Baphomets Jünger. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия: Dunkelwaldtrilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750232730
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vier jungen Ritter waren seit Jahren miteinander befreundet. Rudger kannte Endres schon aus seiner Zeit, als er bei Heinrich von Frankenhausen seine Ausbildung zum Kämpfer erhielt. Später verkaufte Heinrich sein Land zu großen Teilen an den Templerorden und Rudger wurde nach Mücheln geschickt. Jorge und Valten hatten sie vor fünf Jahren in Aruad getroffen, als das Heer der Templer seine letzte Schlacht im Heiligen Land schlug.

      Rudgers Gedanken schweiften ab in diese längst vergangene Zeit, als er als junger Ritter an der Seite seines Ordensmeisters nach Syrien gezogen war, um die letzte Bastion der Christenheit zu verteidigen. Er war damals gerade einmal neunzehn Jahre alt und hatte noch an keiner großen Schlacht teilgenommen. Es war ein schwarzer Tag für die Templer gewesen. Die angreifenden Mameluken hatten die Festung monatelang belagert und die Templer regelrecht ausgehungert. Mit Schaudern erinnerte sich Rudger daran, wie sie sich im Bergfried verschanzt hatten, verzweifelt auf die versprochene Hilfe durch die zypriotische Flotte hoffend, während der Hunger sich immer tiefer in seine Eingeweide fraß. Nur das Vorbild Friedrich von Alvenslebens und der eiserne Wille, den sein Meister an den Tag legte, bewahrten ihn damals vor der Aufgabe seiner selbst.

      Durch das diplomatische Geschick Bruder Hugues de Dampierre erreichten sie schließlich die Gewähr freien Abzugs aus der Festung. Doch die heimtückischen Belagerer brachen ihr Wort. Als die Templer die Tore öffneten, wurden sie hinterrücks von den Mamaluken überfallen und in den sich anschließenden Gefechten mussten viele seiner Kameraden ihr Leben lassen. Wer nicht fiel, wurde gefangengenommen. Nur den wenigsten gelang die Flucht. Rudger und seine drei Freunde, die zusammen mit Friedrich und einigen deutschen Rittern zur Nachhut der ausrückenden Kämpfer gehört hatten, gelang es, sich den Weg freizukämpfen und unbemerkt von der Festung zu fliehen. Sie waren nur sieben Mann gewesen und auch ihr Eingreifen hätte eine Niederlage nicht mehr verhindern können. Im Hafen von Aruad nahm sie ein Genueser Kaufmann an Bord seines Schiffes. Er bedrängte sie nicht mit Fragen, woher sie kämen. Noch am selben Tag setzte er die Segel, und so gelangten sie unbeschadet nach Frankreich zurück. Von dort aus waren sie nach Wichmannsdorf aufgebrochen. Doch selbst an Friedrich waren die schrecklichen Erlebnisse vor Aruad nicht spurlos vorübergegangen. Als sie zwei Jahre später die Kunde erreichte, dass die letzten noch lebenden Gefangenen zu Tode gehungert worden waren, weil sie sich weigerten, den islamischen Glauben anzunehmen, hatte er sich tagelang in seinem Arbeitskabinett eingeschlossen. Rudger war überzeugt davon, dass ihn heute noch das schlechte Gewissen plagte, seine Brüder damals im Stich gelassen zu haben. Auch Rudger befiel jedes Mal große Traurigkeit, wenn er an Aruad dachte.

      Rudger wandte sich wieder seinem faden Brei zu, den er mit dem dünnen, trüben Bier, das hier auf dem Hof gebraut wurde, herunterspülte. An der Tür zum Refektorium entstand Unruhe. Neben dem Ordensmeister standen, ungeduldig wartend, zwei Männer mittleren Alters. Der größere der beiden trug ein Kettenhemd. Seinen Helm hatte er lässig unter den Arm geklemmt. Der andere Mann war in den Habit eines Priesterbruders gewandet. Als Friedrichs Blick auf Rudger fiel, winke er ihm unauffällig. Mit einer Bewegung seines Kopfes zeigte er Rudger an, ihm in den Gang zu folgen. Der junge Ritter schaute kurz zu Endres. Doch dieser schien nichts bemerkt zu haben und löffelte in Gedanken versunken still seine Suppe. Ohne ein Wort zu verlieren, erhob sich Rudger und ging schnellen Schrittes in Richtung Tür.

      Endres stutzte. „Rudger!“, rief er ihm laut flüsternd hinterher. Doch sofort bereute er seine voreilige Reaktion, denn jetzt waren die Blicke aller auf ihn gerichtet. Bei Tisch herrschte strengstes Redeverbot. Vorwurfsvoll schauten ihn die anderen Ordensbrüder an und er senkte beschämt den Kopf. Aus dem Augenwinkel heraus sah er noch, wie ihr Ordensmeister Rudger nach draußen zog, dann waren sie im Schatten des Ganges verschwunden. Doch in der Gewissheit, dass Rudger ihm später sowieso alles erzählen würde, grübelte er nicht weiter über das Gesehene nach. Er zog eine Augenbraue leicht nach oben und lächelte Valten und Jorge, die ihn fragend anschauten, entschuldigend zu. Er zuckte mit den Schultern und widmete sich wieder seinem Mahl. Insgeheim freute er sich schon auf den Abend, denn dann würde der Küchenmeister wieder ein deftiges Fleischgericht auftragen. Was jetzt im Herbst in der Jagdzeit auch üppiger als in anderen Jahreszeiten ausfiel. Soviel er wusste, hatte Friedrich erst in der letzten Woche einen großen Rehbock erlegt, der nun inzwischen genug abgehangen sein dürfte. Endres lief das Wasser im Mund zusammen, und für einen Moment glitt ein Ausdruck der Glückseligkeit über seine Züge.

