DAS GESCHENK. Michael Stuhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Stuhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628156
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ich und hoffe inständig, das es so sein würde. „Die sind nicht so spießig!“ füge ich noch giftig hinzu, während ich mit wütenden Bewegungen an meinem Filet herum schneide und es dabei halb zerquetsche.

      „Na, na!“ tadelt mich meine Mutter mit strafendem Blick. „Nun sei mal nicht so frech zu deinem Vater. Er meint es doch nicht böse mit dir. Er hat nur Angst um dich, weil er nicht weiß, wie so eine Misswahl abläuft“, fügt sie noch lächelnd hinzu und blinzelt mir dabei verschwörerisch zu. Das gibt mir ein wenig Hoffnung.

      Mein blöder Bruder muss in diesem Moment natürlich dazwischen plärren: „Lana auf dem Laufsteg.“ Er lacht, hebt im Sitzen ein wenig die Arme und wackelt mit dem Oberkörper. „Sie wird bestimmt stolpern und sich total blamieren. Dann kenne ich dich nicht mehr!“

      „Halt die Klappe Didier, du weißt ja gar nicht, wovon du redest!“ fauche ich ihn an. „Außerdem macht Celine auch mit, die Schwester von deinem Paul! Willst du, dass ich hinter der zurückstehe?“

      Didier sieht mich mit offenem Mund an, in dem sich noch Reste von zermatschten Pommes befinden. Ich merke, wie er zu kämpfen hat. Schließlich siegt seine Familienloyalität. Er schließt seinen Mund und murmelt. „Na, besser als die blöde Celine bist du auf jeden Fall.“

      „Wer ist überhaupt diese Felix, von der du da geredet hast?“ will mein Vater mit einem Mal wissen.

      „Eigentlich heißt sie Felicitas. Sie ist Engländerin“, erwidere ich seufzend und glaube schon nicht mehr an den Erfolg meiner Bemühungen.

      Mein Vater vergisst das Stück Filet und erstarrt mitten in der Bewegung. „Eine Engländerin“, wiederholt er ungläubig mit großen Augen. „Ist sie allein hier?“

      „Nee, mit ihren Eltern.“ Diese Ausfragerei geht mir mittlerweile ganz gewaltig auf den Geist

      „Engländer? Und die lassen ihre Tochter da mitmachen?“

      „Ja“, sage ich lahm und trinke den Rest meiner Cola.

      „Na, das kann man ja eigentlich nicht zulassen“, meint Papa und schiebt sich endlich das Fleischstück in den Mund, „dass hier Engländer über die Franzosen siegen“ Mit vollen Backen kauend schaut er mich an und grinst.

      „Heißt das ‚Ja’ Papa?“, frage ich ihn atemlos und etwas ungläubig. Papa nickt und meine Mutter lacht.

      Ich springe auf und gehe mit schnellen Schritten zum Tisch von Fleurs Eltern. Die schauen nicht gerade begeistert und Fleur ist kurz davor loszuheulen. Offenbar hat sie nicht so viel Glück wie ich. „Ich darf“, platze ich deshalb schnell in die Unterhaltung.

      Fleurs Vater, den ich wohl gerade bei einem Vortrag über Moral unterbrochen habe, blinzelt mich irritiert an.

      „Siehst du!“ flüstert seine Frau, „dass ist doch alles nur harmloser Spaß. Komm Chérie, gib dir einen Ruck! Celine darf ja auch“

      „Celine ist kein Maßstab für mich, deren Eltern sind in meinen Augen ...“ Er schaut mich an und bricht ab. „Aber dass du da mitmachen darfst Lana, das erstaunt mich! Setz dich doch einen Moment zu uns“

      Ich rücke mir einen Stuhl zurecht, nehme Platz und warte auf das was nun kommen soll.

      Gedankenverloren zerlegt Fleurs Vater mit chirurgischer Präzision seinen Fisch, schiebt sich ein Stück in den Mund und kaut schweigend. Fleur sitzt mucksmäuschenstill da und wartet, bis er zu einem Entschluss gekommen ist. Ihre Mundwinkel zucken und sie ist wirklich kurz davor, loszuheulen, während er mich ein bisschen ausfragt, was man da so machen muss, bei dem Wettbewerb.

      Zum Glück kann ich ihm genau die richtigen Antworten geben. Schließlich kann ich lesen und das Plakat hängt ja überall herum. An unserem Tisch wird derweil der Rest von meinem Essen kalt, aber das ist mir die Sache wert.

      „Also gut!“ seufzt er schließlich, „Ich erlaube es dir Fleur!“ Quietschend springt Fleur auf, rennt um den Tisch herum und fällt ihrem Vater um den Hals. „Merci Papa! Merci, merci, merci!“ Bei jedem ‚Merci’ drückt sie ihm einen Kuss auf die Wange.

