Irgendwann sehen wir uns wieder. Kristin Pluskota. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristin Pluskota
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738046335
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ersten Worte flüsterte er mir ins Ohr. Ich werde sie nie vergessen. “Jetzt bin ich vollständig.” Obwohl so viele Jahre vergangen waren, fühlte ich, dass mein Vater meine Mutter noch von ganzem Herzen liebte. Auch meine Mutter konnte das spüren, es war ein wunderschöner Augenblick. Wir waren wie eine richtige Familie. Doch Ariel musste so schnell es ging wieder zurück nach Marlos, denn die obersten Wächter waren schon auf dem Weg zu meinem Opa. Wenn sie meine Mutter nicht antreffen, würden sie das ganze Dorf vernichten. So hoffte mein Opa, dass die obersten Wächter alle verschonen und nur die Beiden mit nach Riso, der Hauptstadt von Marlos nehmen. Mein Vater konnte es nicht verstehen, er wollte, dass auch meine Mutter bei ihm bleibt. Er wollte sie nicht wieder verlieren, er würde uns beide beschützen. Mein Vater liebte meine Mutter über alles. Doch sie hatte keine Wahl, sie musste zurück nach Marlos zu meinem Opa. Ariel küsste mich auf die Stirn. Sie sagte mir, dass ich hier in Sicherheit wäre und dass mein Vater gut auf mich aufpasst. Es würde mich keiner finden, dafür würde sie Sorgen. Ich hatte Angst, aber ich musste sie gehen lassen. Bevor meine Mutter uns verließ, stellte sie meinem Vater einen Engel vor, der ab und zu nach uns schaute. Jedes Mal, wenn er uns besuchte, hofften wir auf eine Nachricht meiner Mutter, doch wir wurden immer wieder enttäuscht. Bis eines Tages uns der Engel erklärte, dass die Verbindung die er zu meiner Mutter hatte, abbrach. Er glaubte, dass die obersten Wächter sie getötet haben. Nur mein Vater und ich wollten das nicht wahr haben. Für uns waren sie am Leben. Die letzten Worte meiner Mutter waren. “Irgendwann sehen wir uns wieder.” Daran halte ich mich fest. Dann brachte der Wächter sie zurück nach Marlos. Doch hätte ich vorher gewusst, dass ich meine Mutter zum letzten Mal sehe, hätte ich sie nie gehen lassen.

      5.

      Mein Vater reiste mit mir von Stadt zu Stadt. Er hielt es für das Beste, sich nicht lange an einem Ort aufzuhalten. Er dachte, so würden uns die obersten Wächter nicht finden. Ich war froh, dass ich ihn hatte, deshalb war mir selbst das Reisen egal. Mein Vater zeigte mir so wunderschöne Orte. Ich stand vor den größten Wasserfällen, war auf den höchsten Bergen und tauchte in den schönsten Meeren. Ich ging nicht zur Schule, mein Vater brachte mir alles bei. Er war ein strenger Lehrer, aber ich liebte den Geschichtsunterricht, wir haben zum Beispiel nicht nur über die Chinesische Mauer gelesen, wir waren sogar da. Ich starrte meinen Vater mal wieder an, als er mir etwas vorlas. Ich musste an die Erzählungen meiner Mutter über ihn denken. Sie konnte ihn so gut nachmachen, wie er seine Brille immer wieder hochschiebt oder wie er sich nach zwei Sätzen räuspert. Aber auch, dass er auf alles eine Antwort wusste. Mein Vater zu einem Termin nie zu spät kam, eher war er eine halbe Stunde zu früh da. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen und manchmal vergaß ich sogar, dass ich ein Schutzengel bin. Wenn ich nachts wach wurde, wickelte er mich in meine Bettdecke ein und setzte mich auf einen Stuhl in die Küche. Kochte einen Kakao und erzählte mir Geschichten über meine Mutter. Sie fehlte uns sehr. Wenn mein Vater von ihr sprach, leuchteten seine Augen. Ich dachte viel über meine Mutter nach, ob es ihr gut ging oder wo sie gerade war. Mein Vater sagte mir, ich bräuchte keine Angst haben. Sie konnte schon immer gut auf sich allein aufpassen. Irgendwann wird sie vor der Tür stehen und dann sind wir alle wieder vereint. Ich sehnte mich nach ihren Umarmungen und ihrem Lachen. Wenn ich traurig war und sie vermisste, stellte mein Vater mich vor einem Spiegel. Er sagte dann immer, wenn du lange genug hineinschaust, wirst du sie sehen. Er hatte Recht, ihr Gesicht tauchte vor mir auf, dann konnte ich sie sogar spüren und ich wusste sie war am Leben. Mein Vater brachte mich oft zum Lachen, denn mein Lachen erinnerte ihn an meine Mutter und meine Nase. Ich war sehr froh, dass ich nicht seine Nase geerbt hatte. Ich hätte meine Fähigkeiten einem anderen Schutzengel übertragen können, um sterblich zu werden. Damit ich meinen Vater nie wieder verlassen müsste und wir in irgendeiner Stadt ein zu Hause finden würden. Doch dann würde ich meine Mutter, meinen Opa oder meine Freunde in Marlos nie wieder sehen. Vielleicht hätte ich mich jetzt anders entschieden. Als wir uns wieder auf den Weg in die nächste Stadt machen wollten, bekam mein Vater eine Nachricht. Sie stammte von meinem Opa. Ich war froh von ihm zu hören, doch es war eine traurige Nachricht.

