Sinja und der siebenfache Sonnenkreis. Andreas Milanowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Milanowski
Издательство: Bookwire
Серия: Sinja
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748596837
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berichteten Cichianon und Doriando ausführlich von ihrem Ausflug nach Ildindor. Sie erzählten von der Versammlung des Rates in Gildanmirs Halle. Sie beschrieben die rätselhaften Verteidigungsanlagen, die die Elfen errichtet hatten, um ihre Hauptstadt zu schützen. Sie schilderten die Vorgänge vor dem Stadttor und beschrieben Mauern, die nicht wie Mauern aussahen, Türme, die keine Türme waren und Elfen, die in Ildindor in einem verwunschenen Zauberwald lebten, ähnlich wie die in Engil. Nur waren sie dort viel mehr an Zahl und der Wald von Ildindor um ein Vielfaches größer und geheimnisvoller. Doch was die vielbesungenen, im Mondlicht glänzenden Türme der Stadt anging: es gab sie nicht! Nicht in den Bäumen und nicht dazwischen, nicht davor und nicht dahinter. Es gab die Türme von Ildindor lediglich in der Fantasie des Betrachters. Wie sie es schafften, dass der Fremde, sich Nähernde, diese Bilder zu sehen bekam, das hatten die Mitglieder des Rates den beiden Elfenmännern nicht verraten wollen. Warum sie es taten, sehr wohl.

      „Das ist alles unwirklich, nur Trugbilder?“ Gamanziel war sichtlich erschüttert. „Und die ganzen Geschichten, die sich um Ithildim faelen, die Mondbeglänzte ranken? Alles Lügen, alles erfunden? Aber von wem? Warum?“

      „Wer die Legenden in die Welt gesetzt hat, die sich um das alte Ildindor drehen, das haben sie uns nicht erzählt“, sagte Cichianon. „Vielleicht war das Teil ihres Plans, vielleicht weiß es einfach auch niemand mehr. Viele der alten Geschichten sind ja mittlerweile vergessen.“

      „Was sie uns allerdings erzählt haben“, setzte Doriando fort, „das ist, dass die Anlage während der Zeit des großen Reiches unter den Elfenkönigen errichtet wurde zum Schutz vor Angriffen aus dem Norden.“

      „Aus dem Norden?“, fragte Emelda ungläubig. „Wer sollte das Elfenreich aus dem Norden angegriffen haben? Es gab dort nichts, außer Wasser und Eis und ein paar kümmerliche, karge Inselchen!“

      „Ja, das dachten wir auch“, antwortete Cichianon, „doch auf diesen Inselchen lebte das Volk der Eismänner.“

      „Die Seefahrer? Sind sie übers Meer gekommen?“

      „Nein! Über Land“, sagte Doriando. „Der Weg übers Meer war zu weit. Jedenfalls wurden deswegen die Schutzanlagen gebaut.“

      „Hinandua konnte oder wollte uns nicht sagen, wie die Wissenschaftler der Elfen die Geheimnisse entschlüsselt haben, doch sie wussten wohl einiges über Elektrizität.“

      „Keine Magie?“, fragte Gamanziel.

      „Nein!“, antwortete Cichianon, „Jedenfalls nicht nur. Es war wohl beides im Spiel, Magie und Wissenschaft. Doch als das große Reich zerfiel und die Menschenkönige die Macht übernahmen, ging das alte Wissen der Elfen verloren. Erst nach dem Ende der mittleren Zeit, der Zeit des Interregnums, als Menschen und Elfen endlich ihre alte Feindschaft begraben hatten und begannen, gemeinsam in Fasolanda zu herrschen, war es den Elfen möglich, die verstreuten Teile des alten Wissens Stück für Stück wieder zusammen zu tragen und die alte Anlage zu erneuern. Hinandua hat viel von seinen Reisen mitgebracht.“

      „Wovor haben sie Angst?“, fragte Amandra.

      „Du meinst heute?“, fragte Cichianon. „Sie haben Angst davor, dass ihnen das Gleiche widerfährt, wie Fasolanda im letzten Krieg gegen den Unerhörten.“

      Sinja lauschte, obwohl sie einen Teil der Geschichte schon kannte, gebannt den Worten der beiden. Amandra tat mehr oder weniger unbeteiligt.

