Mit einer Tasche voller gestapelter Eimer in der einen Hand und dem Karton mit den Garderobenständerteilen in der anderen kam sie nach Hause zurück.
Himmel, da stand der Hellgraue schon wieder!
Sie reckte das Kinn, als sie blicklos an ihm vorbeizueilen versuchte, und war direkt erstaunt, als sie nicht beschimpft wurde.
Vielleicht hatte der Depp vom Obermotz einen Rüffel bekommen? Sie konnte es ihm nur wünschen. Wie wollten die hier unangefeindet leben, wenn sie die Nachbarn so dämlich von der Seite anquatschten?
War das der gleiche Hellgraue gewesen? Hatten die mehrere von der Sorte? Schwarze Mädels gab es doch auch mindestens zwei? Wie groß war diese Sekte wohl? Vielleicht noch im Aufbau begriffen? Wenn die weiter so krätzig unterwegs waren, würde sich mit Aufbau nicht mehr viel ergeben!
Sie aß ihren Wurstsalat und die Brezen – sehr lecker, das musste sie sich merken. Und über diese Deppen würde sie jetzt nicht mehr nachdenken, das war wirklich Zeitverschwendung. Verdienten die gar nicht.
Nach dem Wurstsalat gab es noch eine Birne und dabei schrieb sie sich eine Liste für morgen; zwischendurch grabbelte sie schnell einen kleinen Zeitungsstapel durch und entdeckte tatsächlich den IKEA-Katalog.
Gut, Sofas….
Wenn die bereit wären, am Dienstagabend zu liefern…? Das da sah nett aus, nicht zu wuchtig, gemütlich, solider Bezugsstoff – das musste sie aber noch live sehen, manches war dann in Echtzeit, Farbe und 3D doch eher schäbig…
Das Regal… da gab es eine Sitzbank mit offenen Fächern, recht nett. Den Abmessungen nach mussten diese Rattankörbe hineinpassen. Die hatten eine blöde Farbe, aber sie könnte sie ja gelb anpinseln. Morgen überprüfen… die Sitzbank konnte sie selbst transportieren und zusammenbauen.
Weitere Sofakissen, damit es so richtig gemütlich aussah.
Brauchte sie noch etwas für die Küche? Geschirr hatte sie, Besteck hatte sie auch, noch aus der Zeit vor der WG, Gläser? Gut, einen Satz vielleicht. Stapelbare natürlich. Sie schaute in den Kühlschrank: zwei, drei Tupperdosen, auch fürs Einkaufen? Ach, so was gab´s ja überall. Nein, im Moment fiel ihr nichts mehr ein.
So, und jetzt würde sie diesen Garderobenständer aufbauen! Sie schraubte alle Teile zusammen, bis die diversen Arme an der richtigen Stelle saßen und nichts mehr wackelte, dann stellte sie das gelbe Prachtstück in den Flur und hängte ihren grauen Regenmantel, ihr dunkelgraues Wolltuch und ihre schwarze Umhängetasche dran. Ja, das sah gut aus. Minimalistisch, aber nicht armselig. Für morgen brauchte sie auf jeden Fall noch ein Maßband, am besten warf sie es gleich in die Tasche…
Damit war sie für den Samstag doch schon gut gerüstet, also konnte sie jetzt noch etwas fernsehen?
Weit kam sie im Freitagskrimi nicht, denn Mama rief an, erkundigte sich nach der neuen Wohnung, lobte das schwarz-weiß-gelbe Farbkonzept und fand die Sekte bedenklich.
„Ach, Mama, wenn mich die Leute ködern wollen, müssen sie noch ganz schön üben! Bis jetzt hat mich nur einer angepflaumt. Nix mit Gehirn richtig nutzen und Persönlichkeitstests. Und wenn die sich auf offener Straße zanken, kommt sowas wie Harmonie und Einssein mit dem Universum auch gar nicht gut rüber.“
„Du hast den Wortschatz ja schon gut drauf!“, staunte ihre Mutter.
„Gell? Und dabei kenne ich sowas nur aus Krimis oder aus dem Fernsehen. Aber die anderen Nachbarn sind harmlos, denke ich, ich hab aber noch gar nicht alle gesehen. Wie geht´s euch denn?“
Ihre Mutter berichtete vom Garten, was Amelie leicht wegdriften ließ, aber dann wurde es interessanter: „Und der Jakob hat jetzt eine Freundin, glaube ich!“
„Na endlich“, kommentierte Amelie. „Wie ist die so?“
„Er hat sie noch nicht mitgebracht. Aber er hat sich die Haare schneiden lassen und achte etwas darauf, wie er sich anzieht. Und saubere Fingernägel!“
„Das könnte auch bedeuten, dass er einen Job an Land gezogen hat, wo er etwas gepflegter auftreten muss“, gab Amelie zu bedenken, die ihren kleinen Bruder schließlich kannte.
