Eine sachliche Analyse des Bösen, das auf unserer Welt passiert!. Kathrin-Silvia Kunze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kathrin-Silvia Kunze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783847648116
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oder imaginäre Feinde nach Möglichkeit zu diffamieren und abzuwerten. Denn durch verbale Abwertungen im Sinne von „Krautfresser, Waschlappen, Trottel, Streber, Bürohengst, langhaariger Öko-Hippi“, etc., oder durch die für Tierversuche oder Massentierhaltung immer wieder gern genutzte Aussage „aber das sind doch nur Tiere“ kommt es zur gewünschten emotionalen Trennung und dem Aufbau von Distanz. Und Distanz wiederum verhindert das Aufkommen von Mitgefühl und Mitempfinden.

      Schon der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) thematisierte in seinem Roman Die Brüder Karamasow, wie wichtig es ist, dass jeder Mensch ein starkes Mitgefühl für seine soziale Umwelt empfindet. Dies ist deshalb so dringend notwendig, da fehlendes Mitgefühl eine Voraussetzung dafür ist, um Böses zu tun. Und wenn Böses getan wird, dann von Menschen. Auch darauf wies Dostojewski bereits hin, indem er in seinem Roman Die Brüder Karamasow den kleinen, unterernährten und kränklichen Jungen Iljuscha, der zusehen musste wie sein armer, zerlumpter und unterernährter Vater, Hauptmann Snegirjow, beleidigt und verspottet wurde, sagen lässt: „Oh Vater, diese Menschen.“

      Bei Menschen, die ihre Angst verdrängen, degeneriert also im Laufe der Zeit auch die Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden. Denn unter dem Druck, eine natürliche Emotion verdrängen zu müssen, wird auch der gesunde Kontakt zu allen übrigen Emotionen gestört und verschlechtert. Dies gilt dann natürlich nicht nur für das Mitgefühl anderen gegenüber, sondern auch und vor allem, für das Mitgefühl, sich selbst gegenüber. Menschen, die nicht genug Vergebung sich selbst gegenüber aufbringen, um ihre Angst als Teil des einfach Mensch sein zu akzeptieren, sind dadurch also auch sich selbst entfremdet. Man kann sogar sagen, dass solche Menschen gerade darum kein Mitleid für andere haben, weil sie eben kein wirkliches Mitleid für ihr eigenes, wahres, menschliches Selbst haben. Unter diesem Druck sind sie mit sich selbst nicht im reinen und verspüren ein latentes Missempfinden und eine latente Unzufriedenheit sich selbst und ihrer Umwelt gegenüber. Diese Unzufriedenheit versuchen sie, in irgendeiner Form zu überdecken, damit sie sie nicht zu stark wahrnehmen müssen. Dafür wählen sie entweder ein soziales Umfeld voll Aktion, Trubel und Lärm oder sogar voll Aggression und Gewalt.

      Wenn sich solche Menschen jedoch in einem relativ harmonischen Umfeld befinden, versuchen sie unbewusst, ihr Missempfinden mithilfe von störenden oder aggressiven Aktionen auf ihre Umgebung zu übertragen. Denn dadurch können sie dann auch in ihrer sozialen Umgebung eine Art Missstimmung erzeugen. Menschen, die aufgrund ihrer Angstverdrängung einem latenten Missempfinden ausgesetzt sind, versuchen also, Harmonie in Disharmonie umzuwandeln, um eine Entsprechung ihrer Negativität in der Umwelt zu finden, bzw. notfalls zu erzeugen. Dieses Verhalten dient ihnen dazu, die Dissonanz zwischen außen und innen, also von harmonisch/neutral zu negativ, nicht zu stark empfinden zu müssen.

