Der Fall Bahran. Elke Maria Pape. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Maria Pape
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710154
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Urlaub. Musste ich schon abbrechen!”

      „Sie Ärmster!”

      „Bei uns ist es eine Grippewelle!”

      „Jetzt, bei dieser Hitze?”

      „Fragen Sie mich nicht, wie das kommt. Ich vermute, ein Virus.”

      Jetzt lächelte sie. „Na, dann wollen wir hoffen, dass wir verschont bleiben. Die Mörder machen ja leider auch keinen Urlaub.”

      Sie nickte ihm aufmunternd zu und ging an ihm vorbei nach draußen. Zacharias hörte, wie zahlreiche Kameras klickten, als sie raus kam und wie ein paar Reporter sie mit Fragen bestürmten. Allerdings war sie klug genug, nicht zu antworten.

      Schon die ganze Zeit hatte sich Zacharias über das übermäßige Interesse der Menschen, die draußen standen, gewundert. Als Klaus Bültmann erneut das Wohnzimmer betrat, sprach er seine Verwunderung darüber aus und erntete erstaunte Blicke.

      „Du weißt nicht, wer die Frau ist?”

      „Natürlich weiß ich das. Die Frau heißt Patricia Bahran und wohnte hier alleine.”

      Herr Bültmann schwieg.

      „Nun sag schon. Du weißt doch etwas. Ehrlich gesagt, der Name des Opfers kam mir schon etwas bekannt vor. Irgendwo habe ich ihn schon mal gehört.”

      „Meine Mutter war auch schon mal bei ihr!”

      „Wo, hier?”

      Er nickte.

      „Klaus, wir kennen uns doch schon lange. Willst du, dass ich hier der einzige bin, der nicht über die Frau Bescheid weiß? Was machen die ganzen Leute da draußen? Warum sind so viele von der Presse da? Und dann diese weinende Frau. Ich hoffe, es wird sich um sie gekümmert.”

      „Ja, ja, die wird versorgt. So viel ich mitbekommen habe, hat sie der Pfarrer zu einem Arzt gefahren.”

      „Gut! Also, ich höre!”

      „Na, ja, Madame Bahran hat vielen geholfen.”

      „Madame Bahran?”

      „So nannten sie alle”

      „Wer alle?”

      „Die Menschen, die sie aufsuchten.”

      „Klaus!”

      „Ja, schon gut. Menschen suchten bei ihr Hilfe. In gesundheitlichen Fragen, oder Trost.”

      „Aber sie war doch keine Ärztin?”

      „Sie war eine Geistheilerin!”

      „Eine Geistheilerin?”

      „Ja, jemand, der seine heilende Energie an die Menschen abgibt. Erst kürzlich war ein Bericht über sie in der Zeitung.”

      „Also eine von diesen so genannten Wunderheilern?” Zacharias sah ihn skeptisch an.

      „Sie hat vielen Menschen geholfen, auch meiner Mutter.”, antwortete er mit ein wenig Trotz in der Stimme.

      Dass Zacharias solche Geschichten grundsätzlich für Hokuspokus hielt und dass er der Meinung war, das so genannte Wunderheiler meist durch das Wunder reich wurden, dass sie den Menschen das Geld aus der Tasche schwatzten, behielt er in diesem Moment für sich.

      „Gut danke, Klaus. Ich will euch nicht weiter stören.”

      Zacharias ging zu Sofa des hellen Wohnzimmers, wo gerade die Leiche der Madame Bahran, jetzt nannte er sie schon selber so, abtransportiert wurde. Die Frau war zwar klein aber sehr füllig, so dass die zwei Männer vom gerichtsmedizinischen Institut ihre Mühe hatten, den schweren, schlaffen Körper in den Zinksarg zu legen.

      Als sie den Sarg aus dem Raum trugen, blieb eine riesige Menge Blut auf dem Boden zurück.

      Zacharias betrachtete die Blutspuren an den Wänden. In kleinen Flüssen war das Blut herunter gelaufen und zum Teil in der Tapete versickert.

      Auch an der Decke befanden sie nicht wenige dicke Spritzer.

      Mit welch unvorstellbarer Wut musste der Täter den Schädel der Frau zertrümmert haben, dachte er.