      Die obersten Wächter wussten von mir, ich sei bei meinem Vater nicht mehr sicher. Er sollte mich zu Freunden meiner Mutter bringen, die könnten mich besser beschützen und verstecken. Es viel meinem Vater schwer mich gehen zu lassen, hatten wir uns doch erst kennen gelernt. Auch ich wollte ihn nicht verlassen, doch es blieb mir nichts anderes übrig. Die Wächter würden meinen Vater nicht verschonen. Er weiß zu viel über Schutzengel und die andere Welt. Immer wieder musste ich mich von geliebten Menschen verabschieden. Wann hatte das ein Ende? Wir wollten noch einmal mit meinem Opa reden, vielleicht hätte man eine andere Lösung finden können. Doch wir konnten ihn nicht erreichen. Wir hatten nur diese eine Nachricht und wir mussten sie befolgen. Wir waren in großer Gefahr. Mein Vater brachte mich zu Maggie und John, zwei Wächtern, die auf der Erde leben. Maggie war meiner Mutter zugeteilt. Sie brachte Ariel damals zu meinem Vater auf die Erde. Schutzengel und Wächter haben eine enge Verbindung. Meine Mutter hatte Maggie von den Gefühlen zu meinem Vater erzählt. Auch sie war gegen diese Bindung, aber Maggie hätte meine Mutter nie gemeldet. John ist mit Maggie verheiratet, auch er kannte meine Mutter. Die Verbindung zu den Beiden brach, als Ariel mit mir schwanger wurde und zurück nach Marlos musste. Mein Opa, Palu hatte Maggie und John nichts von der Schwangerschaft erzählt. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen. Denn jeder Mitwissende würde vom Rat hart bestraft werden. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als die Beiden um Hilfe zu bitten. Denn mein Opa hoffte, dass ich bei ihnen in Sicherheit war. Maggie und John hatten die Fähigkeit, Erinnerungen an meine Kindheit in Marlos und das Leben auf der Erde aus meinem Kopf zu löschen. Das sollte uns alle retten. Als ich bei meinem Vater lebte, setzte ich zwar nicht meine Fähigkeiten ein, trotzdem fanden die obersten Wächter heraus, wo ich mich aufhielt. Nicht nur die Erinnerungen an meine Mutter, meinen Vater oder meinen Opa verschwanden, auch meine Fähigkeiten. Maggie und John wussten nicht wie lange, doch es würde reichen um die Wächter zu täuschen.

      6.

      Ich lebe jetzt seit zehn Jahren bei Maggie und John. Ich liebe die Beiden, doch seitdem ich weiß, dass ich ein Schutzengel bin, vermisse ich meine leiblichen Eltern. Ich habe Maggie schon öfter angefleht, meinen Vater zu suchen. Ich würde ihn gerne wieder sehen. Aber Maggie hielt es für zu gefährlich, ihn zu treffen. Doch sie stellte Nachforschungen an. Eines Abends, ich habe gerade Hausaufgaben gemacht, kam Maggie in mein Zimmer, sie nahm mich ohne ein Wort zu sagen in den Arm. Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, aber damit habe ich nicht gerechnet. Die obersten Wächter haben meinen Vater gefunden, sie dachten ich wäre bei ihm. Sie haben ihn gefoltert, aber er hat ihnen nichts verraten. Maggie hätte nicht weiter sprechen müssen, ich konnte in ihrem Gesicht lesen, dass die obersten Wächter meinen Vater getötet haben. Tagelang habe ich mich in mein Zimmer eingeschlossen und wollte niemanden sehen. Er ist meinetwegen gestorben. Das Verlangen meine leibliche Mutter wieder zu sehen wurde von Tag zu Tag immer größer. Ariel musste noch am Leben sein, es besteht eine Verbindung zwischen uns, ich konnte sie fühlen. Aber es geht ihr nicht gut, sie braucht meine Hilfe. Ich konnte nicht auch noch meine Mutter verlieren. Doch jedes Mal, wenn ich mit Maggie und John darüber reden möchte, hören sie mir gar nicht richtig zu oder es artet in einem Streit aus. “Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendetwas passiert. Hier kann ich dich beschützen.“ Ich schüttele den Kopf. “Du brauchst mich nicht mehr beschützen, ich kann selber auf mich aufpassen. Ariel braucht meine Hilfe, ich kann es fühlen.” Maggie wird sauer. “Selbst wenn es so wäre, würden wir nie zulassen, dass du dich auf die Reise nach Marlos begibst. Die obersten Wächter würden dich aufspüren, sobald du da ankommst. Dann wäre alles umsonst gewesen.” Bevor ich noch etwas erwidern kann, verließ sie das Zimmer. Ich weiß, dass die Beiden damit Recht haben, aber ich konnte dieses Gefühl nicht mehr unterdrücken. Ich kenne diese andere Welt nicht mehr, nur aus Erzählungen von Maggie und doch zieht mich alles nach Marlos. Maggie und John haben mir verboten, auch nur daran zu denken.

      Damals im Bunker hat John mir