„Morgen“? Ich war fassungslos. Sollte das etwa bedeuten, dass ich noch die gesamte Nacht und den halben Vormittag weiter ohne Würstchen würde ausharren müssen? Ehrlich: Ich konnte es nicht glauben. Schwer deprimiert schleppte ich mich ins Bett, in der Hoffnung, den grausigen Zustand der Würstchenlosigkeit bis zu seiner endgültigen Aufhebung möglichst ausgiebig zu verschlafen.
Zur Ehrenrettung meiner Zweibeiner sei gesagt: Sie sorgten schnell für Abhilfe. Kaum aufgestanden, raste Herrchen heute Morgen los, um Nachschub zu besorgen. Und um ganz sicherzugehen, dass wir den Schock auch wirklich gut und ohne schwere Nachwirkungen verkraften würden, spendierte Frauchen mir und meiner Bully-Mitbewohnerin Anna zur Sicherheit gleich je ein ganzes Würstchen.
Dennoch muss ich sagen, dass ich von dieser schlimmen Erfahrung noch immer nachhaltig traumatisiert bin. Erst recht, seit mir Herrchen erzählt hat, dass meine Geflügel-Würstchen wegen des anstehenden Feiertags in insgesamt drei Supermärkten ausverkauft gewesen seien und er beinahe – quasi um ein Haar – keine mehr gekriegt hätte.
Ich meine: Hallo?! Ist überhaupt irgendwem außer mir klar, wie geradezu unfassbar knapp das war? Das hätte ganz, ganz leicht von einer mittleren Würstchen-Krise zu einem ausgewachsenen Wienerle-Notstand werden können! Man stelle sich nur vor, Herrchen hätte tatsächlich vor dem Wochenende keine neuen Würstchen mehr bekommen! Und was dann? Mit was wäre ich getröstet worden, falls mir wieder so ein dusseliges Bienentier in die Pfote gestochen hätte? Oder falls wir am Wochenende – Mops-Gott bewahre – beim Spazierengehen vom Regen überrascht worden wären? Oder wenn die Anna mal wieder mit meinem Lieblings-Kuscheltier durchgebrannt wäre? Ganz zu schweigen davon, was passiert wäre, wenn mich die Grippe oder schweres Magengrummeln ereilt hätten?
Ja, schon klar, Sie denken jetzt vermutlich, Wienerle seien schließlich keine Hunde-Medizin und so. Aber ich sage es Ihnen ganz offen: Auch wenn das vielleicht von diesen Wissenschafts-Typen noch nicht eindeutig bewiesen ist, fühle ich mich jedenfalls bei grundsätzlich jeder Krankheit gleich zehnmal besser nach einer halben Wurst – womit ja die medizinische Bedeutung klar belegt wäre, oder?
Jedenfalls habe ich beschlossen, dass umfangreiche Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit uns so was nicht nochmal passiert.
Für den Anfang habe ich Frauchen und Herrchen nahegelegt, dass wir einfach noch eine oder zwei Tiefkühltruhen zusätzlich anschaffen sollten. Allerdings: Auf Dauer wird das kaum reichen. Sollte es beispielsweise zu einer internationalen Würstchen-Krise kommen, bei der man Wochen, vielleicht Monate, ohne Nachschub wäre, müsste man natürlich imstande sein, auf größere Vorräte zurückzugreifen.
Habe hier jetzt deshalb mal den Plan in die Runde geworfen, dass wir einfach den Keller unterm Haus um einen eigenen Würstchen-Raum erweitern – nur zur Sicherheit.
Die ersten Reaktionen bei meinen Zweibeinern sind zwar nicht so euphorisch ausgefallen, wie ich mir das gewünscht hätte – zumal sie angesichts der noch keine 24 Stunden zurückliegenden Krisensituation ja auch selbst auf die Idee hätten kommen können. Aber: Sie wissen, wie das ist. Manchmal muss man seine Menschen langsam und stückchenweise an seine mopsigen Einfälle ranführen. Irgendwann werden sie sich schon für die Überlegung erwärmen.
Die Zeit bis dahin werde ich einfach nutzen, um an den architektonischen Feinheiten meines künftigen Würstchen-Zimmers zu feilen. Und dabei das eine oder andere Wienerle verspeisen, denn die sind natürlich auch für die Kreativität eine super Sache – oder was dachten Sie, wie ich immer auf all die spitzenmäßigen Einfälle komme? – Na, eben.
Mehr nächste Woche.
Mit mopsigen Grüßen,
Ihr Eddie
2. Die Bade-Queen, oder: Von den seltsamen Vorlieben junger Bully-Damen
Tag auch.
Wissen Sie, es ist ja kein Geheimnis, was ich so von Wasser halte. Egal, ob es vom Himmel fällt, mich vom Boden anspringt, sich im Garten in diesem fiesen Tümpel sammelt oder im Haus aus überflüssigen Hähnen und Duschköpfen sprudelt: Ich meide dieses unsympathische Element, wo ich kann.
