Oblomow. Iwan Gontscharow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iwan Gontscharow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753126463
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Sache ist abgetan: du ziehst um. Ich eile sogleich zu meiner Gevatterin; nach der neuen Stelle, die mir versprochen ist, will ich mich ein andermal erkundigen . . .«

      Er wollte fortgehen.

      »Warte, warte! Wo willst du hin?« hielt ihn Oblomow zurück. »Ich habe noch eine Angelegenheit; die ist noch wichtiger. Sieh nur, was für einen Brief ich von meinem Dorfschulzen bekommen habe, und sage mir, was ich da tun soll.«

      »Na, da siehst du es, was für ein Mensch du von deiner Geburt an bist!« erwiderte Tarantjew. »Nichts verstehst du selbst zu machen. Immer muß ich einspringen, immer ich! Na, wozu bist du denn eigentlich zu gebrauchen? Du bist nicht ein Mensch, sondern einfach eine Strohpuppe!«

      »Wo ist nur der Brief? Sachar, Sachar! Er muß ihn wieder irgendwohin versteckt haben!« sagte Oblomow.

      »Hier ist der Brief des Dorfschulzen«, bemerkte Alexejew und reichte ihm den zerknitterten Brief hin.

      »Ja, da ist er«, sagte Oblomow und begann ihn laut vorzulesen.

      »Was sagst du dazu? Wie soll ich mich verhalten?« fragte Ilja Iljitsch, sobald er mit dem Vorlesen fertig war. »Dürre, Zahlungsrückstände . . .«

      »Du bist ein verlorener Mensch, ein ganz verlorener Mensch!« sagte Tarantjew.

      »Warum soll ich denn ein verlorener Mensch sein?«

      »Natürlich bist du ein verlorener Mensch!«

      »Na, wenn ich ein verlorener Mensch bin, dann sage mir, was ich tun soll.«

      »Aber was bekomme ich dafür?«

      »Ich habe ja schon gesagt: es soll Champagner geben; was willst du denn noch weiter?«

      »Der Champagner ist für das Auffinden der Wohnung. Ich überhäufe dich ja mit Wohltaten; aber du hast dafür keine Empfindung; du streitest noch; du bist undankbar! Versuch's doch mal und suche dir selbst eine Wohnung! Und was will noch die Wohnung besagen! Die Hauptsache ist die Ruhe, die dich da umfangen wird: es wird dir ganz so sein, als ob du bei deiner leiblichen Schwester lebtest. Dann sind da noch die beiden Kinderchen und der unverheiratete Bruder, und ich werde dich täglich besuchen . . .«

      »Nun gut, gut«, unterbrach ihn Oblomow; »sag' nur jetzt, was ich mit dem Dorfschulzen anfangen soll.«

      »Nein, versprich erst, daß es auch Porter zum Mittagessen geben wird; dann werde ich es sagen.«

      »Nun auch noch Porter! Du kannst doch gar nicht genug bekommen!«

      »Na, dann adieu!« sagte Tarantjew und setzte den Hut wieder auf.

      »Ach, du mein Gott! Da schreibt mir der Dorfschulze, die Einnahme werde um zweitausend Rubel geringer ausfallen, und da verlangt der noch obendrein Porter! Na, gut, kaufe Porter!«

      »Gib mir noch Geld!« sagte Tarantjew.

      »Du bekommst ja noch von dem Zehnrubelschein etwas heraus.«

      »Und für die Droschke nach der Wyborger Seite?« antwortete Tarantjew.

      Oblomow nahm noch einen Rubel heraus und reichte ihn ihm ärgerlich hin.

      »Dein Dorfschulze ist ein Gauner – das ist es, was ich dir sagen will«, begann Tarantjew, während er den Rubel in die Tasche steckte; »und du glaubst ihm, du alte Schlafmütze. Sieh nur, was er für ein Lied anstimmt: Dürre, Mißernte, Zahlungsrückstände; und Bauern sind davongelaufen. Er lügt; all das ist erlogen! Ich habe gehört, daß in unserer Gegend auf dem Gute Schumilowskoje von der vorjährigen Ernte alle Schulden bezahlt sind, und bei dir ist auf einmal Dürre und Mißernte. Schumilowskoje liegt nur fünfzig Werst von deinem Gute entfernt: warum ist denn da das Getreide nicht verbrannt? Ferner hat er sich das mit den Zahlungsrückständen ausgedacht! Warum hat er nicht aufgepaßt? Warum ist er so nachlässig gewesen? Gibt es etwa in unserer Gegend keine Arbeit und keinen Absatz? O dieser Betrüger! Ich würde ihn mir gehörig vornehmen! Und die Bauern sind deswegen fortgegangen, weil er selbst wahrscheinlich von ihnen Bestechungen angenommen und sie dann hat laufen lassen; aber sich bei dem Bezirkshauptmann zu beklagen, das ist ihm gar nicht eingefallen.«

