Ein Konzept kann für Sie allein bestimmt sein, damit Sie wissen, was Sie vorhaben und in welche Richtung Sie unterwegs sind. Es kann aus Skizzen und Mindmaps und Text bestehen oder auch nur in Ihrem Kopf existieren.
Zur Abgrenzung: Mit Exposé bezeichne ich die Festschreibung und für Dritte bestimmte Fassung des Konzepts (siehe unten).
Wenn Sie ein Sachbuch schreiben, werden Sie in aller Regel zunächst ein Grobkonzept entwerfen, das Sie später auf Kapitelebene verfeinern und erst danach mit Leben – sprich: mit Text – füllen. Zunächst aber müssen Sie wissen, worüber Sie schreiben. Dazu gehören beim Sachbuch die Art – also beispielsweise Ratgeber oder populäres Sachbuch – und eine möglichst genaue Eingrenzung des Themas. Dazu gehört auch der Umfang des Manuskripts beziehungsweise des fertigen Buchs.
In der Praxis: Valerie will einen Ratgeber darüber schreiben, wie sich mit E-Books Geld verdienen lässt. Ihre Zielgruppe sind nicht nur Schriftsteller, sondern allgemein Leute, die gerne schreiben und einen Nebenverdienst suchen und darüber hinaus zumindest ein wenig computeraffin sind. Das Buch soll im Ratgeber-Programm ihres Verlags erscheinen, in der Reihe »Kleine Helferlein« und einen Umfang von 144 Seiten haben. Der Ton soll einfach sein, locker und ein wenig – aber nicht zu – witzig. Auch einfache Infografiken sollen mit ins Buch.
Das ist ein Grobkonzept. Der Verlag hat dabei starke Mitspracherechte. Sachbücher und noch stärker Ratgeber müssen in die Reihen des Verlags passen – im Umfang, im Aufbau, in der Verwendung von Grafiken und Diagrammen und deren Aufbereitung, womöglich sogar im Stil des Textes.
Valerie schreibt gerne für die Ratgeber-Reihe. Die Richtlinien geben ihr den perfekten Rahmen für ihre Ideen und Kreativität. Sie könnte endlos über das Thema schreiben, das sie sich ausgesucht hat – aber die Vorgabe von 144 Buchseiten einschließlich Grafiken zwingt Valerie dazu, sich zu beschränken. Was ihrer Arbeitsweise entgegenkommt.
Bei einem Roman gehört zum Konzept eine zumindest ungefähre Vorstellung, worum es in der Geschichte geht, was an ihr das Besondere ist, welchem Genre der Roman zuzuordnen ist und welchen Umfang er, ganz grob, haben wird. Genau das will eine Agentur oder ein Verlag vom Autor wissen, diese Punkte gehören ins Exposé. (Dazu unten mehr.) Das Konzept dient vor allem Ihnen als Autor selbst. Mit dem Exposé stellen Sie Ihr Vorhaben anderen vor, meist Agenten oder Verlagen, oder zurren es als Grundlage für die eigene Arbeit am Manuskript fest.
In der Praxis: Vera präsentiert ihr Romankonzept ihrer Lektorin im Verlag. Es soll ein Jugendroman werden, doch der Verlag macht für Jugendliche nur Fantasy und Romance. Veras Thriller-Konzept passt nicht ins Programm. Happy ist Vera darüber nicht, und vielleicht geht sie mit dem Konzept zu einem anderen Verlag. Für ihren Hausverlag aber zieht sie ein anderes Konzept aus der Schublade, einen Erwachsenenroman, einen Thriller, bei dem sie weiß, dass der im Verlag fast immer geht. Problem und Grund, warum der Thriller bis jetzt in der Lade lag: Der Roman ist auf tausend Seiten konzipiert, und kein anderer Thriller im Verlag ist dicker als fünfhundert Seiten. Nach einigen Diskussionen beschließt man, das Werk in zwei Teilen herauszubringen, jeder ist zufrieden. Sofern der Roman so gut wird, wie das Konzept sich anhört.
Im Sachbuch sind die Vorteile einer Zusammenarbeit zwischen Autor und Verlag offensichtlicher. Dort werden, wie im Fall Valeries, die meisten Werke in Zusammenarbeit zwischen Lektor und Autor konzipiert. Valerie gefällt das. Was aber, wenn das Sachbuch eines Autors beim besten Willen nicht in das Programm und nicht in die Buchreihe passen will? Wenn Sie als Autor hier mit größerer Flexibilität des Verlags rechnen, geben Sie sich in den meisten Fällen Illusionen hin. Wegen eines Autors wird man selten das Konzept einer ganzen Buchreihe umwerfen. In einem solchen Fall wäre der Autor vermutlich als Selfpublisher besser dran.
