Der Fall Bahran. Elke Maria Pape. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Maria Pape
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710154
Скачать книгу
Dame ja schließlich auch um ein Gesicht dieser Stadt handelte, und da musste Patricia Bahran ihm wohl oder übel Recht geben.

      Die nächsten Fragen und Antworten überflog die Person. Es ging um Allgemeines. Was Patricia genau machte, wie sie es machte und warum.

      Uninteressant.

      Jedenfalls für die Person.

      Weil sie es wusste. Nur zu gut.

      Dann kam der Reporter an einen Punkt, der ihm wohl am Herzen zu liegen schien.

      Er schien einer der Menschen zu sein, die zwar nicht ausschließen wollten, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die man nicht ohne weiteres erklären konnte, aber die sich doch noch eine große Spur Skepsis bewahrt hatten und auf Nummer Sicher gingen. Doch lieber das glaubten, was zu beweisen war.

      „Das heißt, man muss schon ein großer Menschenfreund sein, um diesen Beruf auszuführen, richtig?“

      „Ja, das stimmt. Und das bin ich auch. Ich liebe die Menschen.“

      „Alle?“

      „Vielleicht nicht alle. Aber die meisten. Wenn man sich Mühe gibt, kann man an jedem Menschen etwas Schönes entdecken.“

      „Haben Sie gar keine Angst dass da mal irgendetwas schief geht?“

      „Wie meinen Sie das denn? Was soll da schief gehen?“

      „Dass zum Bespiel einer Ihrer Besucher das Ganze missverstehen könnte. Vielleicht verliebt sich jemand plötzlich in Sie.“

      „Nein, jetzt muss ich aber lachen. Das ist noch nie passiert, glauben Sie mir.“

      „Aber es könnte doch passieren. Oder Sie geraten an einen Psychopathen, der Sie um den Finger wickelt ohne dass Sie es sofort merken und es gar nicht gut mit Ihnen meint. Alles möglich.“

      „Jetzt übertreiben Sie. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Tätigkeit. Sie erfüllt mich und macht mir große Freude. Ich habe vor, das noch mindestens vier bis fünf Jahre zu machen. Anschließend möchte ich reisen. Das ist in der Vergangenheit etwas zu kurz gekommen. Und in jungen Jahren fehlte mir einfach das Geld. Nicht, dass ich durch meine Arbeit reich werde. Ich tue das einfach, weil es mich als Mensch glücklich macht.“

      „ Frau Bahran, erlauben Sie mir anzumerken, dass ich ein bisschen skeptisch bleibe. Ich halte das für nicht ganz ungefährlich.“

      „Machen Sie sich keine Sorgen um mich.“

      „Trotzdem, tun Sie mir einen Gefallen und schauen Sie sich die Leute genau an, bevor Sie sie behandeln. Das Ganze macht mir ein bisschen Angst.“

      „Das ist nett von Ihnen, dass Sie besorgt um mich sind, aber das ist unbegründet. Ich merke schon, wenn einer ernsthaft krank ist. Auch psychisch! Und den würde ich nicht behandeln und sofort an einen Facharzt verweisen.“

      „Frau Bahran, ich danke Ihnen für dieses Interview. Geben Sie unseren Lesern doch noch ein paar kurze Stichpunkte zu Ihrem Leben.“

      „Gern. Ich heiße Patricia Bahran.

      Ich bin sechsundfünfzig Jahre alt.

      Keine Kinder.

      Geschieden.

      Und mein Beruf ist Geistheilerin.“

      „Vielen Dank. Und wie gesagt, passen Sie gut auf sich auf, Frau Bahran.“

      Die Person legte nachdenklich die Zeitung zur Seite und war sich nun ganz sicher. Patricia Bahran würde helfen.

      Die Person musste nur immer wieder fragen. Notfalls flehen, auch wenn das schwer war, aber die Zustände erforderten es nun einmal.

      Unter Umständen musste Patricia Bahran auch gezwungen werden. Wenn es gar nicht anders ging. Aber darüber musste man im Moment noch nicht nachdenken. Noch war es zu früh für solche Pläne.

      Oder nicht?

      Kapitel 1

      Montag, der 01. August

      Konnte er nie dieses Nörgeln sein lassen?

