Die Tote im Heidbergbad. Ingo M. Schaefer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ingo M. Schaefer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742774569
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hatte. Der Vater aller Fingerabdrücke behielt wieder recht, dass es sich um einen seltenen Bambus handeln würde.

      Eine perfekte Ehe. Jemand wollte wohl auch den perfekten Mord. Beides gab es nicht.

      Ich schickte Markus und Frederike noch mal in die Nachbarschaft rund ums Heidbergbad. Die beiden hatten Modellfotos des Cabrios dabei, ob der Flitzer zur Tatzeit in der Nähe geparkt hätte. Das Cabrio hatte schon einige Sommer hinter sich und würde in dieser Gegend auffallen. War Maria Hogen mit dem Cabrio zum Treffen mit ihrem Mörder gefahren, konnte nur der das Fahrzeug wieder wegfahren. Hans Hogen hatte keinen Zweitschlüssel.

      Tatsächlich erinnerte sich ein älteres Ehepaar an das Cabrio. Sie wären nach dem Tanz in den Mai weit nach 1 Uhr nachts daran vorbeigegangen. Auf dem Beifahrersitz wäre eine jüngere Frau gesessen, die rauchte. Maria Hogen erkannten beide nicht.

      Rita durchsuchte ohne Ergebnis die Finanzen. Die Freundin war nicht erreichbar. Bestimmt nur Urlaub.

      Chico blieb auch in Baumärkten erfolglos. Die Verkäuferinnen, Chicos Gebaren nach sein Alter, versprachen ihm, sich zu melden, ob diese spezielle Bambusart im Sortiment sei. Da müssten sie länger suchen und er müsse wiederkommen. Ich verstand nicht, wie man in Zeiten einer Datenvernetzung diese Information nicht innerhalb von Minuten bekam. Vielleicht wollten sie ihn auch nur zappeln lassen. Ich schickte ihn an den Schreibtisch.

      Sicher war ich mir nicht, ob Hans Hogen der Täter war. Wir hatten eine Leiche, die über Monate ausgewaschen wurde. Wir hatten die Vorstellung einer Tatwaffe aus einem Material, das die Vernichtung leicht machte. Einfach Feuer und fort. Yannick hatte uns eindrucksvoll demonstriert, dass ein angespitzter Bambus der Wirkung einer Stahlklinge in nichts nachstand. Wir kannten den Bambus, konnten aber keinen Standort in Lesum oder Bremen-Nord und darüber hinaus in Erfahrung bringen. Die Bodenproben waren negativ. In Hogens Garten wuchs zu keiner Zeit ein Bambus. Wir hatten Hogens Firmensitz überprüft, eine Import-Exportfirma im Kaffeequartier an der Lloydstraße. Im Innenhof stand Bambus in zwei großen Eisenringen eingepfercht. Allerdings war es eine andere Art, ein hoher Bambus Phyllostachys.

      10

      Ich fuhr zum Baumarkt in der Stader Landstraße und ließ mir Hinnerk holen. Hinnerk war der wahre Obi-wa-kenn-Obi. Er hatte mir damals Gipsplatten ohne Gips verkaufen wollen. Seitdem waren wir beste Freunde, wenn ich seinen Markt betrat. Ich will nicht sagen, dass mir ein roter Teppich vorgelegt wurde, aber wir kamen dem schon nahe. Hinnerk konnte bestens mit der Tastatur umgehen, ansonsten hatte er zwei linke Handwerkerhände, beste Voraussetzungen für einen Baumarkt. Nicht umsonst war er der erfolgreichste Verkäufer weit und breit. Wenn er sprach, glaubte man, er hätte Meisterbriefe in Tischlerei, Malerei und Sanitär sowie eine Masterurkunde in Gartenwissenschaft im Büro hängen. Er hörte mir zu und setzte sich an die Tastatur.

      „Ich suche mal die letzten vier, fünf Jahre durch, ob Sasa im Programm war. Phyllostachys, das ist der typische Bambus, alles andere kannste vergessen. Bambus, da kommen alle her, denken an den Film Tiger und Dragon, wie Chun in den Bambuswäldern zwanzig, dreißig Meter hoch umherfliegt. So ein Bambus soll es sein. Keiner will einen Zwergbambus. Sieht doch mickrig aus. Da lachen dich deine Nachbarn aus. Dafür gibt es Bonsai. Die ziehen die Blicke an sich. Habe ich grade im Angebot für einen Spitzenpreis.“ Er zeigte mit dem Arm an mir vorbei.

      „Nur Sasa kurilensis, bitte.“ Ich drehte mich nicht um.

