Operation Ljutsch. Reinhard Otto Kranz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard Otto Kranz
Издательство: Bookwire
Серия: Operation Ljutsch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742712424
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holte eine halbvolle Flasche Birnen-Geist und Gläser, schenkte ein und setzte sich.

      »So«, rückte er näher heran. »Nun erzähl mal – was liegt an?«

      »Eigentlich wollte ich mich nach so langen Jahren nur mal sehen lassen und mit dir und Linde reden, wie in alten Zeiten. Aber jetzt brauche ich Hilfe: Ich muss unauffällig nach Berlin – morgen.«

      »Kein Problem«, brummelte Ulm. Er neigte sich zur Seite, musterte die Holzschuhgröße, ging zur Ofenbank und holte darunter ein paar gelbe Gummistiefel hervor.

      »Sind von unserer jüngsten Tochter, die studiert in Berlin Tiermedizin – müssten dir passen, die alten Dinger. Eine Anglerweste habe ich auch für dich, damit du nicht so städtisch rumläufst.«

      »Hast du auch ein bisschen Anglerzeugs – als Tarnung?«

      »Na klar, jede Menge alter Kram, der sich da ansammelt, einen Köderkoffer und eine Teleskop-Angel auch, dann bist du vollständig.«

      »Gut«, freute sich Oie. – »Bringe ich bald mal wieder und würde auch gerne das Motorrad dalassen.«

      »Endlich!«, grinste Ulm. »Weißt du, wie scharf ich immer auf eure stromlinienblaue JAWA war, seit ihr damals das Ding aufgebrezelt habt. Dieses Zweizylinder-Böllern in Chrom und blauem Glitzern war hier in der Gegend schon ein Ereignis, um das ich euch beneidet habe. Aber Alma wollte sie mir nie verkaufen – wegen eurer Söhne.«

      »Schleiflack mit Fischschuppen, neun Schichten – die kommt sicher mal in irgendein JAWA-Museum«, schwärmte Oie, »und so lange sie hier steht, fährst du einfach damit. Nur den rechten Rückspiegel musst du erst mal abbauen oder reparieren – da fehlt das Glas.

      Hier ist der Schlüssel, die Papiere liegen allerdings auf dem Küchenschrank bei Alma!«

      »Willst du zum Bahnhof Feldberg?«, fragte Ulm – noch glücklich lächelnd über das Motorrad.

      »Nee, ist nicht so gut. Vielleicht haben die grauen Typen da ein Auge drauf. Besser ist Fürstenberg, das ist weiter weg und da ist mehr los.«

      »Machen wir morgen früh – jetzt gehen wir erst mal fischen.«

      Oie war es recht, denn er war durch die Ereignisse der letzten Stunden immer noch völlig aufgewühlt. Auch fühlte er sich in Ulms Gesellschaft sicher und genoss dessen urige Art, die Dinge zu sehen und anzusprechen – auch nach so vielen Jahren wieder.

      »Hier«, brummte Ulm und griff zu den Messinghaken über der Ofenbank. »Nimm den Pullover, den Südwester und dort die blaue Decke, wir bleiben draußen. Wir gehen auf Aal. Du kannst mir helfen.«

      Oie kannte die spontanen Anweisungen Ulms von früher, denn gewöhnlich kam immer so was, wenn man mit ihm arbeitete. Die verflossenen Jahre hatten daran nichts geändert.

      Sie standen auf, ließen alles so stehen, riefen den Hund und gingen im Licht der Taschenlampen runter zum See.

      Der von Wald und Busch umfangene See hinter dem Garten war nicht sehr groß, wie Oie sich erinnerte. Im Schwarzgrau der Nacht war nur ein schmaler Schilfgürtel über einen kurzen Steg zu passieren, an dessen Ende ein hölzernes, geteertes Ruderboot lag.

      »Erst mal ein bisschen Schöpfen gegen nasse Füße.« – griff sich Ulm die Gummi-Pütz und reichte sie dem vorsichtig auf die Spanten steigenden Freund.

      Während Oie Wasser schöpfte, machte Ulm das Boot klar.

      7 Feindlich-freundliche Kooperation

      Noch am gleichen Abend hatte die Information von der fehlgeschlagenen blutigen Aktion, die Listen Igor Antonows einzufangen, Moskau erreicht.

      Am nächsten Morgen tagte erneut die Runde im Russischen Geheimdienst. Durch den toten Legionär drohte, wenn es ruchbar würde, über kurz oder lang Ärger mit den Deutschen. Vor allem aber kamen sie in der Sache nicht weiter.

