Djihad. Christoph Hoenings. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Hoenings
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623380
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des Mannes, den sie seit Kindesbeinen gekannt hatte und der sie hatte heiraten wollen.

      Jetzt, einige Wochen später, nicht mehr in der Enge der Kleinstadt im Tal der Mosel, nicht mehr gebunden an ein Versprechen und an den Mann, der seine Betroffenheit über ihren Vertrauensbruch nicht verwinden konnte, jetzt wollte sie zurück zu Rupert Graf.

      Wenn nur ihr Vater nicht so engstirnig wäre!

      Er hatte ihr klargemacht, er würde seine finanziellen Zuwendungen für ihr Studium in Düsseldorf sofort einstellen, wenn sie sich mit Graf noch einmal einließe.

      Als ob ihr Studium unter der Beziehung zu Rupert gelitten hätte! Sie hatte alle Scheine gemacht, die sie machen musste, sämtliche Zwischenprüfungen erfolgreich abgelegt!

      Sie hatte ihn nie gefragt, und Rupert Graf hatte ihr nie angeboten, bei ihm einzuziehen. Reichlich Platz war ja vorhanden in seiner Wohnung am Zoo, wo er sich ohnehin fast nur am Wochenende aufhielt. Wenn er nicht in Bremen war, war er auf Reisen, und seine Wohnung stand die meiste Zeit über leer.

      Wenn sie also die eigene Miete sparen könnte… .

      Sabine Sadler war eine kühl und praktisch denkende junge Frau.

      Sie wusste, sie könnte es zur Not schaffen, ohne den monatlichen Scheck ihres alten Herrn über die Runden zu kommen.

      Mit einem schweren Seufzer tippte Sabine Sadler die Nummer Grafs in ihr Handy und lauschte dem Rufzeichen.

      Ahmed Falouf war richtig stolz auf sich.

      Nachdem er wieder ein ordentliches Zubrot zu seinem Gehalt als Fahrer verdiente – von den viertausend Dollar, die er für die Informationen Siddiquis erhielt, gab er diesem nur 1.500 Dollar weiter - , hatte er seinen Vater gebeten, bei Zaidahs Vater zu sondieren, was eine Eheschließung kosten würde. Heute hatte er den Brief seines Vaters aus Ramallah erhalten, in dem dieser mit traurigen Worten mitteilte, er habe mit Zaidahs Vater verhandelt, dieser sei aber nur bereit, gegen Zahlung von 15.000 Dollar einer Eheschließung Ahmeds mit seiner Tochter zuzustimmen.

      Und fast zwei Drittel dieser Summe hatte er schon zusammen!

      Obwohl Ahmed von seinem Verdienst nach Abzug seiner bescheidenen Aufwendungen in Riad fast alles, was an Geld übrig blieb, seinem Vater schickte, hatte er das Geld der Israelis für sich behalten. Er hatte sich nicht getraut, dieses Geld auf eine Bank zu tragen. Er besaß zwar ein Konto bei der Saudi Commercial Bank, auf das sein Monatsgehalt überwiesen wurde und von wo aus er seine laufenden Kosten deckte, aber er hatte es nicht für klug gehalten, seine zusätzlichen Einnahmen dort einzuzahlen. Das Geld der Israelis erhielt er in bar. Er bezahlte Siddiqui in bar. Und er hatte schon zum dritten Mal 25 Einhundert-Dollar-Noten in die Plastiktüte gestopft, die er unter der kleinen Palme in dem Blumentopf in seinem Apartment versteckt hatte.

      Ahmed wusste, das war kein sicheres Versteck!

      Bei seiner Bank lief er Gefahr, gefragt zu werden, woher das Geld stammte, und das hätte er nicht erklären können. Hier ging es nicht um Fragen nach Steuern. Einkommen in Saudi Arabien wurden nicht besteuert. Aber die Frage nach der Herkunft des Geldes wäre gekommen. Die Saudis waren immer überzeugt, ihre ausländischen Dienstboten klauten wie die Raben, und Ahmed hätte riskiert, aufgrund eines Hinweises der Bank polizeilich vernommen zu werden.

      Dass die Israelis in sein Zimmer mitten in einem Gebäude eingedrungen waren, das dem saudischen Verteidigungsministerium gehörte, um die hinter seinem Schrank versteckte Audiokassette zu stehlen, hatte ihm die Unsicherheit seiner Behausung drastisch vor Augen geführt. Gut, er wohnte nicht in einem militärischen Komplex, sondern in einem Wohnheim für niedere Angestellte. Aber trotzdem, hier gingen Leute in Uniformen aller drei Teilstreitkräfte und der Special Security Forces ein und aus. Und da besitzt jemand die Dreistigkeit, hinein zu marschieren, seine Zimmertür aufzubrechen, und seine Kammer in aller Seelenruhe, aber gründlich, zu durchsuchen!