      „Ich kenne das!“, antwortete sie auf Emeldas Frage, ob sie denn nicht auch beeindruckt sei, von dem, was Cichianon und Doriando zu berichten hatten. „Ich war schon früher in Ildindor. Meine Lehrerin Analuna lebte dort eine Zeit lang, bevor sie nach Fasolanda zog und ich ging regelmäßig zu ihr, um alles zu lernen über das Singen und die Medizin. Die Türme von Ildindor habe ich, als ich sie zum ersten Mal sah, genauso bewundert wie ihr. Es ist eine geniale Konstruktion, oder?“

      „Ja, das ist es“, sagte Doriando, „Cichianon hat eine ganze Zeit lang den Mund nicht mehr zugekriegt. Wenn ich ihn nicht dort weggezogen hätte, würde er wahrscheinlich immer noch auf der Treppe stehen und die Türme anglotzen!“

      23 (22/2)

      „Lasst uns jetzt mal zu den wichtigen Dingen kommen“, forderte Emelda, „Cichianon, du hast eben erzählt, dass es im Rat einen Streit gab. Was war da los? Worum ging es?“

      „Das will ich euch erzählen. Es gibt in Ildindor offenbar einige maßgebliche Leute, die gehört haben, der Unerhörte sei zurück. Sie fürchten sich davor, dass er wieder erstarken könnte und wollen die Sache jetzt und sofort mit dem Schwert lösen. Gisandela hat für diese Leute gesprochen und uns feige und wankelmütig genannt, weil wir nicht bereit waren, die Waffen zu ergreifen und nach Fasolanda zu ziehen. Ich halte das für Unsinn und das habe ich dort auch gesagt.“

      „Na ja“, warf Doriando ein und lachte, „es klang dort ein kleines bisschen anders!“

      „Ja, schon gut“, entgegnete Cichianon genervt, „ich weiß, dass du von diplomatischen Floskeln nicht so viel hältst, aber man muss sich dort nun mal ans Protokoll halten. Jedenfalls hat Gisandela nach der Sitzung voller Hass den Saal verlassen und ist mit Ferendil verschwunden.“

      „Sie hat das Schwert von Ildindor an sich genommen?“, fragte Emelda erschreckt.

      „Ja, sie verließ damit die Halle. Seltsamerweise muss sie dann aber bei der Zeremonie vor dem Stadttor wieder dabei gewesen sein. Es waren zehn Ratsmitglieder und vor dem Tor waren zehn Kapuzenleute anwesend. Allerdings hatte keiner von denen ein Schwert dabei. Das hätten wir mitgekriegt“, stellte Doriando fest.

      „Das heißt, ihr habt gar nicht gesehen, wer die zehn vor dem Tor eigentlich waren?“, fragte Gamanziel.

      „Nein! Sehen konnten wir sie nicht, weil sie alle ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen hatten. Da es aber zehn Ratsleute waren und zehn Kapuzenmänner, sind wir davon ausgegangen, dass es sich bei den Kapuzenmännern und den Ratsmitgliedern um die gleichen Personen handelte.“

      „Also außer der zahlenmäßigen Gleichheit habt ihr gar keine Beweise, dass sie es waren. Sehe ich das richtig?“, fragte Emelda.

      „Fast!“, antwortete Cichianon. „Hinandua hat von den zehn Ratsmitgliedern gesprochen, die die Abkürzung genommen haben.“

      „Aber gesehen habt ihr sie nicht. Dann könnte das auch sonst wer gewesen sein, stimmts?“

      „Möglicherweise!“

      „Aha! Dann muss Gisandela aber nicht zwingend vor dem Tor dabei gewesen sein.“

      „Muss nicht!“

      „Es kann also durchaus sein, dass sie sich gar nicht mit den anderen Ratsmitgliedern ausgesprochen hat und mit dem Schwert Ferendil ganz woanders hingegangen ist?“

      „Du meinst, Hinandua hat uns belogen? Warum sollte er das tun? Nein, Emelda! Das ist nicht möglich. Nachdem Charles Ray Wonder uns in die Stadt eingelassen und zum Baum des Rates begleitet hatte, haben wir dort alle zehn Ratsmitglieder wiedergetroffen.“

      „Hatte Gisandela das Schwert dabei?“

      „Nein, natürlich nicht. Ich gehe davon aus, dass sie es nach der Ratssitzung zurückgebracht hat in die Halle der Ahnen!“

      „Du gehst davon aus, aber sicher bist du nicht?“

      „Jetzt reicht´ s aber mit diesem Verhör. Sag mal, worauf willst du eigentlich hinaus?“, fragte Cichianon verärgert.

      „Oh, ich denke, ich weiß, worauf sie hinaus will“, versuchte Ferendiano zu beschwichtigen. „Wollen wir den Teufel mal nicht an die Wand malen, Emmi!“

      „Ich male nicht, mein Lieber“, entgegnete Emelda erneut, „sei nicht kindisch! Wenn ich das richtig verstehe, dann sollen wir doch jetzt unsere Rucksäcke packen und nach Fasolanda ziehen. Ich will nur wissen, woran ich bin und womit ich zu rechnen habe, bevor ich mich auf so ein Unternehmen einlasse. Ihr wisst, dass der Unerhörte keine Gefangenen macht und wenn