      „Gertrud!” Jetzt rief er schon wieder nach ihr. Irgendwo von draußen aus dem Garten kam die Stimme.

      „Gertrud!”

      Sie seufzte. „Ja, was ist denn? Ich muss zur Arbeit!” Leicht genervt ging sie durch das kleine Wohnzimmer und blieb an der offenen Terrassentür stehen.

      Nach ein paar Minuten kam ihr Mann um die Hausecke und klopfte sich auf der Terrasse die schmutzige Hose ab. Endlos lange machte er das, anschließend zog er sich die Gartenhandschuhe aus, an denen noch kleine Ackerklumpen klebten.

      „Wo willst du hin?”, fragte er atemlos.

      „Arbeiten, hab ich doch gesagt. Ich gehe jeden Morgen arbeiten, falls du dich erinnerst.”, antwortete sie ungeduldig.

      Ihr Mann kratzte sich verlegen an der Stirn. „Ja, aber doch nicht so spät. Es ist neun Uhr. Ich dachte, du hättest heute frei.”

      „Nein, hab ich nicht. Frau Bahran braucht mich heute später. Wie gesagt, hab ich dir alles schon erzählt.”

      Er lächelte gequält. Er merkte sehr wohl, wie sein Gedächtnis immer mehr nachließ.

      „Es ist Suppe im Kühlschrank. Für heute Mittag. Also, ich muss jetzt wirklich los. Bis nachher.”

      Gertrud Häberlein schloss die Terrassentür und öffnete sie sofort wieder.

      „Hast du einen Schlüssel? Nicht, dass ich dich jetzt aussperre.”

      Er lächelte immer noch und griff in die Tasche seiner ärmellosen Weste.

      Ja, er hatte einen Schlüssel.

      Was er sie noch fragen wollte, hatte er vergessen.

      Sie blickte in den Spiegel im Flur und überprüfte kurz ihr Aussehen, dann ging sie los. Heute würde sie den Bus nehmen. Normalerweise ging sie immer zu Fuß. Aber heute hatte sie zwei Kilo sperrige Porree Stangen bei sich, die sie gestern für ihre Chefin auf dem Markt erstanden hatte. Eigentlich erledigte sie gerne Botengänge, dann durfte sie immer eine halbe Stunde eher gehen und konnte so auch noch für sich und ihren Mann etwas kaufen, meist für das gemeinsame Abendessen.

      Um 9.15 Uhr stieg sie in die Linie 19 und ließ sich neben anderen Hausfrauen und Verkäuferinnen, die zur Arbeit fuhren, nieder.

      Das Frau Bahran sie manchmal etwas später bestellte, war nicht ungewöhnlich. Im Allgemeinen empfing sie dann einen ihrer Gäste, jemand, der nicht gesehen werden wollte. Vielleicht jemand Prominentes. Ihr konnte es nur recht sein, sie bekam trotzdem die volle Stundenzahl abgerechnet. Immer von acht Uhr morgens bis ein oder zwei Uhr nachmittags. Je nachdem.

      Gäste, so nannte ihre Chefin die Leute, die zu ihr kamen und diese sprachen sie immer mit „Madame Bahran” an. Gertrud Häberlein fand das ein bisschen affig. Aber was ging sie das an. Madame zahlte gut, und jetzt, da ihr Mann bereits in Rente war, konnten sie jeden Cent gebrauchen.

      An der Haltestelle Birkenweg stieg sie aus. Jetzt war es nur noch einen Katzensprung bis zum Tannenweg. Vor der Hausnummer vierzig kramte sie in ihrer großen Handtasche nach dem Schlüssel, öffnete wie immer die knarrende Gartentür und ging über den Steinweg zum Haus. Die üppigen Blumen links und rechts des schmalen Weges waren jetzt in der flirrenden Hitze des Hochsommers so schwer, dass sie sich mit ihrer ganzen Pracht zur Seite bogen und man kaum noch die Steinplatten unter den Füßen erkennen konnte.

      Frau Bahran war geradezu vernarrt in dieses unordentliche Blumenmeer. Gertrud Häberlein schüttelte den Kopf und schob bei jedem Schritt mit ihren Beinen die teilweise schon abgeknickte Blumen zur Seite.

      Sie hatte es lieber ordentlicher.

      Um punkt