Baphomets Jünger. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия: Dunkelwaldtrilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750232730
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war für den Templerorden bestimmt. Doch Anselm war froh darüber, nicht selbst zum Kämpfer erwählt worden zu sein. Dass er den Preis zahlen und dafür Mönch werden musste, um dem Orden beizutreten, hatte ihn anfangs traurig gestimmt. Viel lieber wäre er als Verwalter eines Gutshofes oder auf den Ländereien seiner Familie in Colbitz geblieben. Jetzt oblag ihm seit wenigen Tagen trotz seiner Jugend die wirtschaftliche Führung des Ordensgutes Wichmannsdorf, und er wollte sein Bestes geben, um die Templer und seine Familie nicht zu enttäuschen.

      Das Lehen von Wichmannsdorf gehörte ebenso wie die Güter Rolstedt und Gerdingsdorf den Herren von Alvensleben. Friedrich von Alvensleben* war der Ordensmeister der Templer im Deutschen Reich. Er hatte die Höfe mit verdienten Rittern des Ordens besetzt, die in ständigem Kontakt zu ihm standen, ganz gleich, wo er sich aufhielt. Anselm hatte sich geschworen, Friedrich nicht zu enttäuschen. Er war nicht weniger wert, nur weil er das Schwert nicht zu schwingen wusste. Langsam ließ er die Luft wieder aus seiner Brust entweichen und schloss kurz die Augen. Doch ein Geräusch brachte ihn in die Gegenwart zurück. Rudger hatte den Saal schon vor einer ganzen Weile verlassen. Mit klopfendem Herzen schaute sich Anselm verstohlen um. Doch niemand schien auf sie aufmerksam geworden zu sein. Leise schlich er zurück in seine eigene Schlafkammer, die er sich mit den anderen Mönchen teilte.

      Die Kapelle des Gutshofes lag in tiefer Finsternis. Am klaren Himmel funkelten unzählige Sterne. Rudger wandte sein Gesicht nach oben. Dann schloss er die Augen. Gott, lasse es nicht wahr sein. Warum nur willst du den Orden bestrafen? Wir alle sind gottesfürchtige Menschen, standen dir immer nahe und haben nur nach deinem Gefallen gehandelt. Warum nur Gott ...

      Der heisere Schrei einer Eule ließ ihn zusammenfahren. Für einen kleinen Moment stockte sein Atem. Rudger straffte die Schultern. Mit einem kurzen, freudlosen Auflachen wandte er sich der Kapelle zu. Die Tür gab beim Öffnen einen schwachen knarzenden Laut von sich. Er trat ein und ging die wenigen Schritte bis zum Altar. Irgendwie wusste er nicht so recht, was er eigentlich hier sollte. War Gott ihm hier in der dumpfen, muffigen Umgebung der alten, feuchten Mauern näher, nur weil das Abbild seines Sohnes dort vorn am Kreuz hing? Sofort meldete sich das schlechte Gewissen über seine Blasphemie in Rudger. Er schüttelte kurz den Kopf, dann schlug er das Zeichen des Kreuzes und sank auf die Knie. Doch wollten seine Gedanken zu keinem Gebet finden, wieder kamen ihm die Worte Bruder Anselms in den Sinn. Was, wenn es wahr wäre? Er konnte sich nicht konzentrieren. Ungeduldig erhob er sich und begann in der Kirche auf und ab zu gehen. Ein Unterfangen, was fast schon an Unmöglichkeit grenzte, da der Raum nur wenige Meter maß, gerade genug Platz für die Menschen, die sich auf dem Ordenshof aufhielten.

      Ungeduld fraß an seinem Inneren. Immer wieder lauschte er, ob nicht auch die anderen Ordensbrüder langsam wach werden würden. Er brannte darauf, zu hören, was der Ordensmeister ihnen zu sagen hatte. Aber ob er sie überhaupt über seine nächtlichen Besucher unterrichtete?

      Erschrocken wandte Rudger den Kopf, als jemand die Tür energisch aufstieß. Eine Fackel in der Hand, betrat Friedrich von Alvensleben das Gotteshaus. Verwirrt schaute Rudger ihn an, zu keinem klaren Gedanken fähig. Erst die Stimme des Ritters holte ihn zurück in die Wirklichkeit.

      „Rudger?“ Fragend schaute Friedrich ihn an. „Was tust du hier?“ Verwunderung schwang in seiner Stimme mit. Rudger wurde es schlagartig bewusst, dass er ja eigentlich noch gar nichts von den nächtlichen Besuchern wissen durfte. Er riss sich zusammen. Er schluckte und atmete tief durch. Friedrich wurde ungeduldig.

      Rudger verbeugte sich leicht vor seinem Meister. Der legte nicht sonderlich viel Wert auf derlei Gehabe. Ein freundschaftlicher Umgang mit seinen Rittern war ihm lieber. Das hieß allerdings nicht, er würde von ihnen nicht den nötigen Respekt erwarten.

      „Ich konnte nicht mehr schlafen“, beeilte sich Rudger mit etwas heiserer Stimme zu sagen. „Ich dachte, ein Gebet könne meine innere Unruhe besänftigen.“ Damit hatte er nicht einmal gelogen, denn schon bevor Bruder Anselm zu ihm in den Schlafsaal gekommen war, hatte er eine Weile wach auf seiner Pritsche gelegen. Doch nun kam er sich vor seinem Meister etwas albern vor, hier in die Kapelle gekommen zu sein.

