Baker Island. Hugo Berger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Berger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748561033
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      „Das bedeutet so was wie Königin.“ Wieder schließt Rasta seine Augen und … meditiert er gerade?...

      „Seine Verbannung war meine Rettung. Alle diese studierten Ärzte auf der ganzen Welt, die sich Kapazitäten nennen. Und wenn du dann wirklich fällig bist deinen Löffel für eine beschissenen Krankheit abzugeben, dann ziehen sie alle den Schwanz ein. Dann ist es plötzlich vorbei mit ihrer Schulmedizin-Weisheit und du bist mit deinen Metastasen so was von allein wie der ürbiggebliebene Schuhabdruck von Armstrong auf dem Mond. Aber dieses stinkende Zeug hier heilt das, was kein Medikament und keine Chemobehandlung kann. Das ist ein echtes Wunder, Bruder.“

      Tuff hatte Recht, ich nehme den penetranten Gestank nur mehr am Rande wahr.

      „Das hier ist sein Vermächtnis, Makani, ein einfacher kiffender Kräuterguru, den man hierher verbannt hat. Dieser ganze botanische Park hier ist sein Werk. Er hat das alles angelegt, mit seinen eigenen Händen. Ich habe es nur noch ausgebaut, vervollständigt. Makani hat mir alles gezeigt, was man über das Grünzeug wissen muss. Habe lange gebraucht, aber dann hatte ich endlich den Dreh raus. Du könntest ein unvorstellbares Vermögen in der Welt da draußen machen. Aber die Pharmaindustrie, die Ärzte, die Kliniken und alle anderen, die davon profitieren, was meinst du würden sie machen Bruder, hm? Glaub mir, es …“ Tuff sprach nicht weiter sondern drehte sich um und ging schweigend auf dem Steg zurück.

      Wir passieren noch einige andere Gärten, wie den Garden of flowers (Garten der Blumen), den Garden of silence (Garten der Ruhe) und den Garden of senses (Garten der Sinne). Ich bin wieder in meiner eigenen Gedankenwelt angekommen und frag mich, ob das alles reell ist, oder ob ich von dem Duft des Grünzeugs bekifft bin. Ich versuch mir wieder klar zu machen, dass ich vor gerade mal ein, zwei Stunden mehr oder weniger wie ein lahmer Vogel mit einem gebrochenen Flügel auf einer bunten Parkbank gesessen bin und jetzt einem ebenfalls fußlahmen Kerl nachlaufe, der mir vom achten Weltwunder erzählt. Warum fragt er mich nichts, why? Und wo ist eigentlich in dieser medizinischen Schatzkammer der Garten der Erinnerung? Als ob Schmetterlingsbein Gedanken lesen könnte bleibt er kurz stehen, schaut mir mit seinem Begrüßungsgrinsen in meine fragenden Augen, und deutet mit seinen Fingern zurück zum Garten der Sinne.

      „Janet, Lucy, Cindy, Yvette, Patrica … habe ich alle selbst gezüchtet. Da drinnen ist der Kreiß-Saal meiner Babys, da werden sie gezüchtet, gebrütet und aufgepäppelt, gefüttert und veredelt, und dann kommt gelegentlich jemand mit dem Kinderwagen vorbei um sich eines meiner Edel-Küken abzuholen. Im Haus bekommst du eine Kostprobe von meiner ganz neuen Sorte.“

      „Kokain, Marihuana?“

      „Du wolltest doch eine Zigarette, oder nicht?“

      „Egal Mann, Hauptsache, es ist was zum Rauchen.“

      „Hey Bruder, das ist besser, als nur irgendwas zum Rauchen. Das sind Glücksbabys, verstehst du?“

      Natürlich versteh ich nichts, aber ich behalts lieber für mich. Tuff verzichtet auf eine weitere Erklärung. Er deutet nach rechts und ergänzt es mit einem Nicken seines Kopfes in die gleiche Richtung „Cedella!“

      Soviel ist sicher, Tuff ist ein Pflanzenflüsterer, eine sonderbare Marke der Typ. Aber andererseits, wenn mir irgend jemand helfen kann mein Gehirn wieder zum Funktionieren zu bringen, dann müsst ich bei ihm eigentlich in besten Händen sein.

      „Das Haus, Bruder, Cedella.“

      Nach wenigen Schritten stehen wir vor einem auf Stelzen stehenden bunten Holzhaus im Kolonialstil. Es ist mindestens so bunt wie die Parkbank. Die Veranda gibt einen herrlichen Fernblick in das Tal und einen noch deutlich herrlicheren in die zum Greifen nahen Berge der Westrock-Mountains frei. Müdigkeit überkommt mich, als ich mich in einen der Veranda-Sessel hineinfallen lasse. Als ich wieder meine Augen öffne, ohne zu ahnen ob ich geschlafen habe oder nur ein kurz eingenickt bin, sehe ich abermals in ein neues Gesicht. Sie ist bildhübsch, dunkle Haare, zierliche Figur. Sie ist dabei, ein Tablett mit einem Glas blutrotfarbigen Getränkes vor mir abzustellen.