      „Nur ein kleiner Hinweis an meinen Lieblingspolizisten! Ein kleines Mitbringsel für die werte Gattin! Öffnet so manche T....“ Er räusperte sich, als er meinen Stahlblick sah. „So, da haben wir es schon. Da, vor zwei Jahren hatten wir Sasa kurilensis im Sortiment als Samenmischung mit anderen Bambusarten. Aufnahme ins Sortiment Anfang Februar 2007, ah, das ist interessant. Ende Februar habe ich es wieder aus dem Sortiment genommen.“

      „Warum?“

      „Was für eine Frage. Wir verdienen unser Geld mit Warenverkauf, nicht mit Warenlagerung. Wir hatten bis Ende Februar nur eine Packung verkauft. Ich habe den Rest an den Großhändler zurückgeschickt.“

      „Ich brauche den Namen des Großhändlers, den Kaufbeleg, wenn vielleicht mit Karte bezahlt wurde.“

      Hinnerk blickte demonstrativ an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick.

      „Und so einen verdammten Bonsai!“ Marga würde mir das Ding um die Ohren schlagen.

      Hinnerk gratulierte, als wäre mir eine besondere Ehre zuteil geworden, dass er mich wieder übers Ohr gehauen hatte. Ich konnte ihm nie böse sein. Er machte einfach seinen Job.

      Mit einer bekannten Adresse und einem Bonsai auf dem Rücksitz fuhr ich vom Parkplatz. Der Mord war lange vorbereitet worden.

      11

      Mit dem Pflänzchen auf dem Schreibtisch, das einem riesigen Baum ähnelte, den man wie das U-Boot in Die phantastische Reise miniaturisiert hatte, rief ich Yannick an. Diesmal war er hellauf begeistert, weil ich nicht „sofort“ oder „bis gestern“ sagte. Ich betonte, er solle sich Zeit nehmen, viel Zeit. Ich erreichte den Großhändler. Er bestätigte Hinnerks Aussage. Auch ihm, einen Mitfünfziger, hatte der Blick in den PC gereicht. Wieso bekamen die Jungen das nicht hin? Die Samenmischung wäre ein Reinfall gewesen. Sasa kurilensis wolle niemand. Für alle sei Bambus gleich Bambus und der müsse über drei, vier Meter hoch werden.

      Nach Rita versuchte ich selbst die Freundin der Toten zu erreichen. Vergeblich. Jetzt mussten wir warten.

      „Muss ich deswegen herkommen?“, fragte ich Yannick nach zwei Tagen. Ein neuer Mord war hereingekommen. Die anderen kümmerten sich darum und ich ließ den Leiter der Spurg das Heidbergbad umgraben, verdammt.

      „Ja, es muss sein.“ Yannick war seltsam streng. „Vor Ort kann ich dir alles besser erklären.“

      Ich fuhr ins ehemalige Freibad.

      Yannick und ein Mitarbeiter winkten mich in einen entlegeneren Teil des Wildgeländes heran.

      Ohne weitere Worte zeigte Yannick mir im Boden ein Eisenrohr mit zehn Zentimeter Durchmesser. Es war kaum sichtbar, aber der kreisrunde schwarze Erdfleck fiel auf. Frische Erde im Vergleich zur Umgebung mit dichtem Bewuchs.

      Ein massiver menschlicher Eingriff.

      „Wir werden das als Block herausholen und ins Labor bringen. Ich kann schon mal soviel sagen. Das Rohr ist vor zwei oder mehr Jahren hier eingegraben worden. Die Gartenerde hat der Täter mitgebracht und enthält Triebe verschiedener Bambusarten. Sasa kurilensis ist dabei. Sieht ganz nach dieser Baumarktmischung aus.“

      Gut, wir kamen der Beweislage näher.

      „Erinnerst du dich an den Fußabdruck in der Sandkuhle? Ich habe einen identischen gefunden.“

      „Du weißt, das ist kein Beweis.“

      „Wenn ich die Sohlen untersuche und Reste einer jungen Humusschicht finde, hast du den Beweis.“

      „Hol das Rohr heraus, dann haben wir den zweiten echten Beweis.“

      Yannick grinste mich an.

      „So macht das Spaß!“

      „So langsam kommen wir über den Hausfriedensbruch wegen unerlaubten Betretens hinaus.“

      „Willst du mithelfen?“

      Ich blickte ihn steif und kalt an. Ich blieb stehen.

      Die Technik kam aus der Archäologie. Das Rohr war einen Meter tief versenkt. Yannick hatte einen mehr als ein Meter hohen Metallrahmen anfertigen lassen, den er in die Erde schlagen würde. Der Metallrahmen, wie ein quadratisches Rohr, war an den Seiten zwanzig Zentimeter lang und wurde, das runde Eisenrohr einschließend, in die Erde gedrückt. Das dauerte länger als gedacht. Anscheinend war ein Hindernis in der Erde. Nach einem Stein klang es nicht. Ich glaubte das Brechen eines Knochens zu hören, war mir aber nicht sicher. Mit Hilfe eines Gummihammers schlug Yannick den Rahmen in die Erde und war nach mehrmaligem Ruckeln und Knirschen endlich durch. Das eckige Rohr umfasste nun das runde Rohr. Jetzt grub der Mitarbeiter an einer Seite des Rahmens ein Loch. Mehr als einen Meter