      Mann, das hätte ich vielleicht auch machen sollen, geht es mir durch den Kopf. Etwas unsicher schaue ich zu unserem Tisch, aber meine Eltern scheinen beide bester Laune zu sein.

      Fleur ist mittlerweile etwa beim zehnten Merci angekommen.

      „Ja, schon gut“, wehrt ihr Vater sie lachend ab. „Aber du machst keine unanständigen Dinge wenn sie so was von euch verlangen, verstanden?“ sagt er mit drohend erhobenem Messer. „Nein mach ich ganz bestimmt nicht Papa, ich bleibe ganz brav!“

      Glücklich gehen Fleur und ich Arm in Arm zum Tisch von Paulines Eltern. Auch hier ist die Stimmung nicht gut. Anders als bei uns ist es hier die Mutter, die sich querstellt. „Pauline!“, verkündet sie gerade mit erhobenem Zeigefinger, „Ich habe dich nicht dazu erzogen, vor anderen die Springmaus zu machen und Männern begehrliche Blicke zu entlocken!“

      „Aber Maman!“ erwidert Pauline verzweifelt, „es geht doch nur um den Spaß. Wir tänzeln ein bisschen im Badeanzug herum, und singen Karaoke.“

      „Und was noch?“ So schnell lässt sich Paulines Mutter nicht beruhigen. Ihre hagere Gestalt wirkt angespannt, zum Angriff bereit.

      „Dann gibt’s da noch ´ne Modenschau. Coole Freizeitkleidung und so, und dann machen wir noch einen kleinen Intelligenztest.“ Hilfesuchend schaut sich Pauline zu uns um.

      „Das ist aber noch nicht alles“, stellt die Mutter säuerlich fest. „Ich habe das Plakat gesehen.“

      „Na, ja“, druckst Pauline herum, „tanzen müssen wir auch noch.“

      „Aber in der Gruppe“, versuche ich ihr zu helfen.

      „Im Badeanzug!“ Paulines Mutter verzieht den Mund.

      „Wir dürfen!“ platzt nun auch Fleur heraus. „Lassen Sie Pauline doch auch mitmachen, das wird so ein Spaß.“

      Paulines Mutter ignoriert Fleurs Einwand und schüttelt mit verkniffenen Lippen energisch den schmalen Kopf. „Nein, kommt nicht in Frage! Und das ist mein letztes Wort. Pauline, du machst mir bei diesem unwürdigen Spektakel nicht mit!“

      „Och Maman!“ Paulines Stimme hört sich richtig verzweifelt an. „Die Gewinnerin vom letzten Jahr soll sogar einen Plattenvertrag gekriegt haben.“

      „Das fehlt mir gerade noch.“ Madame Poireaux schaut streng über ihre randlose Brille hinweg. „Es bleibt beim Nein!“

      „Darf sie dann wenigstens unsere Beraterin in Klamottenfragen werden?“ werfe ich schnell ein und ernte einen dankbaren Blick von Pauline.

      Die Mutter kaut ohne sichtlichen Genuss an einem Stück Miesmuschel und überlegt. „Na gut“, verkündet sie schließlich, „aber nur das und sonst nichts. Haben wir uns verstanden Pauline?“

      „Ja Maman! Merci Maman!“ sagt Pauline und springt vom Tisch auf. „Darf ich gehen Maman?“ fragt sie schnell. „Wir haben noch so viel zu besprechen.“ Madame Poireaux nickt mit verzogenen Lippen. Paulines Vater hat in der ganzen Zeit keinen Ton von sich gegeben und nur konzentriert sein Essen in sich hineingeschaufelt.

      Als wir die Terrasse verlassen, will ich den Sand spüren. Ich ziehe meine Schuhe aus und nehme sie in die Hand. Ich bemerke, wie Paulines Vater aufsteht und hinter uns her kommt. - Was denn jetzt noch?

      Als er bei uns ist, hat er schon seine Brieftasche geöffnet und drückt Pauline schnell 50 Euro in die Hand. „Für dringend benötigte Accessoires und so für euch alle“, murmelt er und grinst, während er weiter zur Toilette hinter dem Restaurant geht und sich dabei die Hosen hochzieht.

      „Merci Papa!“ flüstert Pauline und guckt schnell zu ihrer Mutter hinüber, um sich zu vergewissern, dass die auch nichts bemerkt hat.

      Ich sehe zu meinem Vater hin, aber der unterhält sich gerade mit einem Mann am Nachbartisch. - Da könnte ich lange warten, bis der auf so eine Idee kommt.

      Arm