Der Teufel von London. Susanne Danzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Danzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745067200
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sich augenscheinlich niemand auf.

      Nach kurzer Suche fand er ein halbgeöffnetes Fenster, dessen Riegel sich so weit zurückschieben ließ, dass er es vollends aufdrücken konnte.

      »Was tun Sie denn da?«, fragte ihn Celeste irritiert. »Sie wollen doch nicht etwa einbrechen, oder? Primes, das können Sie doch nicht tun.«

      Er schmunzelte und drückte seine aufgerauchte Zigarette mit dem Absatz seines Schuhs aus.

      »Wissen Sie, Celly, genau das habe ich vor. Das Gesetz gestattet mir, die Wohnung zu durchsuchen ... auch ohne richterlichen Beschluss«, erklärte er kurz, während er sich bereit machte hineinzuklettern, und fügte hinzu: »Nämlich immer dann, wenn Gefahr im Verzug ist. Will mich jemand begleiten?«

      Celeste und auch Harrington winkten ab.

      »Ich bin unpassend gekleidet«, erwiderte sie ironisch. »Hätte ich gewusst, dass ich heute als Einbrecherin fungieren soll, hätte ich mich entsprechend angezogen. So muss ich leider passen, wenn ich mich nicht mit meinen Röcken verheddern und verhängnisvoll stürzen will.«

      »Gut, dann stehen Sie Schmiere und geben mir ein Zeichen, sollte der Mann kommen«, wies er Abigails Vater an, stemmte sich am Fensterrahmen hoch und kletterte mit erstaunlicher Behändigkeit in die Wohnung.

      »Ich glaube, Sie haben das schon öfter getan«, hörte Primes Celeste hinter sich herrufen und konnte sich ob ihrer Worte ein Grinsen nicht verkneifen.

      Bisher hatte sich niemand um sie gekümmert, obwohl sie sich nicht gerade unverdächtig benahmen. Die übrigen Bewohner des Hinterhauses schienen sich ganz allgemein nicht um die Angelegenheiten anderer Menschen zu kümmern.

      Primes hatte einen ausgezeichneten Riecher, weshalb er nicht allzu lange suchen musste, um die Laboratoriumsgerätschaften zu finden, mit denen das Rohopium weiterverarbeitet wurde. Verstreut auf dem Boden fand er genügend weiteres Beweismaterial.

      Er wusste, dass er zumindest eine der Werkstätten gefunden hatte, die die Drogenhändler benutzten. In einer Ecke lag sogar noch das Papier, das zum Verpacken der Päckchen verwendet wurde. Es lag direkt neben einem Ofen. Offensichtlich wollte der Bewohner dieser billigen Absteige es darin verbrennen. Womöglich um Beweise zu vernichten. Alles andere wäre unsinnig gewesen.

      Primes hielt sich nicht mit dem Packpapier auf, sondern setzte seinen Rundgang durch den Raum fort. Auf einem Tisch fand er ein Briefkuvert, das seine Neugier weckte. Es war an einen Mister Sullivan adressiert – vermutlich der Mieter der Kellerwohnung.

      Allerdings schenkte ihm Primes keine weitere Aufmerksamkeit. Stattdessen öffnete er die einzige geschlossene Tür in der Wohnung und warf einen Blick in den Raum dahinter. Im Halbdunkel erkannte er ein unordentliches Bett und davor zwei Katzen, die bei seinem Auftauchen zu fauchen begannen.

      »Dummes Viehzeug«, murmelte er und war froh, dass Celly ihn nicht gehört hatte. Ganz bestimmt hätte sie ihn dafür gerügt und ihn einen Unhold genannt.

      Schließlich hatte er genug gesehen und stieg durch das Fenster wieder hinaus, durch das er hereingekommen war.

      Celeste und Mister Harrington sahen ihn erwartungsvoll fragend an.

      »Ihre Tochter befindet sich nicht hier«, erklärte Primes. »Aber das haben wir uns ja schon gedacht. Wir werden weiter nach ihr suchen müssen. Hoffen wir mal, dass sie keine Dummheit begangen und stattdessen ihren Verstand benutzt hat.«

      Gemeinsam gingen sie zur Kutsche zurück und Primes sah sich nach einem Bobby um. Es dauerte nur zehn Minuten und ein Mann in schwarzer Uniform mit typischer Kopfbedeckung kam auf seinem Patrouillengang um die Ecke des Straßenzuges. Primes hielt ihn auf.

      »Detective Inspector Primes, Scotland Yard«, stellte er sich knapp vor und hielt dem Constable dabei seine Dienstmarke vor die Nase. »Ich habe eine Aufgabe für Sie.« Er deutete auf das Haus mit dem Hintereingang. »Sorgen Sie dafür, dass sich meine Kollegen von der Spurensicherung die Kellerwohnung im Hinterhof genauestens anschauen. Ein Fenster steht auf. Und sagen Sie denen, sie sollen sich beeilen.«

      »Verstanden, Sir! Ist das alles, Sir?«, erwiderte der Mann diensteifrig.

