Winterkönig. N. H. Warmbold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: N. H. Warmbold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742783073
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      „Ihr kommt gerade recht, würde ich sagen“, erklärte Sandar etwas zu hastig.

      „Hauptmann Davian, setzt Euch“, forderte Reik den wie üblich grimmig dreinblickenden, nur wenige Jahre älteren Mann auf. „Kann ich Euch etwas zu trinken anbieten?“

      „Danke, ich hatte bereits …“, Davian grinste kühl, „Euren Onkel beim Frühstück getroffen. Der Mann wird ziemlich redselig, wenn er zu viel getrunken hat.“

      „Dann … gehe ich davon aus, Ihr wisst bereits alles Wichtige, und ich muss Euch nichts mehr erzählen?“

      „Hängt davon ab, was Ihr mir erzählen wollt, Hoheit.“

      Reik unterdrückte ein Grinsen. „Jedenfalls nicht alles. Im Augenblick interessiert mich die Stimmungslage in Kalimatan viel mehr.“ Hauptmann Berit Remasseys Bericht über die Geschehnisse im Grenzgebiet, die gehäuften Überfälle war besorgniserregend.

      „Angespannt und unruhig. Ich hatte Dessum ja schon verlassen, bevor ihr Euer Ziel erreicht hattet, kann also nicht von direkten Reaktionen berichten. Allerdings habe ich auch zuvor keine Gerüchte über eine Magierin, eine Zauberin oder eine Hexe gehört. Dieses Mädchen war bislang kein Thema.“

      „Und das beunruhigt Euch?“, wollte Reik wissen.

      „Nein. Aber ich wundere mich darüber … ein bisschen. Die Kleine ist ja nicht gerade unauffällig. Anderes Thema: Sind Euch auf dem Ritt ein paar Kandidaten für die Garde ins Auge gefallen?“

      „Ihr braucht mehr Männer, Davian?“

      „Meine Einheit könnte drei, vier fähige Männer durchaus gebrauchen, ich gebe mich aber auch mit einem oder zwei zufrieden“, lenkte Davian ein. „Torn und dieser Jula.“

      „Jula?“ Sandar schüttelte den Kopf. „Was willst du mit diesem Weiberheld?“

      „Hast du den Jungen mal mit dem Stock gesehen? Er ist verdammt gut“, urteilte Davian knapp.

      „Jula wollte ich für meine Einheit, aber Torn kann ich Euch versprechen“, entschied Reik.

      „Einverstanden.“ Der Hauptmann streckte sich und ließ den Blick zwischen ihm und Sandar hin- und herwandern. „Wollt Ihr den gesamten Vormittag verplaudern oder noch ein bisschen trainieren?“

      „Vielleicht solltet Ihr erst einmal Euren Rausch ausschlafen, Hauptmann?“, stichelte Reik.

      „Ich bin keineswegs betrunken, falls Ihr das andeuten wollt, Hoheit“, gab Davian, dessen unsteter Blick etwas anderes sagte, kühl zurück. „Ich vertrag‘ einiges mehr als Bro, also … paar Runden im Stockkampf zum Warmwerden und anschließend weiter mit dem Schwert?“

      „Wenn das keine Herausforderung ist …“, heiser lachend erhob sich Reik, nickte Sandar zu. „Du zählst? Und springst ein, wenn Hauptmann Davian eine kleine Pause braucht?“

      * * *

      Benommen hob Mara den Kopf und lauschte dem Regen, der ans Fenster prasselte. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren.

      Hier, das war der Tempelbezirk von Samala Elis, genauer gesagt die Unterkünfte von Malin, der Hauptfrau der Tempelwache. In deren Bett hatte sie den dringend benötigten Schlaf nachgeholt.

      Sie hatte wahrlich einen weiten Weg hinter sich. Von Ogarcha, der Burg im südlichen Wildewald, fast schon im Grenzland zu Kalimatan liegend, wo sie fast ihr gesamtes Leben verbracht hatte, bis in die Hauptstadt des Landes Mandura. Samala Elis.

      Eine anstrengende und aufregende Reise – allein bis zum Erreichen der Tameran-Kette hatten sie und ihre Begleiter, ein großer Trupp Soldaten, rund einen Monat benötigt. Mara hatte einiges erlebt und erfahren, über sich und ihre verwirrenden, sie selbst erschreckenden Fähigkeiten.

      … und heute: ihr erster Morgen im Tempelbezirk, dann dieser unselige Zwist. Mara war nicht auf Streit aus gewesen, und sie hatte auch nichts gegen die Tempelwächterin, diese Sina, im Gegenteil. Eigentlich fand sie die Frau und ihre direkte Art interessant. Aber sie war nicht länger bereit, Provokationen und Beleidigungen einfach hinzunehmen. Und so hatte sie sich gewehrt, war Sina ihrerseits angegangen, indem sie in deren Geist eingedrungen war. Malins Auftauchen im Speisesaal hatte die Situation vorläufig geklärt, aber natürlich würde sie sich nun bei Sina entschuldigen müssen.

      Zu Maras Verwunderung war es recht dunkel im Zimmer, lediglich eine Kerze brannte. „Wieso ist es so dämmrig?“

      „Die Sonne ist gerade untergegangen, du hast den ganzen Tag geschlafen“, klärte Malin sie auf.

      „Wirklich? Habe ich etwa das Abendessen verpasst?“, wollte Mara wissen.

      „Wenn du dich sofort anziehst, kommen wir noch rechtzeitig.“

      „Gut.“ Mara stand auf und zog sich rasch an, es war kalt im Raum. „Hoffentlich ist Milla mir nicht böse, sie wollte mir den Tempelbezirk zeigen.“

      „Das glaube ich nicht. Ich habe ihr gesagt, dass du schläfst. Außerdem hat es eh den ganzen Tag geregnet, und Milla hat noch genug anderes zu tun. Du wirst auch allein herausfinden, wo hier alles ist.“

      „Sicher, aber sie schien sich darauf gefreut zu haben“, meinte Mara.

      „Ja. Auf einen freien Tag und spannende Geschichten“, gab Malin trocken zurück. „Fertig?“

      „Gehen die Zimmer nach Süden und Osten hinaus?“, erkundigte sich Mara, als sie den Raum verließen. „Dann weiß ich nämlich, wo wir sind.“

      „Direkt neben dem Nordeingang vom Tempelbezirk“, bestätigte Malin. „Hat den Vorteil, dass ich von hier aus jeden sehe, der in den Bezirk oder den Tempel will. Natürlich gibt es noch den Eingang bei den Häusern, von Süden her, den kann ich leider nicht überblicken.“

      Sie folgten einem Flur und überquerten den großen, gepflasterten Hof, von dem aus man zu den Pferdeställen gelangte, und gingen danach wieder durch lange Gänge.

      „Wie viele Frauen leben hier?“, wollte Mara wissen. „Das alles ist ja riesengroß.“

      „Rund zweihundert Priesterinnen und mehr als doppelt so viele Tempelwächterinnen“, gab Malin ihr Auskunft.

      „Warum so viele Wächterinnen? Sind die Priesterinnen derart unbeliebt, dass man sie so gut beschützen muss?“

      „Nein, sie genießen hohes Ansehen“, erklärte Malin. „Aber es ist ein Zeichen von Macht und Stärke, viele Bewaffnete unter seinem Kommando zu haben.“

      „Ja? Dann seid Ihr als Hauptfrau der Tempelwache also eine mächtige Frau?“

      „Ich unterstehe Loranas Befehl“, unterstrich Malin.

      „Natürlich, das ist mir klar. Aber ich meine … also, Hauptmann Remassey beispielsweise, der Statthalter von Kirjat, ist als Kommandant der Grenztruppen doch auch ein mächtiger Mann, oder nicht? Trotzdem er dem Befehl des Königs untersteht.“

      „Ja, er ist mächtig, aber noch aus anderen Gründen: Er kommt aus einer alten, einflussreichen Familie. Aber gut, in dem Sinne kann man mich wohl als mächtig bezeichnen“, stimmte die ältere ihr zu.

      Sie betraten eine große Küche. Von den dort zubereiteten Speise stieg Dampf und ein verlockender Duft auf. Mara knurrte der Magen.

      Eine beleibte Frau mit rundem, gerötetem Gesicht, die zwei anderen Frauen Anweisungen gab, drehte sich neugierig zu ihnen um. „Malin! Seid Ihr so hungrig oder warum lasst Ihr Euch in der Küche sehen?“

      „Ich wollte nicht schon wieder nass werden“, erwiderte Malin. „Und außerdem möchte ich Euch Mara vorstellen. Hier ist sie also. Mara, darf ich dich mit Bes, Pola und Tane bekannt machen?“

      Mara nickte den dreien höflich zu. Pola, die Suppe aus einem großen Kessel in Schüsseln füllte, und Tane, die frisches Brot auf Körbe verteilte, erwiderten ihren Gruß zurückhaltend