      Die Speise der Ordensleute, ganz gleich, ob Ritter- oder Priesterbruder unterlag strengen Regeln. Sonntags, dienstags und donnerstags gab es zum Abend immer Fleisch und Gemüse, während montags, mittwochs und sonntags nur Käse und Eierspeisen aufgetischt wurden. Freitags war Fastentag, an dem Fisch gegessen wurde. Endres war zufrieden mit dem Essen. Am Abend erhielten sie dann auch einen Nachtisch in Form von Kuchen oder einer anderen süßen Leckerei. Auch wenn es am Morgen immer eine Gersten- oder Hafersuppe gab, zum Nachtmahl konnten sie alle tüchtig zulangen. Das war auch wichtig, denn sie trainierten den ganzen Tag hart mit ihren Waffen, um für ihre Einsätze im Kampf gerüstet zu sein. Die Priesterbrüder bewirtschafteten den Hof und ihr Tagwerk stand dem der Ritter in nichts nach, dafür sorgte ihr Ordensmeister. Und so kam es, dass sie immer alle gemeinsam ihre Mahlzeiten einnahmen.

      Friedrich von Alvensleben schritt zügig auf den Treppenaufgang zu und bedeutete den anderen wortlos, ihm zu folgen. Das flackernde Licht einzelner Fackeln, welche in den Halterungen an den Wänden steckten, spendete wenig Helligkeit. Die große Halle, von der eine Treppe nach oben zu den Schlafsälen der Ritter und Priesterbrüder führte, blieb weitestgehend im Dunkeln. Rudgers Herz begann zu klopfen. Jetzt endlich würde er erfahren, was an den Worten Anselms wirklich dran war. Vielleicht hatte auch die Fantasie dem jungen Mönch einen Streich gespielt. Rudger wusste, dass Anselm gern seine Nase in alte Schriften steckte, in denen antike Sagen und Mythen standen. Oft erzählte er seinem Freund dann von diesen Fabelgestalten und seine Begeisterung kannte keine Grenzen.

      Doch als der Ordensmeister die Tür zu seiner Kammer öffnete und sie mit einem besorgten Blick in den Gang zurück sorgfältig hinter sich schloss, wusste Rudger, dass etwas Bedeutendes in der Luft lag.

      Friedrich wies seinen beiden Gästen jeweils einen der hohen Lehnstühle zu, die sich um einen schweren, mit Papieren beladenen Eichentisch in der Mitte des Raumes reihten. Als er den jungen Ritter nicht auch zum Setzen aufforderte, stellte dieser sich direkt neben den Tisch.

      „Rudger“, begann sein Meister ohne Umschweife. „Dies hier sind der edle Ritter Guy de Saint Nivelle und Bruder Hippolit aus unserer Ordensgemeinde in Paris.“ Er zögerte einen kurzen Moment. „Ich glaube, du ahnst bereits, was das zu bedeuten hat.“ Rudger nickte stumm.

      „Das Gerücht, was dir Bruder Anselm zugetragen hat, stimmt also. Der französische König hat im Namen des Papstes - letzterer wohl auch nur auf die Erpressung durch Philipp hin - alle unsere Brüder in Paris und den umliegenden Gemeinden gefangen nehmen lassen. Ihnen wird Verrat am Christentum, Gotteslästerung, Blasphemie und, was wohl am Schlimmsten ist, Sodomie und Götzendienst vorgeworfen. Wir sollen angeblich Baphomet huldigen. Wie lächerlich“, schnaubte er voller Verachtung. Dann fuhr er fort: „Inzwischen dürften auch auf den anderen Ordenshöfen in ganz Frankreich unsere Brüder verhaftet worden sein. Es war eine geplante Nacht- und Nebelaktion und es gelang den wenigsten, zu fliehen.“ Er schaute zu Guy.

      „Du vertraust dem jungen Bruder, Francois?“, fragte der Ordensritter mit einem starken französischen Akzent. „Wir brauchen jemandem, auf den einhundert Prozent Verlass ist, wenn wir die Brüder im deutschen Reich warnen wollen. Nach Osten hin, gibt es zum Glück nicht viele Ordenshöfe, und der böhmische König steht auf unserer Seite.“

      „Woher wollt Ihr das wissen?“, entfuhr es Rudger ungefragt. Trotzig reckte er das Kinn. Wenn sie ihn schon in die Sache hineinzogen, so wollte er auch alles ganz genau erfahren. Und was seine Herkunft anbelangte, so stand er den anderen als Sohn eines reichsunmittelbaren Adligen wohl in nichts nach.

      Irritiert blickte Guy erst zu ihm, dann mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht zu Friedrich. Doch bevor er ungehalten reagieren konnte, kam ihm der Ordensmeister zuvor.

      „Nun, was das anbelangt, so glaube ich, der böhmische Herrscher hat in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass er weder mit Philipp noch mit dem deutschen König viel gemein hat. Schon aus der Tatsache heraus,