Angesichts dieser Tatsache werden Sie ungefähr ahnen, wie sehr mich folgende Erkenntnis schockiert hat: Meine neue Bully-Mitbewohnerin ist eine Bade-Queen. Sofern Sie sich gerade das Gesicht eines fassungslosen, deshalb aber nicht minder schnittigen Mops-Manns in den besten Jahren vorstellen: Das kommt hin.
Dabei fing es so gut an. Als wir mit Anna die ersten Male an meiner Lieblings-Talsperre im Bergischen entlangspazierten, schien alles ganz wunderprächtig: Unten am Strand beäugte Anna das Nass nicht weniger skeptisch als ich, schnüffelte bei dem Anblick nur ein paarmal ratlos in die Luft und entschloss sich dann, lieber Abstand zu halten. Perfekte Reaktion. Äußerst gesund, wenn Sie mich fragen.
Als Anna an einem warmen Herbsttag vor einigen Wochen nach einer längeren Tour durch den Wald zum ersten Mal in ihrer Vorsicht nachließ und sich allen Ernstes ans Ufer selbiger Talsperre stellte, um daraus eine Runde Wasser zu schlabbern, hätte ich eigentlich schon wachsam werden müssen. Unter uns: Ganz normal ist ja so was für einen anständigen Wasser-Skeptiker nicht. Ich für meinen Teil jedenfalls würde lieber verdursten, als freiwillig aus so einem Ding zu süppeln. Aber vielleicht, hoffte ich, hatte die Anna nur einen schwachen Moment gehabt.
Hatte sie nicht. Keine zwei Wochen später erwischte ich sie dabei, wie sie beim Spazierengehen mit den Vorderpfoten ins Wasser stiefelte. Hallo?! – Da wurde ich nun wirklich misstrauisch. Am Abend entschied ich mich, mit ihr zu sprechen, und klärte sie zu ihrer eigenen Sicherheit gründlich darüber auf, was in so komischen Tümpeln alles kreucht und fleucht: glibberige Fische und Kaulquappen, Schnecken und Schnaken – von dem ganzen Schlamm- und Schlingpflanzen-Schleim gar nicht zu reden. Anna nickte und schien schwer beeindruckt. Ich war sicher: So bald würde die freiwillig in keinen Teich mehr steigen.
Dann allerdings passierte es. Weil die Anna nämlich ein paar Hautprobleme hat – Sie wissen ja, wie das bei Teenagern ist –, bekamen Frauchen und Herrchen vom Tierarzt den Auftrag, sie zu baden. Jawohl, Sie lesen richtig: zu baden! Der Supergau sozusagen. Im Ernst: Ich persönlich wäre ja umgehend ausgezogen.
Entsprechend groß war auch mein Mitgefühl für die arme Anna. Ehrlich: Angesichts der Tatsache, dass man sie komplett nass machen wollte, stiegen mir beinahe Tränen in die Mopsaugen.
Als es soweit war, ging ich denn auch pflichtschuldigst mit ins Badezimmer. Denn auch wenn ich wusste, dass der Anblick grausig werden würde: Ich konnte schließlich meine Anna in ihrer schwersten Stunde nicht allein lassen. Da musste ich ihr ja die Pfote halten – also nur im Geiste, versteht sich, sonst wäre die ja auch nass geworden, meine Pfote.
Schweren Herzens sah ich also mit an, wie Badehandtücher bereitgelegt wurden und meine Anna in die Wanne gehievt wurde – ich konnte fast nicht hingucken. Allein bei der Vorstellung, dass Anna nun in wenigen Sekunden bis auf die Haut pitschepatschenass sein würde, war ich ganz verzweifelt.
Und dann fiel mir was auf: Die Anna sagte überhaupt nix. Nicht ein einziges unglückliches Hundejaulen drang aus der Wanne, noch nicht mal das winzigste Bully-Heulen. Auch sonst vernahm ich keinen Laut: kein Kratzen von Krallen an den Wannenwänden – nichts. Das war der Moment, wo ich wirklich skeptisch wurde. Für all das, da war ich sicher, konnte es nur eine einzige vernünftige Erklärung geben: Anna war offenbar in Ohnmacht gefallen.
Nun kennen Sie mich ja: Ich bin ein Gentlemops. Und Mops-Superheld im Nebenjob. Trotz meiner persönlichen Antipathie gegen das feuchte Element, entschloss ich mich also, meiner Anna zur Hilfe zu eilen. Todesmutig hüpfte ich von außen an den Rand der Badewanne, um zu gucken, was da los war. Konnte ja sein, dass ich zur Mund-zu-Mund-Beatmung eilen musste oder so.
Jedoch: Was ich sah, übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Anna nämlich war überhaupt nicht ohnmächtig, ganz im Gegenteil: Sie war höchst vergnügt. Freudig plantschte sie im Mopsknie-hohen