      „Was beunruhigt dich, mein Sohn?“, fragte Friedrich und sah den jüngeren forschend an.

      Verlegen schaute Rudger zu Boden. Dann richtete er den Blick geradeheraus auf den Meister. „Herr, ich lag wach. Ich weiß auch nicht warum. Aber dann kam Anselm, dem es wahrscheinlich genauso ging.“ Er zögerte kurz. Was soll`s, dachte er. Ich muss einfach Gewissheit haben. „Er hat mir berichtet, dass in der Nacht Besucher auf den Gutshof gekommen sind, die wahrscheinlich eine weite Reise hinter sich hatten. Da macht man sich schon so seine Gedanken.“ Er würde Anselm natürlich nicht verraten, und dass dieser an der Tür gelauscht und das Gespräch der Männer gehört hatte. Nun war es an Friedrich, ihm zu sagen, was geschehen war.

      Friedrichs Gesicht zeigte Verärgerung. „So, so“, meinte er. „Der Bursche konnte also auch nicht schlafen. Und, was hat er sonst noch so gesagt, der Bruder Anselm?“

      Rudger fühlte sich wie ein kleiner Junge, der bei einer Untat ertappt worden war. Dabei konnte er von sich behaupten, ein erfahrener Kämpfer zu sein, der zusammen mit Friedrich schon an mancher Schlacht teilgenommen hatte. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass die Ritter sich ihm gegenüber immer wieder wie Grünschnäbel vorkamen?

      Rudger schüttelte sich innerlich. Dann holte er tief Luft. „Herr, Ihr wisst, Bruder Anselm ist ein aufrichtiger Mann. Er kam nur zufällig über den Gang gelaufen, als er auf dem Weg nach draußen war, und sah die Männer in Eurer Kammer verschwinden. Besorgt blieb er stehen und schnappte noch die Worte auf, der Orden sei in Gefahr. Das hat er mir dann berichtet, weil ihm diese Nachricht keine Ruhe ließ.“ Nun ja, der arme Anselm musste nun dazu stehen, dass er gelauscht hatte. Aber Rudger würde ihn nicht ganz in die Pfanne hauen. Angesicht dieses Gedankens, huschte ein kurzes Lächeln über sein Antlitz. Doch schnell nahm er sich wieder zusammen. Zum Glück hielt Friedrich die Fackel gesenkt, und sein Gesicht lag im Schatten.

      „Lass uns beten“, sagte Friedrich unvermittelt. Er schien nicht die Absicht zu haben, Rudger über die Vorgänge in der Nacht aufzuklären. Der junge Ritter fügte sich und kniete neben seinem Meister vor dem Altar nieder. Er faltete die Hände zum Gebet und schloss seine Augen. Doch immer noch kamen ihm keine gottesfürchtigen Worte in den Sinn. Wieder und wieder hörte er in Gedanken die Worte Bruder Anselms. Nun, wenn die Ungeheuerlichkeit, dass die Ordensbrüder in Paris verhaftet worden waren, stimmte, dann würde Friedrich gar nicht umhinkommen, sie darüber zu unterrichten. Also musste er sich in Geduld üben.

      Seine Lippen begannen sich zu bewegen und auf einmal schienen die Worte des Vaterunsers wie von selbst lautlos aus seinem Mund zu kommen.

      Das Läuten der Glocken nahm Rudger kaum wahr. Die anderen Bewohner des Templerhofes fanden sich nach und nach zum Frühgebet ein. Doch auch wenn sie sich wunderten, ihren Meister und den jungen Ritter bereits hier vorzufinden, wagte es keiner, eine Bemerkung darüber zu machen.

      Kapitel 2

      Wichmannsdorf

      17. Oktober 1307

      Das schabende Geräusch der hölzernen Löffel, die aus den Schalen auch das letzte Bisschen des eigentlich faden Gerstenbreis löffelten, war das einzige, was man an diesem Morgen im Refektorium des Ordenshofes hörte. Nicht, dass an den anderen Tagen das Reden der Ritter- und Priesterbrüder die Stille des Raumes durchbrochen hätte. Aber heute war es Rudger, als würden sich alle besonders intensiv ihrem schweigenden Morgenmahl widmen. Nicht einmal die Stimme des Bruders, der sonst aus der Heiligen Schrift vorzulesen geruhte, war zu hören. Suchend blickte sich Rudger um. Heute wäre eigentlich Bruder Laurentius dran gewesen, die Speisenden mit einem Text zu unterhalten. Doch war dieser nirgends zu sehen. Auch Friedrich von Alvensleben, der sonst meistens mit ihnen gemeinsam aß, fehlte. Rudger warf seinem Tischnachbarn, mit dem er sich die Schüssel teilte, einen fragenden Blick zu. Doch Endres zuckte nur ratlos mit den Schultern. Er konnte sich erst recht keinen Reim darauf machen, warum heute etwas von dem gewohnten Gang des Klosterlebens abwich. Ihnen gegenüber saßen Jorge und Valten. Doch schienen die beiden nichts von alldem hier mitzubekommen. Einträchtig löffelnd schoben sie