Baker Island. Hugo Berger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Berger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748561033
Скачать книгу
mir also wirklich verklickern, dass du über diese mindestens 7 Meter hohe Mauer geklettert, und vorher als lebendige Flaschenpost gelandet bist. Und dann soll ich dir selbstverständlich auch noch abkaufen, dass du etwas geschafft hast, was noch keinem einzigen in den Sinn gekommen ist seit ich lebe, und das ist schon mächtig lange? Ach ja, und natürlich dass sie dein Gehirn gelöscht haben. Kann ja mal vorkommen, alles klar Mister!“

      „Hey hör zu, warum sollte ich eine Story erfinden Mann? Welchen Grund hätt ich denn? Ich würd selbst gerne herausfinden, ob ich der einzige Überlebende einer Schiffskatastrophe bin, ob ich ein one-way-Ticket auf eine Insel im Niemandsland gebucht hab, oder was mich sonst hierher verschlagen hat, verstehst du?“

      „Flaschenpost, Filmriss, Blackout, soll ich darüber lachen Mister Flaschenpost? Meine Weiber sollen sich um dich kümmern, denen gefällt deine Geschichte bestimmt.“

      Black Man hüllt sich in Schweigen, während wir mit seinem verblassten Pick-Up durchs Plantagengelände holpern bis wir fünfzehn Minuten später ein kleines Farmhaus aus Bambus erreichen. Eher hätt ich vermutet, dass er mich in eine vergammelte Kakerlaken-Baracke verschleppt, die er sein Zuhause nennt. Aber da hab ich mich wohl gründlich geirrt. Es ist ein wirklich nettes strohbedecktes Haus. Nicht einmal klein. Davor befindet sich eine einladende Veranda mit ein paar verteilten Hängematten und einem obligatorischen Schaukelstuhl, das Ganze eingebettet in einen malerischen Blütenzauber buntfarbiger Hibiskusblüten, filmkulissenreif und kitschig wie ein Postkartenmotiv.

      Wo ist die Kamera, der Regisseur der „cut“ ruft, und wo ist der Regieassistent, der die Filmklappe zuschlägt? Fehlanzeige! Dieser Film endet auch hier nicht. Stattdessen stürmen drei schokoladenbraune Frauen aus dem Haus heraus und umringen den Pickup überfallartig. Black-Man-Töchter?

      „Meine drei Frauen, Sheila, Stella und Judy.“

      Okay, Blacky ist also kein Kostverächter, kann ich in diesem Fall gut nachvollziehen. Er kommandiert sie sofort wieder ins Haus zurück und bringt mich immer noch humpelnd auf die Terrasse, wo ich in einen der bequemen Korbstühle hineinsack.

      „Jetzt trinken wir mal was Vernünftiges, und dann lass uns quatschen Mister.“

      Er meint damit wohl eher, er will mich verhören. Er verschwindet für einen Moment im Haus und kommt mit zwei Gläsern voll ich-weiß-nicht-was zurück.

      „Jetzt erzähl mal Mister!“

      „Was soll ich erzählen?“

      „Auf alle Fälle nicht die Märchengeschichte von der Flaschenpost, sondern die richtige.“

      So ist es also um meine Glaubwürdigkeit bestellt, hätt ich mir durchaus denken können, dass das alles ziemlich absurd klingt.

      Noch bevor ich antworten kann, stößt Blacky sein Glas gegen meins, „cheers, also raus mit der Sprache Mister.“

      Dieses Getränk, ich hab damit gerechnet, ist eine reinrassige Alkoholbombe. Damit will er mich also aus der Reserve locken. „Cheers. Ich muss dir danken Mann, dass du mir geholfen hast. Du bist der erste, der mir begegnet ist, seit ich unten am Strand…“

      „Quatsch, ich kauf dir nicht ab, dass du da unten aus der Flasche geschlüpft und über die unüberwindbare Mauer gekrabbelt bist. Sag endlich die Wahrheit.“

      „Ehrlich, so wahr ich hier sitze und diesen köstlichen Drink zu mir nehmen kann, ich hab keine andere Wahrheit. Ich würd dir gerne alles erklären, aber mein Gedächtnis ist momentan nichts anderes als ein schwarzes Loch, das alles an Erinnerung geschluckt hat. Verstehst du? Ich weiß nicht wer ich bin und was ich hier mache.“

      Mein Gegenüber sitzt nachdenklich vor mir. Ohne ein weiteres „cheers“ leert er sein Glas in einem Zug, gefolgt von einem üppigen Rülpser. „Aha, so ist das, dann bleibst du also bei deiner Geschichte.“

      Fast wirkt er destingiert, als er mit seinem leeren Glas in der rechten Hand spielt. „Komm trink aus Mister, ich hol uns zwei neue Drinks.“

      Einerseits notgedrungen, anderseits aus Verlegenheit an Argumenten wie ich meine Glaubwürdigkeit erhöhen könnte, stürze ich den Rest meines Glases ebenso in einem Schluck hinunter.

