Der Teufel von London. Susanne Danzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Danzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745067200
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Selbstbewusstsein eingebüßt. Er zitterte am ganzen Körper, als Primes ihm gegenüber Platz nahm.

      »Sie wollen also gestehen?«, fragte er ihn. »Wenn Sie uns helfen, die Verbrecher zu fassen, können Sie auf milde Behandlung und meine Fürsprache hoffen.«

      Der Mann starrte zu Boden.

      »Es ist nicht viel, was ich Ihnen mitteilen kann. Sie werden es mir kaum glauben, aber ich wollte das Zeug zurückbringen.«

      Primes ließ einen Stenotypisten kommen, um sich nichts von dem Geständnis entgehen zu lassen. In diesem Fall war es besser auf Nummer sicher zu gehen.

      »Mein Name ist Harrington und ich habe das Päckchen tatsächlich zurückbringen wollen. Das schwöre ich, beim Grabe meiner Großmutter«, begann er, sobald sich der Polizeischreiber gesetzt hatte und zum Protokollieren bereit war. »Ich habe in der letzten Zeit bei meiner Tochter eine Veränderung bemerkt und bin der Sache nachgegangen. Ich war besorgt. Sie arbeitete plötzlich nicht mehr und hatte doch viel mehr Geld als üblich zur Verfügung. Angeblich sei sie krank, zumindest hat sie mir das gesagt. Zum Arzt wollte sie jedoch nicht. Na ja, das ist ja ohnehin alles nicht wahr gewesen. Schuld an allem sind diese jungen Burschen, mit denen sie zu meinem Leidwesen zusammensteckt. Sie müssen wissen, meine Frau ist schon vor einigen Jahren an Tuberkulose verstorben, und ich habe mein möglichstes getan, meine Tochter allein groß zu ziehen. Doch wenn ich früh morgens zur Arbeit gehe und erst am späten Abend zurück bin ... wie soll ich da auf sie aufpassen?« Er sah Celeste und Primes entschuldigend an und ein Ausdruck von Bedauern huschte über seine Züge. »Die jungen Leute nennen sich selbst ›Sailors‹.« Harrington nahm noch einen Zug von seiner Zigarette, warf sie auf den Boden und trat sie aus. »Gestern fand ich bei ihr dieses Päckchen. Ich wollte von ihr wissen, was es ist, obwohl ich es mir denken konnte, und warum sie es in ihrem Zimmer versteckt. Zugegeben, ich war sehr hart zu ihr. Abigail verriet mir dann alles, wenn auch sehr widerstrebend. Sie hatte das Päckchen angeblich von einem Mann bekommen. In zwei Tagen sollte sie es einem ihrer zwielichtigen Bekannten übergeben und dafür ein Pfund bekommen. Das ist etwas viel für die Besorgung eines Päckchens, das müssen Sie doch zugeben, Inspector. Ich habe nicht eher Ruhe gegeben, bis ich die ganze Wahrheit erfahren hatte.«

      »Dann lassen Sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben, Mister Harrington«, forderte ihn Primes auf und schob dem Mann eine weitere Zigarette zu.

      »Sie erzählte mir, dass sie bereits mehr als ein Dutzend Mal solche Päckchen abgeholt und dem Mann übergeben hat, der sie dafür bezahlte. Sie wusste, dass sich darin Rohopium befand, das in verarbeiteter Form in dem Lokal geraucht wird, zu dem sie es jedes Mal bringen sollte.« Er stockte ein wenig ehe er weitersprach. »Ich habe mir nicht zu helfen gewusst und sie geschlagen, weil ich unbedingt erfahren wollte, wer ihr das Päckchen übergeben hatte, und wer sie dafür mit diesem schmutzigen Geld bezahlte.« Er sah Celeste traurig an. »Nie zuvor habe ich die Hand gegen meine Tochter erhoben. Glauben Sie mir, bitte.«

      »Ich glaube Ihnen, Mister Harrington«, nickte Celeste mitfühlend.

      »Abigail hat von mir Hausarrest bekommen. Ich habe anschließend den Mann aufgesucht. Ich wollte ihn zwingen, meine Tochter nicht mehr mit solchen Dingen zu bedrängen. Er sollte sie in Ruhe zu lassen und nie mehr wiedersehen. Was dann geschehen ist, können Sie ja sehen. Man hat mich zusammengeschlagen.«

      Auch Primes glaubte dem Mann jedes Wort.

      »Und wer war der Mann, dem Sie das Päckchen zurückbringen wollten?«

      »Abigail kannte leider seinen Namen nicht, aber sie hat ihn mir genau beschrieben. Er ist nicht zu übersehen, denn er trägt immer einen dunklen Anzug und eine Melone. Ich traf mit ihm in einem Lokal im Hafen zusammen. Zu meinem Pech war er nicht allein, sondern in Begleitung von ein paar Schurken mit lockeren Fäusten.« Er warf dem Inspector einen Hilfe suchenden Blick zu. »Sie werden doch Abigail nichts tun? Sie ist noch ein Kind, gerade fünfzehn. ... Wissen Sie, ich verstehe die Jugend einfach nicht mehr. Was ist nur aus ihr geworden?«

      »Wir werden sehen, was wir für Ihre Tochter tun können, Mister Harrington«, sagte Primes ruhig. »Wenn sie Ihre Angaben bestätigt, werden wir Sie laufen lassen. Wir haben kein Interesse daran einer Fünfzehnjährigen zu schaden und ihr damit die Zukunft zu verbauen.«

      Harrington hatte eine weitere Sorge.