      Trotz der Hitze lief es Zacharias plötzlich eiskalt den Rücken herunter.

      Einer der Leute der Spurensicherung kauerte hinter dem Sessel, der vor der blutverschmierten Wand stand. Mit einem Male streckte er seinen rechten Arm nach oben und machte sich bemerkbar.

      Zacharias war sofort bei ihm. „Was gefunden?”, fragte er. Der Kollege hob vorsichtig einen blutigen Stift hoch, den er hinter dem Sessel gefunden hatte. Vielleicht ein Bleistift oder ein Kugelschreiber.

      Klaus Bültmann kam wieder dazu. Die drei Männer musterten den blutverschmierten Stift. Bei genauerem Betrachten eindeutig als Bleistift zu erkennen.

      „Wo hast du den gefunden?” fragte Klaus seinen Kollegen.

      Dieser sah aus einem verschwitzen Gesicht zu ihnen hoch. „Hier, hinter dem Sessel. Und da ist noch was! Etwas, was ihr euch unbedingt ansehen müsst.”, fügte er keuchend hinzu.

      Herr Bültmann und Zacharias Weinfeld zogen den schweren Sessel nach vorne, begaben sich beide in die Hocke und schauten angestrengt auf die mit Blutspritzern übersäte Wand.

      „Was meinst du?”, fragte Klaus.

      Auch Zacharias konnte beim besten Willen nichts Ungewöhnliches erkennen.

      „Ihr müsst euch tiefer runterbeugen. Es ist unten, direkt über der Fußleiste.” Er hatte den Stift in eine Plastiktüte gelegt und deutete mit seinem Zeigefinger auf eine blutige Stelle ganz unten an der Wand. Die Blutflecke vermischten sich mit dem zarten Muster der Tapete.

      Zacharias gab sich alle Mühe. „Ich sehe nichts.”

      „Ihr müsst euch noch mehr nach unten beugen. Es ist nicht gleich zu erkennen.”

      Erneut beugten sie ihre Rücken in Richtung Fußboden, obwohl hinter dem Sessel die Luft noch stickiger erschien, und dann hatten sie plötzlich das Gefühl, es beide gleichzeitig zu entdecken.

      „Scheiße. Was ist das?” Zacharias Oberkörper schnellte nach oben. Durch die hektische Bewegung wurde ihm fast schwarz vor Augen. „Scheiße!” wiederholte er aufgeregt, obwohl das sonst gar nicht zu seinem Wortschatz gehörte, während die beiden Herren der Spurensicherung noch angestrengt an die Wand starrten.

      Klaus Bültmann sprach es aus. „Da steht was geschrieben.”, sagte er nur.

      Hektisch fuhr sich Zacharias durchs Haar. Er überlegte kurz, was zu tun sei, dann beugte er sich wieder zum Boden.

      „Wer auch immer dieser Scheißmörder war, der die arme Frau umgebracht hat, er hat uns eine Nachricht hinterlassen.” Klaus Gesicht war rot vor Wut oder vor Hitze, den Unterschied konnte man nicht mehr genau erkennen. Schließlich hatte er die Frau gekannt, zumindest seine Mutter.

      Zacharias erkannte ein paar undeutliche Buchstaben, von denen Blut in feinen Äderchen herunter gelaufen war und in den Ritzen der Fußleiste verschwand.

      Der andere Kollege der Spurensicherung zeigte aufgeregt auf die Plastiktüte mit dem blutigen Bleistift, die noch neben ihm auf dem Fußboden lag. „Der Bleistift ist mit Blut getränkt. Der Täter muss den Stift in das Blut getaucht haben, das sich um die Leiche gebildet hat. Und dann hat er das hier geschrieben.”

      „Echt pervers!”, sagte Klaus Bültmann.

      „Könnt ihr es genau erkennen?” Zacharias wischte sich zum wiederholten Mal den Schweiß von der Stirn. „Was steht denn dort genau?”

      Klaus rückte zur Seite und machte ihm Platz. „Sehe selbst nach!”, forderte er ihn auf.

      Zacharias kroch auf dem Boden ganz nah an die Wand und beugte sich noch tiefer herunter, so dass er fast mit der Nase den Boden berührte. In sauberer Handschrift hatte der Täter sein blutiges Werk hinterlassen.