Die Tote im Heidbergbad. Ingo M. Schaefer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ingo M. Schaefer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742774569
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liebten uns, hörten einander zu, waren füreinander da, arbeiteten hart an unseren Streitgesprächen. Perfektion sah nach der undefinierbaren Gesellschaftsmeinung unseres Lieblingsverdächtigen, wir hatten derzeit nur ihn, anders aus.

      „ Wir müssen das leider fragen“, heuchelte Frederike weibliches Mitfühlen. „Wo waren sie Ende April und Anfang Mai, Herr Hogen?“

      „Verdächtigen Sie etwa mich?“, schnappte der Witwer los. „Ich habe gute Freunde im Präsidium. Das wird ein Nachspiel haben. Das ist doch unglaublich! Raus hier!“

      Bestens. Er lud uns ein, ihn zu verdächtigen. Da ich derzeit keine Aussicht auf einen Durchsuchungsbefehl hatte, bat ich Yannick bei Hogen vorsorglich Müllabfuhr zu spielen. Er kannte das. Schließlich war das vor Jahren seine Idee gewesen.

      7

      Am nächsten Morgen trafen wir uns im Büro. Die ersten Berichte der Rechtsmedizin und der Spurg lagen vor. Todesursache war mehrfache Perforation des Herzens und der Lungen. Die Wunden waren scharf eingeschnitten. Die Tatwaffe müsse ein runder Stab mit einer röhrenartigen Spitze sein. Möglicherweise pflanzlichen Ursprungs. Ich dachte an Bambus. Die pflanzlichen Reste aus dem Brustkorb untersuchte man noch. Besonderer Hinweis für die Staatsanwältin: Die Tatwaffe drang zuerst in den Rücken.

      Maria Hogen besaß ein Cabrio. Die Suche wurde an alle Streifen durchgegeben, zudem sollten alle Parkhäuser angefragt werden. Die Nachbarn nannten Hans Hogen einen fleißiger Seitenspringer. Alle hatten mit seiner Frau Mitleid gehabt. Am Gericht erfuhr Stenhagen, dass Maria Hogen stets sehr pünktlich ging. Eine Mitarbeiterin gab ihm Namen und Telefonnummer einer Anja Lauckner, die neben dem Ehemann im Notfall zu benachrichtigen war. Rita besprach eine digitale Anrufbox.

      Doktor Marker rief wieder an. Sie schien bester Laune zu sein. Sie sprach von Eile und beginnender Auktion, wolle noch schnell die Ergebnisse einiger Untersuchungen durchgeben. Frau Hogen war nicht vergewaltigt worden. Zum Ersten. Die Mordwaffe musste definitiv ein scharfes Rohr gewesen sein. Zum Zweiten. Es gab keine Abwehrverletzungen. Zum Dritten. Klick.

      Yannick meldete sich. Der Tatort war gefunden. Auf dem Plattenweg am Beckenrand in der Nähe der Leiche konnten Blutspuren gefunden werden. Die Tatwaffe fand er nicht. Die Leiche hätte unbeachtet bis zur Bebauung liegen können. Der Bereich des Beckens sei durch das hohe Buschwerk aus allen Perspektiven möglicher Spaziergänger nicht einsehbar. Ich hätte die Leiche nur gefunden, weil ich auf das Gelände gegangen war. Wir hatten nichts, um einen Durchsuchungsbefehl zu erhoffen. Da Helmke noch am Telefon war, wollte ich nebenbei die Pflanzenreste aus dem Brustkorb erwähnen.

      „Sag mal, altes Haus“, begann ich vorsichtig.

      „Nein, ich habe die Reste noch nicht untersuchen können!“ Er legte auf.

      Hogen schien geahnt zu haben, dass ich komme. Kooperativ war er nicht. Meine Fragen waren belanglos.

      Wann zum letzten Mal gesehen?

      „30. April.“

      Welchen Eindruck machte ihre Frau auf sie?

      „Wie immer.“

      Probleme auf der Arbeit?

      „Die und arbeiten, haha, dass ich nicht lache.“ Hogen verlor seine Maske und wurde fast sympathisch.

      „Wissen Sie, wo das Cabrio ihrer Frau ist?“, wollte ich wissen.

      „Vielleicht hätte man diese Frage vor zwei Monaten stellen müssen. Hat man aber nicht“, blaffte er.

      „Ist der Schlüssel hier?“

      „Nein.“

      „Kennen Sie eine Anja Lauckner?“

      „Nur dem Namen nach. Maria hat sie nie vorgestellt.“

      Ich ging zur Tür. Kurz bevor meine Hand die Klinke erreichte, konnte ich mir nicht verkneifen, mich umzudrehen, und ärgerte mich ohne Zigarrenstummel dazustehen.