      »Die Burschen haben mir gedroht, dass sie mich umbringen, wenn ich mich an die Polizei wende. Ich habe keinen Grund an ihren Worten zu zweifeln, denn sie hielten nur inne, weil dieser Kerl mit der Melone es ihnen befohlen hatte. Sie behaupten, dass meine Tochter ziemlich tief in der Sache steckt. Ich habe Angst. Nicht allein um mich, sondern mehr um meine Tochter. Sie ist alles, was mir noch geblieben ist.« Er blickte betrübt drein. »Sie werden meinen Namen doch nicht weitergeben? Ich will gerne das Richtige tun, doch es darf Abigail nicht in Gefahr bringen.«

      »Nein, wir behalten Ihre Informationen für uns und behandeln sie diskret. Darauf können Sie sich verlassen«, versprach Celeste, nachdem sie einen kurzen Blickwechsel mit Primes geführt hatte.

      »Ich denke nicht daran, Ihre Schwierigkeiten noch zu vergrößern«, nickte ihm Primes lächelnd zu. »Wissen Sie, Mister Harrington, ich bin froh darüber, dass Sie sich doch noch dazu entschlossen haben offen mit uns zu reden.«

      Kapitel 6

      In der Pension in ›Bromley‹ fühlte sich Charles Morrison ziemlich sicher. Er war überzeugt, dass ihm niemand gefolgt war. Keiner hatte ihn in der Villa von Mister Brownhill beobachtet und London war groß. Es wäre reiner Zufall, wenn er den Verbrechern noch einmal über den Weg laufen würde.

      Sorgfältig hängte er seine neuen Anzüge auf, um Knitter zu vermeiden, und durchsuchte bei der Gelegenheit gleich sämtliche Taschen.

      Dabei fand sich ein Brief. Neugierig wie er war, faltete er das Blatt Papier auseinander und ließ seinen Blick über die Zeilen gleiten.

      Er musste ihn mehrmals lesen, ehe er den Inhalt verstand. Stirnrunzelnd nahm er das Bildnis der jungen Dame aus der Tasche und verglich die Unterschriften.

      Eindeutig: Der Brief stammte von ihr.

      Nachdenklich legte er ihn zum Geldbeutel auf den Tisch vor ihm. Langsam löste sich das Rätsel von selbst.

      Diese Florence Thompson interessierte ihn sehr und das nicht nur, weil sie eine ausgesprochene Schönheit war. Offensichtlich führte sie etwas im Schilde und deshalb musste sie was im Köpfchen haben.

      Vorsorglich hatte er die Tür abgeschlossen, weil er nicht gestört werden wollte. Unangekündigten Besuch konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Immerhin hatte er beschlossen, sich seine ganzen ›Fundstücke‹ etwas genauer anzusehen.

      Die Metallkassette leistete seinem Messer heftigen Widerstand. Prompt war dessen Spitze mit einem klirrenden Geräusch abgebrochen. Er hatte die Klinge zur Hand genommen, nachdem er am Schlüsselbund nach einem passenden Schlüssel gesucht, aber keinen gefunden hatte. Er vermutete, dass sich der richtige in einer Schreibtischschublade von Mister Brownhill befand.

      Da er unbedingt wissen wollte, was sich in der Kassette befand, verließ er noch einmal die Pension, um sich einen Schraubendreher und einen Hammer zu besorgen. Zur Not würde es ein Meißel tun. Irgendwie würde er schon an den vermaledeiten Inhalt kommen. Schließlich musste etwas Wichtiges darin aufbewahrt sein, wenn er in einer Stahlkassette verborgen war, die sich ohne Schlüssel kaum öffnen ließ. Jedenfalls genügte es, um seine Neugier weiter anzuheizen.

      Um an das Werkzeug zu kommen, wählte er ein kleines Geschäft in einer abseits gelegenen Nebenstraße. Mit dieser Gerätschaft konnte er die Kassette öffnen, wenngleich es einer gewissen Kraftanstrengung bedurfte. Doch seine stille Hoffnung, darin Bargeld oder teuren Schmuck zu finden, wurde bitter enttäuscht.

      In der Kassette befanden sich nur irgendwelche Papiere. Er wollte sie schon achtlos beiseitelegen, als ihm der Name Florence Thompson ins Auge stach.

      Erneut flammte seine Neugierde auf und er begann aufmerksam zu lesen. Je mehr er las, desto überraschter war er, als sich ihm die Zusammenhänge erschlossen.

      Ihm