Für Romanautoren hat die Zusammenarbeit mit dem Verlag bereits in der Konzeptionsphase einige Vorteile. Der größte ist sicher der, dass der Verlag schnell sagen kann, ob das Konzept Erfolg verspricht – was nichts mit dem tatsächlichen Erfolg des Buchs zu tun hat, den auch der Verlag nicht vorhersehen kann. Vielmehr heißt dieses Erfolg versprechend, ob der Roman Aussicht hat – vorausgesetzt, er ist gut genug – in diesem Verlag veröffentlicht zu werden, und ob sich der Verlag davon einen Erfolg verspricht.
Ähnliches gilt für den Autor, der seiner Agentur ein Konzept vorstellt. Auch dort wird man ihm sagen, ja, das klingt großartig, das würde gut ins Programm von Ullstein oder Knaur passen. Oder die Autorin bekommt ehrlich zu hören, nein, für ein Kinderbuch sind fünfhundert Seiten zu dick, dafür werden wir keinen Verlag finden, das gelingt uns höchstens mit der Lizenz eines Bestsellers aus dem Ausland.
In der Praxis: Hilde, unsere Hybrid-Autorin, hat für ihren historischen Liebesroman, der nur einhundertzwanzig Seiten hat, keinen Verlag gefunden. Dort will man erstens dickere Bücher und zweitens ein Setting und eine Epoche, für das sich mehr Leute interessieren als für Mazedonien kurz vor der Machtübernahme durch Byzanz im vierten Jahrhundert nach Christus. Hilde aber brennt für das Konzept, sie liebt diese Epoche. Sie will die Geschichte nicht aufblasen, wie es ihre Lektorin vorschlägt, und sie will auch nicht die Story ins deutsche Mittelalter verlegen, wie eine Kollegin empfiehlt.
Hilde sieht keinen anderen Weg als den, das Buch selbst zu publizieren.
Eine Gefahr ist für Selbstverleger hier besonders groß: Da sie sich an keine Verlagsvorgaben halten müssen und jede Empfehlung in den Wind schlagen dürfen, meinen manche von ihnen, auch ohne ein Konzept ein Buch schreiben zu können. Also legen sie los, und der als Krimi begonnene Roman wird auf Seite 119 ganz unerwartet zum Fantasy-Roman und dann, auf Seite 298, folgt eine vierzigseitige Abhandlung über Waffentechniken, die sehr nach Fachbuch klingt. Da der Autor sich auch über den Umfang keinen Gedanken gemacht hat, ist er selbst erstaunt, als ihm auf Seite 345 der Held stirbt. Nichtsdestoweniger hängt er noch siebzig Seiten über die Witwe dran, ein paar Anekdoten aus ihrem Leben, nichts Aufregendes, aber immerhin ganz nett. Der Wust wird fleißig überarbeitet, aber nur die ersten fünfzig Seiten intensiv, danach fehlt es dann ein wenig an der nötigen Lust, und irgendwann hält es der Autor nicht mehr länger aus und veröffentlicht sein Werk schnell mit Kindle Direct Publishing, ist ja einfach, geht ja fix.
Das fehlende Konzept aber rächt sich schon, als der Autor das Buch online stellen will. Welches Genre ist es eigentlich? Egal. Er nimmt halt eins, schließlich redet ihm niemand hinein. Und der eine oder andere Leser kauft das Buch sogar. Die Kritiken aber sind vernichtend. Eine Rezensentin urteilt: »Vollkommen konzeptionslos!!!«
Ein Fazit für Selbstverleger: Dass sie kein Exposé abliefern oder sich an kein Konzept halten müssen, sollte nicht dazu führen, ohne ein Konzept zu arbeiten, egal ob Roman oder Sachbuch. Denn schließlich wollen auch Selbstverleger Leser. Der Vorteil für sie aber ist, dass sie sich das Konzept selbst aussuchen dürfen.
Tipp: Viele Manuskripte landen in der Schublade oder im Computerordner »Aufgegebene Projekte«. Angefangene, aber niemals zu Ende geschriebene Texte sind, abgesehen von den dabei gewonnenen Schreiberfahrungen, fast immer wertlos. Angefangene Konzepte aber können, durch eine neue Idee, eine neue Wendung, in vielen Fällen Ausgangspunkt für ein neues, Erfolg versprechendes Buch sein. Wollen Sie potenzielle Schätze in Ihren Schubladen aufbewahren oder definitiven Mist? Sie haben es in der Hand.
Linktipps:
Ein paar Anregungen und weitere gute Gründe zum Konzipieren eines Buchs finden Sie in diesem Ausschnitt aus einem Schreibkurs (PDF). (Über die Qualität des Kurses selbst kann ich nichts sagen.)
Weitere Anregungen finden Sie in dem Artikel »Von der Idee zum Konzept« von Martina Sevecke-Pohlen: