Träume aus dem Regenwald. Bernd Radtke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Radtke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781581
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Nähe und Vertrautheit hatte sie außer zu Juçara nur zu ihm. Er hatte ihr gefehlt. Gerne hätte sie sich an ihn gekuschelt, hätte seine Zärtlichkeit gespürt, allerdings stand eine unüberwindliche Wand zwischen ihnen. Vielleicht fehlte ihnen nur der Mut?

      Hans riss sie aus ihren Gedanken.

      »Wie wäre es, vielleicht kannst du im Hospital helfen. Dann hättest du eine Arbeit.«

      »Toll, ich möchte gerne helfen, wenn die Babys zur Welt kommen. Ich war bei Rosa dabei und es war so schön, das zu erleben. Das würde ich gerne machen.« Sie war begeistert, so wie damals, als sie auf die Idee kam, Deutsch zu lernen.

      »Rosa ist wieder schwanger. Sie freut sich riesig und Raimundo ebenfalls. Sie sind sehr glücklich.«

      »Nicht alle Frauen hier sind glücklich. Einige Männer schlagen ihre Frauen oder gehen fremd«, meinte Hans.

      »Gut, dass es in meiner Familie nicht so ist. Bei meinen Eltern habe ich das nicht bemerkt, auch Juçara und Manuel leben glücklich zusammen. Wenn mich mein Mann schlagen würde, ging ich sofort zu meinen Eltern zurück.«

      Sie unterhielten sich bis zum späten Nachmittag. Jaíra ging schließlich zu ihrer Schwester, bei der sie sich in ihre Hängematte legte. Während sie auf den Schlaf wartete, gingen ihr noch viele Gedanken durch den Kopf, die sich schließlich auf Adriano konzentrierten. Er hatte ihr gefallen. Vielleicht ...

      Auf dem Weg zu Paulos Laden kam Jaíra an Sandros Bar vorbei. Am Billardtisch sah sie Adriano, der dort mit Fabio Billard spielte. Er erkannte Jaíra und pfiff anerkennend durch die Zähne. Jaíra sah kurz zu ihm herüber und ging unbeeindruckt weiter.

      »Mach dir keine Hoffnungen, die hat ihren Lehrer, da kommst du nicht ran«, hörte sie Fabio sagen. Adrianos Antwort: »Warten wir es erst mal ab«, konnte sie nicht mehr verstehen, die Worte gingen im Geräusch der rollenden Kugeln unter.

      Immer, wenn Jaíra vom Hafen ins Dorf ging, musste sie an Sandros Bar vorbei und jedes Mal sah sie Adriano, der dort Billard spielte. Dauernd pfiff er hinter ihr her. Sein Getue ging ihr auf die Nerven.

      »Hast du nichts zu tun?«, rief sie ihm zu, als sie wieder einmal seinen anerkennenden Pfiff hörte.

      »Wir warten auf das Baumaterial, dann kann es sofort losgehen.«

      Er kam auf sie zu und gab ihr die Hand. Sein Händedruck war fest und angenehm.

      »Wie ist es bei deinem Onkel? Habt ihr alle dort Platz?« Jaíra erinnerte sich, dass Salvatores Haus sehr klein war.

      »Naldino und ich haben uns eine kleine Hütte zusammengezimmert, das reicht für die Zeit des Baus.«

      Adriano deutete zum Billardtisch.

      »Möchtest du mitspielen?«

      »Ich kann das nicht gut«, antwortete sie zögernd.

      »Na, komm schon, ich bring es dir bei.«

      Jaíra ließ sich überreden. Sie hatte wirklich nicht viel Ahnung vom Spiel und Adriano zeigte ihr, wie sie den Stock halten musste. In einer Pause setzten sie sich an einen Tisch. Adriano bestellte sich ein Bier und Jaíra ein Guarana. Während sie an ihrer Limonade nippte, betrachtete sie Adriano. Seine dunklen Augen strahlten sie an.

      »Warst du schon einmal in Barcelos?«, fragte er sie.

      »Nein, ich bin noch nicht von hier weggekommen. Hans will mich einmal mit nach Deutschland nehmen, aber ob das was wird?«

      »Der kommt doch auch nicht mehr aus dem Dorf hier raus. Vergiss es, er wird dich nicht mitnehmen.« Adrianos Stimme klang abfällig. »In Barcelos ist es toll. Hier in eurem Kaff ist echt nichts los.«

      »Warum bist du dann hier?« Sie war gekränkt. Dass Hans sie mit nach Deutschland nehmen würde, daran glaubte sie selber nicht mehr, dass Adriano jedoch so abfällig über ihn redete, passte ihr nicht.

      »Ich bin hier, weil es hier Arbeit gibt.«

      »Und dann?«

      »Mal sehen, das wird einige Zeit dauern.«

      Bald hatte Jaíra ihren Ärger vergessen. Adriano kam aus der Stadt, hier gab es nur Wasser und Wald. Als er von seinem Leben in den Städten erzählte, hörte Jaíra genauso zu, wie damals bei Hans, wenn er früher von Deutschland erzählte.

      Endlich kam das Schiff mit dem Baumaterial. Es dauerte lange, bis alles abgeladen und zu dem gerodeten Platz gebracht worden war, an dem das Hospital errichtet werden sollte. Noch ein paar Männer waren mitgekommen, um beim Bau des Hauses mitzuhelfen.

      Adriano und Naldino waren gute Arbeiter. Unter ihrer Leitung ging der Bau zügig voran. Abends gingen die Männer in Sandros Bar, um dort Bier zu trinken und Billard zu spielen. Bald kamen auch einige junge Frauen aus dem Dorf vorbei und Sandro freute sich über das gute Geschäft. Auch Jaíra, die oft ihre Schwester besuchte, traf sich dort mit Adriano, um mit ihm Billard zu spielen und sich zu unterhalten. Sie kamen sich immer näher. Jaíra wartete nur darauf, dass er ihre Hand beim Spiel berichtigte und sich dabei dicht neben sie über den Rand des Tisches legte.

      Jaíra und Adriano hatten das Spiel gewonnen, zwar nur knapp, weil Adriano ihre Fehler ausgleichen musste, was ihm nicht schwerfiel, da er ein guter Spieler war. Vor Freude fiel ihm Jaíra um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Adriano lächelte verschmitzt.

      »Lass uns etwas ausruhen. Komm, wir setzen uns draußen auf die Bank.«

      Er schnappte Jaíras Hand und führte sie von der Terrasse herunter zu einer Bank, die etwas abseits zwischen hohen Bäumen stand.

      »Das war klasse! Wie wir die abgezogen haben.« Jaíra war begeistert.

      Adriano lachte. Jaíra spürte, wie er seinen Arm um sie legte und sie dichter an sich heranzog. Sein Mund näherte sich dem ihren und dann küsste er sie. Sein Kuss war leidenschaftlich und fordernd, nicht zögerlich wie bei Fabio oder den anderen, die sie geküsst hatte.

      Jaíra war stolz und glücklich. War Adriano ihr Traumprinz? War ihr ‚Boto’ endlich gekommen?

      Sanft schaukelte die Hängematte unter dem Sonnendach und wiegte Jaíra langsam hin und her. Um mit ihren durcheinandergeratenen Gefühlen zurechtzukommen, war sie zu ihrem versteckten Paradies gepaddelt. Sie träumte mit offenen Augen und dachte an den gestrigen Tag zurück. Immer noch spürte sie Adrianos Zärtlichkeiten, seine Küsse und Berührungen, fühlte seine schweißbedeckte Haut, seine Erregung und seine Härte.

      Adriano hatte sie eingeladen, ihn zu besuchen. Er wartete bereits am Ufer, als Jaíra anlegte. Sie wurde von ihm in die kleine Hütte geführt, die er mit Naldino gebaut hatte. Jaíra wunderte sich, dass die beiden Brüder richtige Betten hatten und nicht in Hängematten schliefen, wie fast alle hier. Von ihren Bekannten hatte nur Hans ein Bett.

      Naldino war im Dorf und so waren sie allein. Er hatte sie auf das Bett gezogen und geküsst. Immer leidenschaftlicher wurden die Küsse, Jaíra spürte seine Hände an ihrem ganzen Körper und sie wurde immer erregter. Adriano hatte leichtes Spiel mit ihr, nur zu bereitwillig öffnete sich Jaíra und bald liebten sie sich.

      Sie konnte es immer noch nicht glauben, sie hatte ihn bekommen, Adriano, der Schwarm aller jungen Frauen und Mädchen im Dorf. Jetzt gehörte er ihr, ihr ganz alleine. Sie sah sich um. Dort drüben, ja, dort würde Adriano ein Haus bauen, ihr Haus. Dort würden sie mit ihren Kindern wohnen. Glücklich und zufrieden, wie ihre Eltern, wie Juçara und Raimundo mit ihren Familien. Die Zukunft würde schön werden.

      Jaíra traf auf kein Verständnis, dass sie Adriano liebte und zu ihm ziehen wollte. Jeder riet ihr ab, alle wussten von Adrianos Frauengeschichten, die er überall herumposaunt hatte, nur sie hatte davon nichts erfahren. Selbst mit ihren Eltern und Hans hatte sie sich zerstritten und ging ihnen aus dem Weg.

      Mit langsamen Schritten ging Eduardo die staubige Straße entlang. Was er vorhatte, entsprach nicht seiner Natur, aber er musste einmal mit jemandem darüber reden, was ihm auf der Seele lag. Endlich erreichte er das Haus des Lehrers. Hans hatte ihn von Weitem gesehen