Baker Island. Hugo Berger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Berger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748561033
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bezwungen. Sie hat mich in die Irre geführt bis zum Ende dieser dekadenten Welt, um das Schicksal eines gestrandeten Wales zu erleiden. Ich hasse diese Art von Abgang und es bleibt mir einzig, mich dieser demoralisierenden Gegenwart zu ergeben. Wand des Schicksals, du hast mich besiegt, ohne dass ich eine Chance hatte. Warum mach ich mir eigentlich noch Gedanken, ob diese Welt hinter der Mauer eventuell verseucht, konterminiert oder auf andere Art und Weise dämonisch verflucht ist? Ist es blanker Zynismus, dass ich mir einrede, es ist besser keinen Weg auf die andere Seite gefunden zu haben?

      …warum registriere ich erst in diesem Moment die hohen Bäume, an denen ich vorhin gerade vorbeigelaufen bin? Sie sind höher als dieses unüberwindbare Ungetüm aus Stein, ich denke auch kräftig genug einen Mann wie mich auszuhalten, und der Abstand… hm ein oder zwei Meter. Aber der Wind biegt sie ganz nah an die obere Kante heran. Also doch noch eine Chance meinem offensichtlichen Schicksal zu entgehen? Mittlerweile ist die Sonne dem Punkt an dem sie verschwinden wird schon deutlich nahe gekommen, ich sollte mich beeilen. Ich stehe nun vor dem Baum, der meine Rettung sein soll. Aus der Nähe betrachtet schon ziemlich hoch, shit. Es ist ein verwegener Plan, aber die Äste sind durchaus erreichbar, ich brauche nur etwas Kraft. Ganz langsam, ich muss mich konzentrieren. Mein schmerzender Körper fühlt sich alles andere als athletisch an, und doch muss er mir diesen Dienst erweisen, es ist seine Pflicht. Ich ziehe mich hoch, es ist deutlich schwieriger als ich es vermutet habe. Ich komme an den ersten Ast, okay, great. Der zweite Ast, es ist noch schwieriger und der Stamm ist nass vom Wind, der die Feuchtigkeit des Meeres bis hier herauf versprüht. Ich rutsche ab, kann mich nicht halten. Fuck, wenigstens hab ich mich nicht verletzt. Was ist mit dem Baum daneben, ist er ein good Friend? „Hey Baum, bis du fair zu mir? Lass mich noch ein bisschen durchatmen.“ Die Äste sind perfekt, das könnte fast wie eine Treppe sein. Allerdings ist dieser erste Ast den ich erreichen muss ein Stück zu hoch. Da komm ich nicht ran. Okay, ich brauch einen Stein, ich muss mir eine Art Podest bauen. Fuck, wenn das alles nicht so immens viel Kraft kosten würd. Mit einem Hebel geht es, den nächstliegenden größeren Stein unter den Baumstamm in die richtige Pole-Position zu bugsieren. Es reicht, ich komme an den ersten Ast heran. Ich zieh mich nach oben. Ich bewundere mich selbst dabei, wie mir das nach all den Strapazen dieses Tages noch möglich ist. Meine Muskeln zittern, ich glaub dass ich einen Krampf im linken Fuß bekomme. Meine Arme müssen das kompensieren. Come on, ich mach das gut, langsam, aber meine Hände greifen zu wie zwei Bärenpranken und lassen nicht mehr los, bis ich mich hinaufgehievt habe und zufrieden nach unten blicke. Das ist fast schon wie ein kleiner Sieg, obwohl mir der schwierige Teil noch bevorsteht. Mein Herz hämmert, dafür ist das Summen im Kopf verschwunden. Ich hab es nicht einmal bemerkt wie es sich von selbst verflüchtigt hat. Obwohl das heute alles Andere als mein Glückstag ist, sind die nächsten Äste gut erreichbar, das ist fair. Jetzt bin ich auf dem letzten Ast, der Entscheidende, das ist der point of no return. Die Sonne steht zwei Handbreit über dem Meeresspiegel, in dem sie alsbald blutrot eintauchen wird. Dann geht das Licht aus und ich bin im Baum dem Wind, der Nacht und der Gefahr des Abstürzens ausgesetzt. Es muss jetzt sein, hopp oder topp. Der nächste Windstoß, den ich mit meinem Eigengewicht verstärken muss, um im richtigen Augenblick loszulassen und dabei fest daran glauben muss, dass mir eine Punktlandung gelingt, ist mein Ticket. Bin ich complete crazy, dass ich gerade in diesem entscheidenden Moment an die blutroten Lippen einer Frau denke?

      2 – Plantage

      Ich habe mich soeben selbst besiegt, ich bin on the top, wann war ich das zum letzten Mal? Ich weiß es nicht. Seit ich diesem Albtraum folge ist meine Erinnerung ein völlig leerer Raum. Jetzt liege ich auf allen Vieren auf der Mauer und ringe nach dieser unglaublichen Aktion, die die Unmöglichkeit Lügen straft, röchelnd nach Atem. Halleluja, wo ist der Champagner? Gerad noch habe ich der trostlosen Aussichtslosigkeit in die Augen gesehen die verfluchte Wand zu überwinden, und jetzt wage ich es nicht nach unten zu sehen, was mich auf er anderen Seite erwartet. Freude, Glück und Angst sind oft nur hauchdünne Nuancen voneinander getrennt.