      »Nein. Anschließend werden Sie hier warten. Achten Sie mir darauf, ob der Mieter der Wohnung zurückkommt. Und sehen Sie sich vor, Constable, der Bursche ist vermutlich gefährlich. Verstanden?«

      »Jawohl, Sir!« Der Bobby nahm Haltung an, salutierte und wollte sich schon auf den Weg machen, als ihn Primes zurückhielt.

      »Noch etwas! Das Archiv soll nachsehen, ob etwas über diesen Sullivan, der dort haust, bekannt ist.«

      »Wird gemacht, Sir!«

      ***

      Kaum war der Constable um die nächste Ecke verschwunden, kletterte Primes auf den Kutschbock zurück. Gemeinsam mit Celeste und Abigails Vater machte er sich auf die Suche nach dessen Tochter. Große Hoffnungen machte er sich allerdings nicht. Das Mädchen konnte überall in London sein. Genug Verstecke und Unterschlupfe gab es hier. Wenn jemand in dieser Stadt nicht gefunden werden wollte, dann wurde er auch nicht gefunden.

      Für ihn war Abigail zu clever. Sie hatte sich erst nach exemplarischer Prügel durch ihren Vater bereitgefunden, diesem die Wahrheit zu gestehen.

      Und Primes sollte damit recht behalten. Es war ihnen nicht möglich das Mädchen ausfindig zu machen, obwohl sie in jeder Spelunke nachsahen, die sie entdecken konnten. Nur in einem Laden trafen sie ein junges Ding, das dort zu schlafen pflegte, nachdem man es zu Hause hinausgeworfen hatte.

      Schließlich gaben Celeste und Primes es auf und auch Abigails Vater blieb nichts anderes übrig, als diesen Fehlschlag einzugestehen, auch wenn die Sorge um sein Kind stetig anwuchs.

      Sie brachten Mister Harrington noch nach Hause, da sie ohnehin nichts mehr ausrichten konnten, und baten darum, sie sofort zu informieren, wenn seine Tochter wieder auftauchte. Nachdem sie ihn abgesetzt hatten, fuhren sie zum Yard zurück.

      Kapitel 8

      Inzwischen befand sich Charles Morrison auf der Fahrt nach ›Chelmsford‹. Er hatte es sich gut überlegt. Wenn er aus seinem Wissen Kapital schlagen wollte, musste er mit Miss Thompson sprechen. Schließlich war sie es, welche die Männer kannte, die mit dem Opium handelten.

      Die schwere Dampflok lief mit ihren wenigen Wagons kurz vor Mittag in der Stadt ein.

      Da er hier nicht auskannte, blieb ihm nichts anderes übrig als sich eine Mietdroschke zu nehmen, von denen einige vor dem Bahnhof auf zahlende Kundschaft warteten. Er gab dem Kutscher die Adresse an, die er auf dem Briefumschlag von Miss Thompson gefunden hatte, nicht ahnend, was für ein Haus das war.

      Kaum hatte er ausgesprochen, wandte sich ihm der backenbärtige Mann auf dem Kutschbock verwundert zu.

      »Wollen Sie dort jemanden besuchen? Sie wissen, dass Sie das nur am Nachmittag können? Oder haben Sie einen anderslautenden Bescheid bekommen?«

      Er verneinte und versuchte seine Irritation zu verbergen.

      »Ich kann Sie natürlich schon jetzt hinbringen, Sir«, meinte der Kutscher lächelnd. »Ist aber eine ziemlich trostlose Gegend. Einen Pub suchen Sie in Ecke vergebens. Sie werden höchstens spazieren gehen können.«

      Charles war es gleich. Er wusste nun, dass es sich um ein staatliches Sanatorium handelte, was ihn nicht überraschte – schließlich hatte Miss Thompson ja in ihrem Geständnis zugegeben, dass sie süchtig war. Offensichtlich versuchte sie sich von ihrer Sucht zu befreien und hatte sich deshalb in Behandlung begeben. Frauen waren schwache Geschöpfe und brauchten jedwede Unterstützung und Führung, die sie bekommen konnten.

      Mit einigem Kummer bemerkte er, wie schnell sein Bargeld unter seinen Händen verschwand, und er entschloss sich, in Zukunft lieber zu Fuß zu gehen, anstatt sich eine teure Mietdroschke zu leisten. Immerhin hatte er sich inzwischen herrlich bequeme neue Schuhe beschafft.

      Als er endlich vor dem Gebäudekomplex stand, bedauerte er allerdings, nicht auf den Fahrer gehört zu haben.

      Er