Ein ganzes Leben Ewigkeit. Hans Muth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Muth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748590750
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      „So, Ihr Rasselbande, wir können.“ Caroline ließ sich vor den beiden in die Hocke gleiten und nahm erst Emma und dann sofort Fabian in die Arme und drückte sie an sich. Sie waren ihr ganzer Stolz, ihr ganzes Glück. Sie hatten ihr über vieles hinweggeholfen in den beiden vergangenen Jahren, seit sie zum ersten Mal feststellen musste, dass ihr Ehemann Erwin sie betrog.

      Vielleicht hätte sie ihm verziehen, doch als sich herausstellte, dass es keine einmalige Sache gewesen war, ja, nicht einmal dieselbe Frau war, der er sich unter den vielfältigsten Ausreden zugewandt hatte, da wollte sie nicht mehr. Sie hatte ihn zur Rede gestellt und noch während seiner Ausflüchte seine Koffer gepackt und vor die Tür gestellt.

      Mit diesem Tag begann ein Nervenkrieg. Unterhaltszahlungen, die er anfänglich verweigerte und der Streit um das Sorgerecht zermürbten die Einunddreißigjährige. Erst als sie das Gericht die alleinige Erziehungsgewalt zugesprochen hatte, legte sich ihr Herzrasen, kam wieder Leben in den zarten Körper. Sie war so glücklich, dass sie Erwin sogar zugestand, einmal im Monat die Kinder zu sehen. Ja, er durfte sie sogar zu sich nehmen und einen ganzen Tag mit ihnen verbringen.

      Caroline schüttelte den Kopf mit den blonden langen Haaren, als wolle sie all die schlimmen Erinnerungen der Vergangenheit einfach von sich schleudern, ihre grünblauen Augen schimmerten feucht.

      Ohne eine weitere Aufforderung sprangen Fabian und Emma auf die Rückbank des kleinen Peugeot. Das Auto war genau richtig für Caroline. Klein, erst drei Jahre alt und wenig gefahren. Und es war finanziell erträglich, ein ganz wichtiger Aspekt.

      Mit dem Geld von Erwin kamen sie und die beiden Kinder gerade so über die Runden. Und ab und zu griffen ihr Rafael und Juli unter die Arme. So konnte sie sich das kleine Auto leisten und war mobil und unabhängig, denn, so weit entfernt vom Zentrum der Stadt, das wäre kaum möglich ohne Fahrzeug. Und die Halbtagsstelle als Kassiererin in einem Supermarkt in der Innenstadt wollte sie auch nicht aufs Spiel setzen.

      Aber das Wohnen hier im Stadtteil Dornbusch mit seinen zum Teil fast schon ländlichen Vorzügen, das wollte sie nicht missen. Bevor Caroline das Auto startete und sich mit einem Blick nach hinten vergewissert hatte, dass auch die beiden Kinder angeschnallt waren, warf sie einen letzten Blick auf das Haus, in dem sie einen großen Teil ihres Lebens verbracht hatte.

      Es war ein altes Haus. Oma Emilie hatte es mit ihrem Otto in den fünfziger Jahren gebaut. Jeden Pfennig hatten sich die beiden vom Mund abgespart, wie oft hatte Emilie darüber gesprochen. Und vielleicht gerade deshalb war allen, auch Juli und Rafael, das Haus so ans Herz gewachsen.

      Und es war ein großes Haus. Emilie hatte darauf gedrängt, dass ausreichend Zimmer vorhanden sein sollten. „Wir wollen doch, dass unsere Kinder es lange bei uns aushalten. Glaube mir, Otto, wenn sie einen Bereich für sich alleine haben, wird die Familie lange zusammenbleiben.“

      Otto war da völlig anderer Meinung gewesen. „Wenn Kinder flügge werden, müssen sie das Nest verlassen“, pflegte er zu sagen. „Wenn sie mal nur in unserer Nähe bleiben.“

      Aber Emilie hatte auf der Größe des Hauses bestanden, so, wie sie es sich in den Kopf gesetzt hatte und hatte ihren Willen durchgesetzt. Heute wohnte Emilie mit dem Familienclan auf drei Ebenen. Sie selbst wohnte im Erdgeschoss. Sie hatte das Vorrecht der Älteren erhalten. Kein Treppensteigen, den Garten gleich vor ihrer Eingangstür.

      Juli wohnte mit Rafael im ersten Stock und Caro mit den Kindern in der oberen Etage. Auch wenn einige Zimmer im so genannten Kniestock einige Schrägungen aufwiesen, Caro hatte das Beste daraus gemacht und war für jeden Zentimeter dankbar.

      Caroline lächelte.