„Und was sollte das wohl sein?“
„Na, solche Agenturen wie unsere gibt´s doch wie Sand am Meer! Werbung, Literatur, PR, Online-Services. Und bei den meisten – also, außer IT-Diensten – darf man nicht zu abgewrackt daherkommen. Wenn die einigermaßen gut zahlen, könnte Jakob schon sein Lieblingsoutfit einmal opfern, meinst du nicht?“
Ihre Mutter gab einen bedauernden Laut von sich. „Ich fürchte, du hast Recht. Er steht nämlich auch viel früher auf als sonst. Schade, ich hab wirklich gehofft…“
„Warum eigentlich?“
„Was?“
„Warum hoffst du denn, Mama? Wovor hast du Angst?“
„Ich habe doch keine Angst!“, behauptete ihre Mutter und Amelie kicherte. „Hast du wohl! Du möchtest nicht, dass dein Sohn eine besondere Art der Sexualität hat, stimmt´s? Er soll nicht mit einem Freund nach Hause kommen oder lieber ganz alleine bleiben?“
„So wie du, Amy?“
„Also, ich bin nicht asexuell. Ich lerne nur immer irgendwelche Idioten kennen und auf Frauen stehe ich leider nicht, da gäbe es bestimmt interessantere Optionen. Lass den Jakob doch einfach in Ruhe. Wenn er weiß, dass wir alle seine Orientierung akzeptieren, kann er sich doch für das entscheiden, was ihm wirklich liegt?“
„Ja, du hast ja Recht“, gab ihre Mutter etwas kleinlaut, aber zugleich unzufrieden zu und wechselte, wie es ihre Gewohnheit war, umgehend das Thema: „Wann kommst du denn mal wieder vorbei?“
„Nächstes Wochenende vielleicht. Morgen muss ich erstmal zum IKEA und dann muss hier alles fertigwerden.“
Dann war das nächste Wochenende schon wieder verplant, aber eigentlich war es bei Mama ganz nett. Vielleicht konnte man schwimmen gehen? So arg weit wohnte sie ja vom Feldafinger Strandbad auch nicht weg… Badeanzug einpacken, machte sie sich im Geiste eine Notiz.
Vielleicht hatte sie bis dahin ja auch eine spannende neue Geschichte über die Spinner aus dem Erdgeschoss?
6 Samstag
Bei IKEA ging es natürlich zu, als gäbe es was gratis, aber wer am Samstag dorthin fuhr, war ja wohl auch selbst schuld!
Immerhin ergatterte sie noch einen Parkplatz und fand auch ziemlich schnell das ideale dunkelgraue Sofa, lang und leicht wirkend, stabiler Bezugsstoff, schöne hohe Seitenlehnen, an die man sich richtig hinkuscheln, konnte… Sie lümmelte ausgiebig auf dem Sofa herum und nahm sich dann einen der Merkzettel mit. Die Sitzbank hatte schon in der Möbelausstellung freundlicherweise die passenden Rattankörbe in den Fächern, aber so richtig gefielen sie ihr doch nicht: Die abstehenden Rattanenden zogen bestimmt Fäden aus Schals und Handschuhen! Sie maß die Höhe, Breite und Tiefe aus… da mussten doch auch diese Stoffkörbe…? Ein Regal daneben war mit solchen Körben ausgestattet, sie zog sie heraus und schob sie in die Sitzbank – perfekt! Sie brachte sie brav zurück und kam sich sehr vorbildhaft vor, nahm auch hier einen Merkzettel mit, griff sich einen Wagen und streunte mit Genuss durch den Marktplatz – zwei Kissen, die Sitzbank, einen passenden Couchtisch in Kiefer, wie bei den Regalen, drei Stoffkörbe… ach ja, einen Satz Gläser… jetzt aber schnell zur Kasse, bevor es noch teurer wurde!
Natürlich brauchte sie noch zwei Tüten schwedische Kartoffelchips, nachdem sie einen Liefertermin für das Sofa vereinbart hatte, Dienstag am frühen Abend. Immerhin war sie schon ganz stolz darauf, dass sie den Hotdogs widerstanden und auch keinen Sack Teelichter mitgenommen hatte.
Ein schöner Samstagvormittag, stellte sie zu