      Alle stillen Hoffnungen, über den Zusammenhang von verzeichneten Personen und Operationen in den Listen, Beweise des Verrates gegen den arroganten Militär-Geheimdienst in die Hand zu bekommen, um endlich Nachtreten zu können, mussten sie vorerst begraben.

      Zur Prävention von drohenden diplomatischen Verwicklungen wurde beschlossen, den zuständigen Sekretär für die Bekämpfung des Internationalen Terrorismus der Deutschen Botschaft in Moskau, zu kontaktieren. Man wollte Misshelligkeiten vorbeugen – und vielleicht Hilfe bei der Suche nach van Oie erhalten.

      Für den Nachmittag wurde telefonisch ein Vier-Augen-Gespräch im Hotel Intercontinental vereinbart.

      Der Russische Geheimdienst RSG schickte den Kopf der Ermittler, Generalmajor Fjodor Folim, der zu Igor Antonows Zeiten dessen Gegenspieler im KGB war.

      Damals von fast uneingeschränkter Machtfülle, jedoch – so musste er sich eingestehen – voller Ahnungslosigkeit gegenüber den Operationen des Militär-Geheimdienstes in der Perestroika, hatte Folim brennend offene Rechnungen.

      Sollte er sich posthum noch einmal von Antonows vertrackten Schachzügen vorführen lassen – von einem Toten?

      Und dies so kurz vor der Pensionierung, die er sehnlichst erwartete, weil seit einiger Zeit jeder Tag ein unendlicher Kraftakt war. Sein schwerer Körper, die verschlissen Gelenke und die vom Wässerchen zerstörte Leber erhofften den Ruhestand, wie der Marathon-Schwimmer das rettende Ufer.

      So geplagt und voll gekränktem, postsowjetischem Groll ging er zur Verabredung mit Ernst Buch, der – fast so alt wie er – mittelgroß, schlank und gelenkig, wie auf Schienen ins Hotel-Foyer huschte, in dem Fjodor Folim bereits ungeduldig wartete.

      Buch entschuldigte sich mit einem Lächeln und spöttisch-eleganter Verbeugung artig für seine Verspätung, die den Moskauer Verkehrsverhältnissen anzulasten sei – und Folim war über diesen souveränen Auftritt, wie immer, neidvoll irritiert.

      Waren es Buchs Verbindungen zum Theater oder der yogagestählte Körper, der seine Auftritte immer so leicht und eigentümlich alterslos erscheinen ließ?

      Fjodor Folim hielt, bei allem Respekt, Ernst Buch in den Maßstäben der Dienste für einen bunten Vogel, – aber jetzt brauchte er ihn.

      Jedenfalls gab es alle Vollmachten, um mit dem Residenten des Deutschen Geheimdienstes-DGD zu verhandeln, dem Feind, dessen dunkle Seiten er ansonsten täglich brauchte, um sein eigenes Licht heller erstrahlen zu lassen.

      Das beruhte auf Gegenseitigkeit, war ihm in resignativer Altersweisheit bewusst, war es doch eine System übergreifende, fundamentale Existenzbedingung für die unterirdisch wuchernden Biotope aller Geheimdienste dieser Welt.

      Man kannte sich, man respektierte sich, man war bestrebt Vorteile in Operationen zu erlangen, schon um für den Fall des Misslingens anderer Unternehmungen, Verhandlungs-Masse zu besitzen.

      Insgesamt war es – dessen war er sich nach langen Dienstjahren bewusst – immer auch ein zynisches Spiel, um in den Augen der jeweiligen politischen Machthaber, mit ein paar Erfolgen, ein notwendiges Maß an Existenzberechtigung zu zeigen und damit gleichzeitig die über viele Dienstjahre eroberten Privilegien, mit Pensionsanspruch, zu befördern.

      Das war auf beiden Seiten so – nur mit einem gewaltigen Unterschied im Salär.

      Auch deshalb reizte es Fjodor Folim immer wieder, sich mit dem DGD-Residenten anzulegen, – diesmal jedoch brauchte er seine Hilfe.

      Man hatte ja seit einigen Jahren auch gemeinsame Interessen, besonders beim einsickernden Islamischen Terrorismus, wie sie ihn angewidert und zugleich hoffnungsvoll nannten, denn der hatte den Stellenwert der Dienste beider Seiten in ungeahnte Höhen befördert.

      Dieser in den Medien lauthals beschriene Terrorismus drohte den Russen vor allem aus dem Kaukasus, besonders aus Tschetschenien, – den deutschen Vasallen des Amerikanischen Imperiums, so glaubten sie, vor allem aus Afghanistan und dem Nahen Osten.

      Fjodor Folim kannte den Residenten Ernst Buch schon