      „Wie recht Emilie hatte. Was würde ich heute wohl machen, wenn hier kein Platz für mich und die Kinder wäre?“

      Ihr Blick streifte noch einmal das Gebäude, das im Kellerbereich aus kräftigem Sandstein gemauert war. Darüber waren eineinhalb Stockwerke aufgebaut und einen runden Erker zur Südseite hin gab es auch. Einen Dachboden im herkömmlichen Sinne gab es nicht, in den kleinen verbliebenen Raum unter dem Dach, in dem lediglich kleinere Dinge aufbewahrt werden konnten, führte eine Ziehtreppe. Dafür aber gab es einen großen Schuppen auf dem Grundstück des Anwesens, einem üppigen sogar, im Gegensatz zu vielen anderen hier im Stadtteil.

      Das hing damit zusammen, dass Emilie ein riesiges Stück Bauland geerbt und das Haus so eingeplant hatte, dass es mitten auf dem Eigentum stand. So ergab sich eine riesige gepflasterte Einfahrt und an der Rückseite des Gebäudes war ein großer Rasengarten mit einigen Obstbäumen angelegt. Und wer Emilie kannte, der wusste, in diese Planung hatte sie die Kinder mit einbezogen. Erst war es Juli, ihr einzigen Kind. Sie hätte gerne mehr Kinder gehabt, aber eine Unterleibsoperation hatte dies unmöglich gemacht.

      Heute sind es Fabian und Emma, die auf dem freien Gelände toben und tollen und keiner Gefahr, die vom Straßenverkehr ausgeht, ausgesetzt sind.

      „Mama, worauf warten wir?“

      Fabian wurde ungeduldig und auch Emma mischte sich nun ein.

      „Du hast doch selbst gesagt, dass Omi nicht auf uns warten soll und Omi Juli und Opa Rafael.“

      Caroline lachte und gab Gas. Sie würde weit über eine halbe Stunde bis zum Flughafen brauchen. Sie nahm den schnellsten Weg über die Eschersheimer Landstraße, bog dann in die Hügelstraße ab in Richtung Ginnheim, weiter durch die Rosa-Luxemburg-Straße auf die A66 bis zum Frankfurter Nordwestkreuz. Dort fuhr sie auf die A5 und dann war es fast geschafft. Noch ein Stück die B43 entlang und schon war der Flughafen in Sicht. Das Abstellen des Autos im Parkhaus nahm doch noch mehr Zeit in Anspruch, als sich Caroline das gedacht hatte. Aber jetzt, in der Halle des Flughafens, ließen sich die drei Zeit. Die Augen von Fabian und Emma waren in ständiger Bewegung, jeder in der Hoffnung, die Heimkehrer als erster zu entdecken.

      „Da sind sie!“

      Emma hatte die Personengruppe entdeckt, die an einer Ruhebank gelehnt, standen. Das heißt, Juli und Rafael standen und Emilie hatte sich auf der Bank niedergelassen.

      „Hallo, hier sind wir!“, rief Caroline und winkte mit beiden Armen.

      „Hier sind wir, Omi, hier!“

      Emma lief mit ausgestreckten Armen auf die Gruppe zu und der „Große“ folgte mit einem breiten Lächeln im Gesicht mit schnellen Schritten.

      „Hallo Caro! Da sind wir wieder! Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein.“ Juli schloss ihre Tochter in die Arme, um sich dann gleich den beiden Kleinen zuzuwenden. Doch da war es schon zu spät.

      „Omi, Omi!“

      Emma kletterte auf die Bank, auf der sich Emilie niedergelassen hatte und schlang ihre kleinen Arme um ihren Hals.

      „Hallo, meine Kleine! Hast du mich sehr vermisst?“ Emilies Stimme klang erschöpft, aber glücklich. „Hast du Oma Juli schon begrüßt?“, fragte sie auffordernd und Emma sprang sofort von der Bank zu Juli und streckte die Ärmchen aus, so dass sie sich Sekunden später in die Höhe gezogen spürte und auf dem Arm von Juli landete. Fabian begrüßte derweil Emilie stürmisch, nur Rafael stand alleine, um schließlich laut auszurufen:

      „Zählt der italienische Opa denn überhaupt nichts mehr?“ Dabei schaute er aus den Augenwinkeln zu den beiden Kindern, die ihre stürmische Begrüßung unterbrachen und zu Rafael liefen, um ihre Arme um seine Beine zu legen und ihn von unten herauf anzusehen.

      „Ich glaube, wir sollten langsam los“, ließ sich Caroline vernehmen. Sieht aus, als sei Emilie müde. Hattet Ihr einen guten Flug?“

      „Wir hatten einen herrlichen Flug und ich glaube, Emilie hat nicht nur den Urlaub, sondern auch den Aufenthalt im Flieger genossen. Nicht wahr, Emilie?“

      „Ja, es war herrlich. Aber nun möchte ich doch nach Hause. Ich habe etwas Kopfweh. Kommt sicher von dem Druckausgleich in der Höhe.“ Emilie gähnte.

      „Ja, wir sollen uns tatsächlich aufmachen“, sagte Caro, wie sie in der Familie, aber auch im Freundeskreis genannt wurde. „Geht schon mal alle zum Ausgang. Ich werde mit dem Auto dorthin kommen!“