      »Das ist nicht möglich«, sagte Oblomow; »er teilt mir ja sogar die Antwort des Bezirkshauptmanns in seinem Briefe mit, in so natürlich klingender Weise . . .«

      »Ach, du! Du verstehst eben gar nichts. Alle Gauner schreiben in natürlich klingender Weise; das kannst du mir schon glauben! Da sitzt zum Beispiel«, fuhr er, auf Alexejew weisend, fort, »eine ehrliche Seele, ein dummes Schaf; wird der in natürlich klingender Weise schreiben? Niemals. Aber sein Verwandter, obwohl er ein gemeiner Kerl und eine Kanaille ist, der kann so schreiben. Auch du kannst nicht in natürlich klingender Weise schreiben! Also ist dein Dorfschulze schon allein deswegen eine Kanaille, weil er in geschickter, natürlich klingender Weise geschrieben hat. Sieh nur, wie er die einzelnen Worte ausgewählt hat: ›nach dem Orte ihrer Ansässigkeit zurückzuschaffen‹.«

      »Was soll ich denn mit ihm anfangen?« fragte Oblomow.

      »Setze ihn sofort ab!«

      »Aber wen soll ich einsetzen? Woher kenne ich die Bauern? Ein anderer wird vielleicht noch schlechter sein. Ich bin seit zwölf Jahren nicht dort gewesen.«

      »Fahre selbst nach dem Gute hin: ohne das geht es nicht. Bleib den Sommer über dort und zieh zum Herbst geradeswegs in die neue Wohnung! Ich werde schon dafür sorgen, daß sie fertig und bereit ist.«

      »In eine neue Wohnung ziehen, selbst nach dem Gute fahren! Was du einem immer für schreckliche Mittel vorschlägst!« sagte Oblomow unzufrieden. »Nein, ich möchte doch die Extreme vermeiden und einen Mittelweg einschlagen . . .«

      »Na, Bruder Ilja Iljitsch, du wirst vollständig zugrunde gehen. Ich hätte an deiner Stelle schon längst auf das Gut Hypotheken aufgenommen und mir für das Geld ein anderes gekauft, oder auch ein Haus, hier, an einer hübschen Stelle: das wäre mehr wert als dein Gut. Dann aber würde ich auch auf das Haus Hypotheken aufnehmen und mir ein anderes kaufen . . . Gib mir dein Gut; dann sollten die Leute schon etwas von mir zu hören bekommen!«

      »Hör' auf zu prahlen und denke ein Mittel aus, wie die Sache in Ordnung kommen kann, ohne daß ich aus der Wohnung ausziehen und auf das Gut zu fahren brauche . . .« bemerkte Oblomow.

      »Wirst du dich denn jemals vom Flecke rühren?« sagte Tarantjew. »Sieh dich mal selbst an: wozu bist du denn zu gebrauchen? Was hat das Vaterland von dir für Nutzen? Er kann nicht einmal auf das Gut fahren!«

      »Jetzt ist es mir noch zu früh«, antwortete Ilja Iljitsch. »Laß mich vorher mit dem Plane für die Reformen fertig werden, die ich auf dem Gute einzuführen beabsichtige. Aber weißt du was, Michei Andrejewitsch?« sagte Oblomow plötzlich: »Fahr du hin! Die Sache ist dir bekannt; die Gegend kennst du ebenfalls, und ich würde gern alle Kosten tragen.«

      »Bin ich etwa dein Verwalter?« erwiderte Tarantjew hochmütig. »Ich bin es auch gar nicht mehr gewohnt, mit Bauern umzugehen . . .«

      »Was soll ich dann nur tun?« sagte Oblomow melancholisch. »Ich weiß es wirklich nicht.«

      »Na, schreib an den Bezirkshauptmann; frage ihn, ob der Dorfschulze mit ihm über die davongelaufenen Bauern gesprochen hat«, riet Tarantjew, »und bitte ihn, einmal nach deinem Gute mit heranzufahren. Ferner schreibe an den Gouverneur, er möchte dem Bezirkshauptmann aufgeben, über die Führung des Dorfschulzen zu berichten. Schreibe so: ›Wollen Eurer Exzellenz mir eine väterliche Teilnahme erweisen und mit barmherzigem Auge auf das unvermeidliche schreckliche Unglück hinblicken, das mir infolge der frechen Handlungsweise des Dorfschulzen droht, und auf den vollständigen Ruin, dem ich mit meiner Frau und mit meinen ohne jede Pflege und ohne einen Bissen Brot zurückbleibenden unmündigen zwölf Kindern unfehlbar verfallen muß.‹«

      Oblomow lachte.

      »Wo soll ich denn so viele Kinder hernehmen, wenn man von mir verlangt, daß ich sie aufzeige?« sagte er.

      »Unsinn! Schreib nur: ›mit meinen zwölf Kindern‹; das wird durch das eine Ohr hinein-