute früh noch geschmökert hatte. "Sie ist die Zwillingsschwester des Elfenprinzen Nuance Silver 'Elin. Sie ist eine Dunkelelfin aus Ban Dúath aus dem Pamirgebirge. Wow, Al, eine Elfin!"

      "Leider eine ausgetrocknete faltige Mumie mit wenig elfischem Glanz." Der Mann machte sich daran den Deckel des Sarkophags zu verschieben. Steve Andersen half ihm und sie hoben gemeinsam den Deckel zur Seite, lehnten ihn gegen die Sargwand.

      Jedem verschlug es die Sprache, als sie die Mumie im Innern betrachteten, hatten sie doch einen schrumpeligen dürren Frauenleichnam erwartet. Die Frau im mit gelbem Samt ausgeschlagenen Sarko­phag und einem pompösen hellbeigen Kimono artigen Kleid bekleidet, hatte ein sehr lebendiges Aussehen: glatte weiße Haut zeigten ein wunderschönes, edles Gesicht, gerahmt von langem weißem Haar. Sie trug ein dunkles Makeup um Augen und schöngeschwungenem Mund und die Narbe über den Wangen, die Jhil aus ihren Träumen bereits kannte. Das Kleid war hochge­schlossen, ein graues Mieder betonte die kleinen Brüste, ihre Hände waren in den Falten der weiten Ärmel verborgen. Sie trug keinerlei Schmuck, nur ein filigraner Goldreif, eine Krone, lag auf ihrer Brust. Sie wirkte als schliefe sie.