      Im Rest des Tageslichtes fällt mein Blick nach unten. Es dämmert, ich wähne mich auf einer Art Aussichtspunkt und suche nach Anhaltspunkten. Wo gibt es eine Straße, ein Gebäude oder irgendetwas von Menschenhand Erbautes? Meine Augen tasten den Landstrich unter mir rasterförmig ab. Warum kann ich nichts davon sehen? Wer hat dann diese sinnlose Wahnsinnsmauer erbaut? Ich kann nicht das geringste erkennen, was auf eine Besiedlung hindeuten würde. Shit happens. Stattdessen breitet sich unter mir eine mit üppiger Vegetation vollgestopfte Landschaft aus. Pflanzen, Büsche und Bäume. Bei näherer Betrachtung fällt mir trotz eingesetzter Dämmerung auf, dass die Botanik auffällig gleichmäßig verteilt ist, beinahe wie in einer Stadt-Gärtnerei. Tatsächlich, es hat die Optik eines überdimensionalen Gartens, soweit das Auge reicht. Symmetrische Pflanzenreihen, in ordentlichen zentimetergenauen Abständen. Das kann doch keine Laune der Natur sein, never.

      Nur kurz währt dieser euphorische Moment mit der berechtigten Aussicht auf Zivilisation, schon holen mich die rationellen Gedanken wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich bin auf diese Mauer gekommen, aber ich muss auch wieder hinunter, um in diese sattgrüne Welt voller üppiger Vegetation zu gelangen. An der Höhe hat sich auch auf dieser Seite nichts geändert und Bäume, die nahe genug sind um auf dieselbe Weise auf den Boden zu gelangen, sehe ich hier nicht. Zu schnell geht die fortgeschrittene Dämmerung in stockdunkle Finsternis über und ich bin ein weiteres Mal ein Gefangener meiner Umgebung. Meine Gefängniszelle aber ist der Scheitelpunkt der Mauer, der aus einem schmalen Grat besteht und beiden Seiten in die Tiefe führt. Gratulation my Friend.

      Ich mag die Nacht, ohne zu wissen warum. Sie ist mein, aber eben nicht heute und noch weniger hier an dieser exponierten Stelle. Wann hab ich überhaupt das letzte Mal etwas gegessen? Ist es der Hunger, der mich zu quälen beginnt, oder sind es wieder die stoßartigen Magenkrämpfe. Ich vermag es kaum zu unterscheiden, aber die Intensität ist es, die mich nachhaltig foltert. Dazu kommt neue Angst, die sich aufbaut wie ein herannahendes Gewitter. Ich liege flach auf dem Bauch und versuche mich vor dem weiter zunehmenden Westwind und dem Abrutschen in die Tiefe zu schützen. Meine Hände klammern sich in der völligen Dunkelheit wie ein Käfer krampfartig beidseitig an der Mauer fest, und die Angst einzuschlafen und abzustürzen befällt mich zunehmend. Das ist doch paranoid. Ich darf nicht einschlafen, auf keinen Fall, no.

      Ein fahler Lichtschein fällt auf die Mauer, ist das jetzt real? Das fahle Licht nimmt zu. Vorsichtig drehe ich den Kopf zur Seite und kann einen aufgehenden Halbmond erkennen, der in dieser auswegslosen Situation wie ein Schutzengel exklusiv nur für mich zu leuchten scheint. Warum aber auch nicht? Weshalb sollte ich es bis hierher geschafft haben um mir dann in der Nichtigkeit einer mondlosen Nacht das Genick zu brechen, ohne dass jemand davon Kenntnis nimmt.Eine Katze hat sieben Leben, wie viele Leben habe ich? Diese Erkenntnis sollte mir Mut machen um endlich etwas zu unternehmen einen Weg nach unten zu finden. Allmählich gewöhn ich mich an das schwache Mondlicht. Es reicht aus, um vorsichtig in gebückter Haltung weiterzugehen. Es reicht auch aus, um Umrisse von dem zu erkennen was unter mir ist, es reicht allerdings nicht aus, um Details wie Bodenunebenheiten oder etwas in der Ferne zu erkennen. Eine Leiter würd mir helfen, doch warum sollte ausgerechnet hier jemand eine Leiter aufstellen. An diese Art von Wunder glaub ich nicht. Bestenfalls steht eine Bretterhütte oder eine Scheune an der schützenden Wand, die die Tiefe nach unten verkürzen könnte. Wie tief wird es sein? Könnte ich einen Sprung riskieren, versuchen federnd aufzukommen und mich dann musterhaft abzurollen wie es im Lehrbuch steht? Okay, nur eine Theorie, ich werd es nicht überstürzen. Mein konzentrierter Blick sucht immer weiter nach einem Objekt, das mir den Abstieg erleichtern könnte. Da und dort mein ich einen Gegenstand zu erkennen, nur um dann festzustellen, dass es nichts anderes als ein Schatten war. Doch jetzt hat es tatsächlich den Anschein, als ob sich da unten in der Tiefe ein kleiner Hügel entgegenwölben würd. Yes, definitiv, da unten zeichnet sich eine kleine Erhebung ab, wow. Wär es lediglich hohes Gras, dann würd es sich in der Brise bewegen, wie der Hintergrund. Es muss also fester Untergrund sein. Ein paar Schritte weiter steigt die Erhebung noch ein Stück weiter an, wenn auch die Tiefe immer noch respektabel genug ist. So oder so wird sich ein waghalsiger Absprung nicht vermeiden lassen. Wenn es einen Stuntman in mir gibt, dann bauche ich ihn jetzt dringender denn je. Das Kommando lautet: