Bei Ebbe geht das Meer nach Hause. Marie Wendland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Wendland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748547679
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      Marie Wendland

      Bei Ebbe geht das Meer nach Hause

      Roman

      Impressum

      Texte: © Copyright by Marie Wendland

      Umschlag: © Copyright by Marie Wendland

      Verlag: Marie Wendland

      c/o AutorenServices.de

      Birkenallee 24

      36037 Fulda

      [email protected]

      Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Der Text enthält Verweise auf folgende Werke:

      Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables, 2. Auflage, Arena Taschenbuch 2001

      Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables – Auf dem Weg ins Glück, 7. Auflage, Arena Taschenbuch 2006

      Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables – Schicksalhafte Jahre, 4. Auflage, Arena Taschenbuch 2002

      Lynne Gessner, Das Mädchen aus dem Indianerladen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976

      Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, 7. Auflage, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1999

      Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen, Carlsen Verlag, Hamburg 1998

       Über die Autorin

      Marie Wendland ist das Pseudonym einer Autorin aus dem schleswig-holsteinischen Lauenburg. Sie liebt das Wasser; die Elbe, an der ihre Heimatstadt liegt, genauso wie die nordischen Meere, sodass es sie so häufig wie möglich an die Nord- oder Ostsee zieht. Durch ihre Freude am Lesen ist sie zum Schreiben gekommen. Bei Ebbe geht das Meer nach Hause ist ihr erster Roman.

      Für Oma, die das Lesen liebt

      Prolog

      Wangerooge, Oktober 1981

      „Nein!“

      Damit war es heraus und das Wort schien bedrohlich in der eingetretenen Stille nachzuhallen. Aber Klara hatte keine Zeit, sich vor sich selbst zu erschrecken. Das war nur der erste Schritt gewesen, jetzt musste es irgendwie weitergehen. Darüber hatte sie sich nur leider vorher keine Gedanken gemacht. Klara wusste nur, dass sie das hier nicht mehr wollte, dass sie nie mehr hinterherlaufen wollte, wenn sie es doch besser wusste. Also drehte sie sich langsam um und ging, ohne sich noch einmal umzusehen. Sie zögerte nicht und sie rannte nicht, auch wenn sie den Impuls dazu unterdrücken musste. Nein, Klara ging einfach, ein Schritt nach dem anderen, die Straße hinunter, aus dem Dorf heraus, sie ging immer weiter. Dabei liefen die letzten zwei Tage, die in der vergangenen halben Stunde ihren traurigen Höhepunkt gefunden hatten, wie ein Film in ihrem Kopf ab.

      ~

      Gestern waren sie in Hamburg zu dieser Klassenreise auf die kleine Nordseeinsel aufgebrochen. Radfahren, Volleyball und eine Wattwanderung standen auf dem Programm. Dumm nur, dass einige der achtundzwanzig Siebtklässler schon viel zu erwachsen für diesen Kinderkram waren. Oder gerade noch nicht erwachsen genug, wie Klara sich im Stillen dachte. Gesagt hätte sie so etwas natürlich nie.

      Das mulmige Gefühl im Magen, das sie schon Monate vor der Abreise begleitet hatte, bestätigte sich schon während der dreistündigen Busfahrt. Vorne neben dem Fahrer stand gerade Frau Blum, ihre Lehrerin für Deutsch und Kunst, mit einem Mikrofon in der Hand wie ein Reiseleiter und berichtete über ihr Ziel: Wangerooge, die östlichste der sieben bewohnten ostfriesischen Inseln, flächenmäßig das zweitkleinste dieser Eilande, 1804 zum Seebad ernannt. Klara hatte die meisten dieser Informationen bereits zu Hause in der Bibliothek nachgelesen. Zum einen wusste sie gerne, bevor sie einen Bus bestieg, wo sie ankommen würde, zum anderen war sie lieber vorbereitet, sollte sie im Unterricht danach gefragt werden. Ja, so war Klara nun einmal.

      Trotzdem hörte sie Frau Blum geduldig zu, als jemand in der Sitzreihe neben ihr ihren Namen zischte. Unwillig drehte sie den Kopf: Bettina Waldschleger. Bettina gehörte zu diesen selbst ernannten Erwachsenen in der Klasse, die den erbärmlichen Zustand der Kindheit wie ein aus der Mode geratenes Shirt abgestreift hatten und somit den Übrigen natürlich haushoch überlegen waren. Zumindest in Bezug auf ihre schon sehr beachtliche Oberweite mochte das richtig sein. Klara dagegen war noch platt wie ein Brett, dafür einige Zentimeter größer als die meisten anderen Mädchen. Wie auch immer, Bettina hatte der gesamten Klasse klargemacht, wie schrecklich klug und schrecklich hübsch sie war. Dabei fand Klara sie insgeheim einfach nur schrecklich.