      „Hatten Sie mal einen Gärtner?“

      „Nein, das war Maria.“

      8

      Ich musste Druck auf Helmke machen und rief ihn an. Ich brauchte den Durchsuchungsbefehl. Bevor ich hallo sagen konnte, brüllte er:

      „Ich hab es gerade unterm Mikroskop.“ Er wurde leiser. „Das ist nicht hundertprozentig zuzuordnen. Ich tendiere zwischen Sasa kurilensis, da passt das mit dem Durchmesser, dicker wird der nicht, und Sasa palmata. Das sind Bambusarten!“, fügte er belehrend hinzu.

      „Welcher eignet sich am besten, so ein Loch zu machen?“

      „Beide. In Asien sind Messer und Speere aus Bambus scharf wie unsere Messer. Das liegt an der Härte und Rohrstabilität der Pflanze. Ein Bambusrohr, dass scharf angeschnitten ist, kann mühelos einen menschlichen Körper durchdringen. Ein bisschen Kraft ist natürlich nötig.“

      „Welcher Bambus ist häufiger?“

      „Palmata, wächst wie Unkraut und schnell, auch bei ungünstigem Klima.“

      „Gibt es auf dem Gelände des Bades oder in der Umgebung diesen Bambus?“

      „Ich habe nichts gesehen.“

      „Ist Sasa kurilensis auch so häufig?“ Ich sagte es, ohne zu stottern.

      „Nein, ein seltener Bambus, wie der Name schon sagt.“ In solchen Momenten konnte ich ihn ohrfeigen. Als ob er nicht wüsste, dass er in Latein bei mir abgeschrieben hatte, und dass der Name nichts über die Seltenheit einer Art aussagte. „Durchmesser höchstens zwei Zentimeter, gehört zum Zwergzierbambus. Quasi ein Mini Bambus. Sehr aggressiv wie jeder Bambus.“

      „Begründe das“, sagte ich einfach.

      „Wenn man Bambus in seinen Garten pflanzen möchte, tut man gut daran, eine Eisenwand ungefähr einen Meter tief als Mantel im Erdreich zu versenken. Stahl oder Eisen, auf keinen Fall Keramik oder Beton oder noch dümmer Plastik. Ohne Eisenwand wäre der Bambus nach einem Jahr im gesamten Garten. Die Triebe aller Bambusarten wachsen schnell, durchdringen fast alles und nehmen allen anderen Wurzeln und Pflanzen das Wasser und die Nährstoffe. Übrig bleibt Bambus.“

      „Hast du Sasa kurilensis in Bremen-Nord schon gesehen?“

      „Nein, ich werde mich an Botaniker und an die Ökologiestation Schönebeck wenden. Zudem schicke ich die Probe an einen Bambusspezialisten im BKA. Ich kenne jedenfalls keinen öffentlichen Standort im Land. Allerdings private Gärten, wer weiß, ähem, das musst du überprüfen.“

      Ich sah im Geiste, wie er die Schulter zuckte und mitleidlos grinste. ´Hehe, dein Pech, Nagel, klappere alle Gärten und Kleingärten ab, viel Spaß!´

      Diesmal legte ich einfach auf.

      9

      Ein Eisenring hinderte aggressive Triebe in große Erdreichregionen vorzustoßen. Riss man den Bambus heraus, gab es bestimmt noch Reste. Ich rief den Staatsanwalt an. In zehn Minuten hatte ich das Fax. Ich lachte mitleidlos, als ich mir Yannicks Gesicht vorstellte, der noch mal in einen verwilderten Garten abkommandiert wurde.

      Er würdigte mich keines Blickes, als er an mir vorbei in den Garten ging, um Bodenproben zu entnehmen. Chico und ich öffneten das kleine Gartenhäuschen. Die Rumpelkammer war wohl zu viel Arbeit für unseren perfekten Kaufmann gewesen. Rohre, Balken, Holzpfeiler, Werkzeug. Mir schien zuerst, niemand sei hier gewesen, seit das Ehepaar eingezogen war. Wir machten Fotos, alle möglichen Detailaufnahmen. Rita, Markus und Frederike befragten den Witwer. Während sie Schubladen durchsuchten, Schränke öffneten und schlossen, wechselten sie sich ab, ihn zu befragen und gleichzeitig genau zu beobachten. Sie würden jedes Zucken und jede Regung in seinem Gesicht erkennen. Als Yannick endlich das Signal gab, dass er durch war, warf ich einen letzten Blick in die Rumpelkammer und verschloss sie. Ich ahnte, dass erst der nächste Hausbesitzer die Tür öffnen würde.

      Ich ging als letzter durch die Haustür.

      „Vielleicht sollten sie mal den wahren Täter suchen und nicht