      Ahmed Falouf war sich darüber im Klaren, dass er dringend eine andere Lösung für den Verbleib seines Geldes benötigte. Für das Geld, mit dem sein Vater ihm die Braut kaufen sollte, die Ahmed schon seit Jahren begehrte!

      Nun ging es ja nicht nur darum, das Geld sicher aufzubewahren, was ja schon schwierig genug war! Sein Hauptproblem würde werden, das Geld aus Saudi Arabien heraus und auf der Busreise erst durch Jordanien und von dort aus weiter durch die israelischen Grenzkontrollen nach Palästina zu bringen.

      Die Einzahlung in eine Bank in Saudi Arabien verbot sich. Gut, er konnte nach Bahrain oder Dubai fahren, die Grenzkontrollen waren sehr lasch, und dort die Einzahlung vornehmen, aber auch die Überweisung auf ein Konto in Ramallah war nicht opportun. Selbst, wenn es ihm gelänge, ohne Aufsehen das Geld in einer arabischen Bank einzuzahlen, die Israelis würden möglicherweise bei Eintreffen des Geldes in Palästina Steuern hierauf erheben und ihm den halben Brautpreis kurzerhand abknöpfen!

      Aber jetzt, wo für Ahmed Falouf zum ersten Mal eine reale Chance bestand, von Zaidahs Vater als Bräutigam für Zaidah anerkannt zu werden, wo Ahmed kurz davor stand, sich den langjährigen Traum einer Hochzeit mit Zaidah erfüllen zu können, musste er einfach einen Weg finden, das Geld bis nach Palästina zu transportieren!

      Was Ahmed Falouf so stolz machte, war sein neuer, aus ganz feiner, mit Seidenfäden durchwirkter Wolle gewebter Gebetsteppich.

      Wie lange hatte er nach diesem Teppich auf den Basaren und Souks von Riad gesucht?! Ihm war es insbesondere darum gegangen, einen Teppich zu finden, der exakt die Abmessungen seines alten, viel gebrauchten Gebetsteppichs besaß. Und jetzt hatte er endlich das passende Stück gefunden! Der Teppich, eben wegen der darin enthaltenen Seide, war sündhaft teuer gewesen. Ahmed hatte fast den Gegenwert von 300 Dollar dafür ausgeben müssen.

      Trotzdem war Ahmed Falouf stolz und froh.

      Er verteilte seine 100 Dollar-Noten gleichmäßig auf dem neuen Teppich, legte den alten Teppich obenauf, und begann, beide Teppiche an den Rändern und in Abständen von zehn Zentimetern quer über die Fläche zusammenzunähen.

      Als er fertig war, sahen der dünne neue und der alte, dickere und bereits vom Gebrauch abgewetzte Wollteppich aus, als ob sie ein einziges Teil wären!

      Wenn er den Teppich aufrollte, war von dessen wertvollem Inhalt ohnehin nichts zu sehen oder zu spüren, aber auch in auseinandergerollter Form war das darin versteckte Geld nicht zu erkennen.

      Das ideale Versteck!

      Obwohl es gar nicht die Stunde des Gebetes war, betete Ahmed Falouf, auf seinem geldgepolsterten Teppich kniend, und dankte Allah voller Inbrunst für diesen guten Einfall!

      Fast hätte er in seinem Gebet das Klopfen an seiner Kammertür nicht gehört.

      Als er öffnete, stand Siddiqui vor ihm, mit einem weiteren dunkelhäutigen Mann.

      „Wir sollten sprechen!“ sagte Siddiqui bestimmt und schob Falouf vor sich her in dessen Zimmer. „Dies ist ein enger Freund meines älteren Bruders Shamin, somit ist er wie ein eigener Bruder. Naqui ist erst gestern Nacht aus Pakistan angekommen. Ich hatte ihm von dir erzählt. Er wollte dich gerne kennenlernen.“

      Rupert Graf litt unter Jet-Lag.

      Er war am vergangenen Wochenende nach Indonesien gereist, hatte anderthalb Tage in feuchtheißer Luft und tiefgekühlten Büros verbracht, war von dort Montagabend weiter nach Taipeh geflogen. Nach der Ankunft am folgenden Morgen hatte er selbigen Tags an einem Abendessen mit Delegierten des taiwanesischen Parlaments teilgenommen, einen kurzen Vortrag gehalten, und war am Mittwoch von Taipeh nach Los Angeles weitergereist, umgestiegen nach Washington, wo er Donnerstagabend eintraf.

      Nach einer Nacht im Four Seasons Hotel hatte er am Freitag Gespräche mit US-Navy International Programs in Crystal City geführt und am selben Abend noch die Lufthansa nach Frankfurt bestiegen.

      Zuhause in Düsseldorf hatte er geduscht, ein paar Einkäufe gemacht, seine Post, die der am Düsseldorfer Flughafen auf ihn wartende Chauffeur Schmitz mitgebracht hatte, durchgearbeitet und zahlreiche Anrufe beantwortet.

      Und jetzt war Samstagnacht, und Graf war erschöpft, aber dennoch hellwach!