      „Okay Mister, ich geb dir ein bisschen Nachhilfe-Unterricht, vielleicht hilft dir das auf die Sprünge. Ist auch ganz einfach, im Prinzip spielt es keine Rolle wer du bist. Ich kann es dir auch nicht sagen. Fest steht, jeder, der hierher kommt, egal woher auch, er muss auch für immer bleiben, auch du. So ist das Gesetz, und der Rest ist egal, weil du sowieso nicht wegkommst, cheers.“

      „Welches Gesetz?“

      „Das Gesetz, das ich dir gerade erklärt habe, Mister.“

      „Meinst du das ernst Mann?“

      „Ist das heute der Tag der dämlichen Fragen? Natürlich ist das ernst, ernster geht gar nicht Mister. Aber warum soll das was

      Schlechtes sein? Sieh dich doch mal um. Du bist mitten im Paradies, ein wahrer Garten Eden. Hier will sowieso keiner mehr freiwillig weg. Du zahlst weder Miete noch Essen oder Trinken. Hier gibt es nicht mal ein Straf-Ticket für Falschparken. Das ist ein absolut steuerfreies all-you-can-live-Ding hier. Dafür muss man woanders eine Menge Zeitungen austragen, hat mein Vater erzählt. Und falls du es immer noch nicht bemerkt hast Mister, das hier ist eine Insel. Da ist nichts in der Nähe, wo du mal kurz rüberschippern kannst, kein Festland, keine andere Insel weit und breit. Nicht mal irgendeine Schiffslinie ist hier in der Nähe. Das hier ist eine eigene Welt, die mit der anderen Restwelt nichts zu tun hat, so als ob du auf einem anderen Stern leben würdest.“

      Die drei Blacky-Frauen beobachten uns vom Eingang aus neugierig, bis die augenscheinlich älteste sich wie der Blitz in Bewegung setzt, als wir unser zweites Glas geleert haben, um unverzüglich flüssigen Nachschub zu besorgen.

      „Und wer ist der Chef in diesem sagenhaften all-inlcusive-Paradies?“

      „Klar gibt es einen Boss, aber genaugenommen brauchen wir keinen Chef. Das läuft hier alles wie in einer Big Family. Mein Dad hatte damals einen Chef. Das war ein Gefängniswärter in einem verwahrlosten Knast in Alabama. Doch dann hat er einen Deal mit der Regierung gemacht, und seine lebenslängliche Strafe in dem alten Drecksloch gegen Arbeitsleistung im Straßenbau auf dieser Insel eingetauscht.“

      „Du bist gesessen und hier gibt es Straßen?“

      „Langsam Mister. Mein Vater ist gesessen.“

      „Aber nicht nur, weil er einen Kaugummi-Automaten geknackt hat, oder doch?

      „Sieh mich an Mister, fällt dir was auf? Ich bin schwarz, mein Vater also auch, okay. Das hat damals schon gereicht um dich strafbar zu machen und um deine nächste Frage zu beantworten, als Junge habe ich Menschenohren gesammelt.“

      Hab ich mich gerade verhört? Black Man lacht plötzlich wie ein Irrer und klatscht zweimal in die Hände.

      „Mein Name ist Harvey, so wie mein Dad, und das mit den Men-schenohren war Quatsch.“

      Drink Nummer vier steht auf dem handgefertigten zierlichen Verandatischchen, obwohl mein Drink Nummer 3 noch fast voll ist. Aha Harvey also, ich hätt ihm einen anderen Namen gegeben. Harvey ist nach einem weiteren „Cheers“ und Drink Nummer vier in eine richtige Plauderlaune verfallen. „Du hast gefragt ob es Straßen gibt. Klar, drüben auf der Ostseite der Insel, hinter der Gebirgskette die du hinter uns sehen kannst. Mein Vater hat fleißig mitgeschuftet. Als dann alles fertig war, musste, oder besser gesagt durfte er hierbleiben in diesem Territorium, das bis zu den Westrock-Mountains und zum Rio Dos im Osten reicht. Sein Glück. Alles wegen der strengen Geheimhaltung der Regierung damals, weil das im Auftrag eines Präsidenten gebaut wurde. Aber ansonsten wusste niemand, um welches Geheimnis es eigentlich ging.“

      „Und was ist mit deinem Vater?“

      „Er ist tot, so wie die anderen.“

      „Welche anderen Harvey?“

      „Du hast wirklich