      Jetzt säuselte Bettina süßlich lächelnd, aber mit einem teuflischen Funkeln in den Augen: „Selbst du bist eingeladen, Klara Strebermeier. Du wirst mich doch nicht enttäuschen und ablehnen, nicht wahr?“ Dabei drehte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier zwischen den Fingern. Spelmeier, Strebermeier. Klara fiel zum gefühlt eintausendsten Mal auf, wie schlecht dieses Wortspiel mit ihrem Nachnamen doch war. Trotzdem versetzte es ihr, auch wie jedes Mal, einen Stich. Sie wollte nach dem Zettel greifen, doch Bettina zog ihn so weit auf ihre Seite zurück, dass Klara sich mit dem ganzen Oberkörper über den Gang beugen musste, um ihn zu erreichen. Natürlich bemerkte sie dabei den missbilligenden Blick von Frau Blum und hatte augenblicklich ein schlechtes Gewissen. Ja, so war Klara nun einmal.

      Heute Abend in unserem Zimmer. Nach der Bettenkontrolle. Wer etwas Essbares hat, bringt es mit. Mehr stand da nicht auf dem unschuldig weißen Zettel, trotzdem reichte es, um bei Klara Übelkeit und Magenkrämpfe auszulösen. Warum sollte sie mitten in der Nacht in einem fremden Zimmer hocken? Sie wollte gar nicht wissen, was Bettina und ihr Gefolge da vorhatten. Außerdem wollte sie am nächsten Morgen nicht völlig übernächtigt sein. Außerdem… außerdem war das ganz einfach gegen die Regeln und damit tat man in Klaras Welt so etwas nicht. Bestimmt würden sie schon erwischt, wenn sie in ihren Nachthemden über die Flure huschten, wie peinlich.

      Diese letzte Befürchtung würde sich allerdings nicht bewahrheiten, wie Klara in der Jugendherberge angekommen feststellte. Ob das eine Erleichterung war, wusste sie jedoch nicht, denn der nächtliche Weg in ein fremdes Zimmer blieb ihr nur deswegen erspart, da das hinterhältige Los sie in ein Zimmer mit Bettina und Co verfrachtet hatte. Da konnten die fünf Tage Klassenfahrt lang werden.

      Im Endeffekt überstand Klara die nächtliche Zusammenkunft einschließlich Flaschendrehen genauso wie das Frühstück am darauffolgenden Morgen. Ja, auch das muss erwähnt werden, denn bei einer Bettina in der Klasse wurde selbst das Frühstück zum Spießrutenlauf. Zumindest wenn man wie Klara zwar noch keine Brüste, dafür aber die gleiche Menge Fettgewebe an anderen Stellen verteilt hatte. Danach brach die ganze Gesellschaft unter der Leitung von Frau Blum ins Inseldorf auf. Von der Jugendherberge aus, die im alten Westturm in den Dünen untergebracht war, bedeutete das eine kleine Wanderung. Dort angekommen folgte ein Besuch im Leuchtturmmuseum, bevor Frau Blum ihre Schäfchen in kleine Gruppen aufteilte, die das Dorf auf eigene Faust erkunden durften. Pünktlich um 15:00 Uhr würden alle wieder zum gemeinsamen Kuchenessen in der Jugendherberge erwartet.

      Es versteht sich schon fast von selbst, dass Klara sich erneut in einer Gruppe mit Bettina wiederfand. Zum Glück war wenigstens auch Gaby mit von der Partie, die zu Hause in der gleichen Straße wohnte und somit seit der ersten Klasse Klaras Schulwegfreundin war. Mit drei weiteren Mädchen trabten sie daraufhin einer gelangweilten Bettina hinterher, die dem verträumten Inseldorf erwartungsgemäß wenig abgewinnen konnte. Wenn sie doch bloß die neueste Bravo hätten, um sich abzulenken… Leider hatte der Kiosk, den sie in der kleinen Einkaufsstraße schnell gefunden hatte, inzwischen Mittagspause. Bis 15:00 Uhr. Vollkommen logisch also, dass sie nicht um 15:00 Uhr im Westturm Kuchen essen würden, wenn sie jetzt warteten, bis der Laden wieder öffnete. Für Bettina war das jedoch weniger logisch oder besser gesagt war es ihr völlig egal. Wen interessierte schon die Anweisung der Lehrerin? Klara interessierte sich dafür, sehr sogar. Es würde fürchterlichen Ärger geben, wenn sie nicht pünktlich zurück wären. Außerdem, und das war vielleicht sogar noch schlimmer, würde Frau Blum sich sorgen, dass ihnen etwas passiert war.

      „Wir