      „Trink Bruder“ höre ich die Rasta-Stimme hinter mir, ohne ihn sehen zu können.

      „Hey, ist echt fein“, ergänzt das Mädchen um die Zwanzig und verschwindet mit ihrem mir zugewandten knackigen Hinterteil im Haus.

      Meine Unwissenheit verwirrt mich für einen Moment, in dem ich zaghaft versuche, das gerade Erlebte auf den Prüfstand der Realität zu stellen. Paradies, oder Himmel, Traum oder ein Trip?

      „Bruder du hast geschnarcht wie ein Pandabär.“

      Die nächste Feststellung, mein Bein ist verbunden und die Sonne beginnt sich hinter den Bergzacken zu verabschieden.

      „Hat dich wohl beeindruckt, die kleine Tour durch die lebendige Apotheke, was?“ Tuff setzt sich neben mich, den Blick in die untergehende Sonne gerichtet. „Ich liebe die Sonnenuntergänge hier, jeden einzelnen. Dieses überragende Naturschauspiel, wenn die Sonne ihre Farbe in ein weiches Rot ändert und das Haus dabei noch kurz anleuchtet wie eine Kerze in der beginnenden Dunkelheit, bevor sie sich hinter den Bergen zurückzieht.“

      Rasta beginnt wieder sein typisches Kopfwackeln, als ob er sich zu einer unhörbaren Musik bewegen würde. Er ruft nur „Mary!“ Kurz darauf balanciert Mary ein neues Tablett heraus auf die Veranda, das nach einem herrlichen Fischgericht duftet.

      „Du bist mein Gast, Bruder, lass es dir schmecken, hau rein.“

      Ich bin tatsächlich in der Lage eine Portion for two zu essen, ohne darüber nachzudenken, was ich da genau zu mir nehme. Egal, es ist eine kulinarische Köstlichkeit. Am Ende komm ich mir vor wie ein Plüschtier, das man mit der doppelten Füllmenge an Watte ausgestopft hat.

      Tuff beeindruckt das nicht sonderlich. Dafür beobachtet er mich unablässig wie eine seiner singenden Pflanzen.

      „Du siehst ein bisschen abgenutzt aus.“

      „Oh no, ich brauch nur eine Zigarette, Mann.“

      „Klar, ich hab was neues. Ist so harmlos wie coffeinfreier Kaffee. Geiles Zeug, Bruder. Du chillst trotzdem weg, als ob du nicht von dieser Welt wärst.“

      „Okay. Cool Mann. Und … so wie ich dich einschätz, hast du auch bestimmt eine Pille für Leute mit Gedächtnislücken in deiner grünen Apotheke.“

      Ein mehr als mitleidiger Blick trifft mich. „No Pill, no cry! Meine Regel, Bruder. Auch keine Methusalem-Pillen. Ich habe zuviel von diesem Mistzeug bekommen und genommen. Alles nur Shit, da backe ich lieber chinesische Glückskekse mit dir.“

      „Willst du mich auf den Arm nehmen, Mann?“

      Zunächst schweigt Tuff. Es sieht aus, als ob er nachdenken würd.

      „Was ist mit deinem Gedächtnis, Bruder?“

      „Es ist weg, Mann. Ich hab es vergessen.“

      „Was hast du vergessen?“

      „Soviel, dass ich nicht weiß, ob ich verrückt bin.“

      „Wir sind doch alle verrückt. Manche Menschen können den Regen spüren, andere werden nur nass.“

      Okay, dann kann ich mir wenigstens denken, dass ich derjenige bin, der nur nass wird. Aber seine philosophische Antwort hilft mir ziemlich wenig. Er bleibt konsequent bei seiner Taktik, mir keine direkten Antworten auf meine Fragen zu geben.

      „Mein Universum hat mich zu meinem Glück hierher gezwungen und etwas zu machen, was ich schon immer machen wollte, Menschen zu helfen. Dort zu helfen, wo andere kläglich versagen oder kein Interesse haben. Das ist meine Mission Bruder. Ich hatte das one-way-Ticket für meinen Tod in der Tasche. Aber nicht nur das eine Mal. Manchmal denke ich, dass ich eine Katze bin, mit mehreren Leben, verstehst du?“

      „Kommt mir irgendwie bekannt vor.“

      „Zuerst ein Attentatsversuch, dann eine Notlandung und zuletzt meine unheilbare Krankheit.