      Wenn die Angstverdrängung jedoch zu groß wird und dadurch der Konflikt zwischen dem was man sein will und dem was man nun mal ist, zu stark, kommt es zusammen mit einem fehlenden Mitgefühl für sich selbst zur Selbstablehnung bzw. zur Ablehnung der eigenen Person. Dadurch entwickeln viele Menschen, die ihre Angst verdrängt haben, auch eine Form von Selbsthass. Wie man sich anderen Menschen bzw. Lebewesen gegenüber verhält, hängt also in hohem Maße davon ab wie gut oder schlecht das Verhältnis zur eigenen Person ist. Sich selbst keine Schwäche zu erlauben, bedeutet sich selbst nicht zu akzeptieren, wie man eben ist. Darum müssen diese Menschen sich immer selbst verbessern und in allem möglichst gut bzw. zumindest niemals unterlegen sein. Somit empfinden sie keine Selbstakzeptanz, denn eigenes Versagen wird möglichst überspielt aber auf keinen Fall toleriert. Da aber jeder Mensch am Ende nur Mensch bleibt und schwach sein oder versagen ganz natürlich dazu gehören, empfinden solche Personen ein permanentes inneres Missempfinden und Unwohlsein. Im Laufe der Zeit entwickelt sich daraus also eine Form von Selbsthass. Und man kann sagen, dass auch dieser Selbsthass letztendlich den Menschen erst dazu befähigt und am Ende auch dazu treibt, anderen absichtlich Schaden zuzufügen. Man hasst sich dann nämlich sozusagen in anderen.

      Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die Verdrängung von Angst zu einem inneren Druck führt, der dann auch den Kontakt zu den übrigen Emotionen wie z. B. dem Mitgefühl stört und verschlechtert. Ein mangelhafter Kontakt zum Mitgefühl wiederum bewirkt eine emotionale Distanz zu Mitmenschen und Mitgeschöpfen. Diese Distanz ist die emotionale Voraussetzung für eine böse Tat. Denn bevor man einem anderen Menschen oder Mitgeschöpf überhaupt erst Böses tun kann, muss man sich zuvor von ihm emotional distanziert haben. Demnach sind Menschen, die ihre Angst verdrängt haben, durch den daraus resultierenden Abbau von Mitgefühl und dem damit wiederum einher gehenden Aufbau von Distanz zur Umwelt, in der Disposition Böses zu tun.

       1.5 Warum führt Schwäche zur Provokation von Stärke?

      „Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“ Dieser Gedankensplitter stammt von dem deutschen Philosophen, Soziologen, Gesellschaftskritiker und Komponisten Theodor W. Adorno (1903-1969). Richtig müsste es jedoch folgender Maßen lauten. Wo schwach du dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren, hat niemand Angst vor Schwäche.

      Warum kommt es eigentlich zu Übergriffen auf Schwache? Müsste das soziale Lebewesen Mensch nicht eher über ein natürliches Mithilfeempfinden für wie auch immer benachteiligte Artgenossen verfügen? Und sollte es darüber hinaus nicht eigentlich unter der Würde eines hochintelligenten Lebewesens wie Homo sapiens sapiens sein, sich an Schwächeren zu vergreifen? Ein Wesen, das in irgendeiner Form schwach ist und Hilfe benötigt signalisiert doch dadurch auch, das es zumindest momentan nicht in der Lage ist, jemandem Schaden zuzufügen. Warum sollte ein Mensch jemanden angreifen, der ihm weder etwas tut noch tun will und darüber hinaus noch nicht einmal tun könnte?

      Die Antwort lautet, weil ein Mensch, der seine Angst verdrängt hat, nach Übermenschlichkeit strebt und darum auch seine Schwäche verdrängen will. Darum fühlt er sich von der Schwäche anderer bedrängt, denn ihre Schwäche konfrontiert ihn mit seiner eigenen Schwäche, die er zu verdrängen sucht. Menschen, die ihr einfach Mensch sein nicht akzeptieren können, verdrängen neben ihrer Angst also auch ihre Schwäche und das sowohl in sich selbst als auch stellvertretend in anderen. Die Ursache dafür, wenn Menschen sich an schwächeren vergreifen ist demnach ihre Flucht in die Übermenschlichkeit. Zur Übermenschlichkeit passen jedoch weder Angst, noch Schwäche, noch Versagen etc. Es kostet die Betreffenden viel Energie, um all diese absolut natürlichen Bestandteile des einfach Mensch sein zu verdrängen und unter Verschluss zu halten. Darum ist dieser Zustand auch äußerst labil. Werden solche Menschen nun von der Außenwelt mit einer dieser unerwünschten Formen von Menschlichkeit wie etwa der Schwäche konfrontiert, droht ihre Übermenschlichkeitsfassade Risse zu bekommen. Die Schwäche von anderen bedroht Menschen, die hart sein wollen in so fern, dass sie sie mit ihrer eigenen Schwäche konfrontiert. Denn ein Mensch, der nicht genug Selbstvergebung aufbringen kann um seine Angst als Teil des einfach Mensch sein zu akzeptieren, erlaubt sich auch keine Schwäche, und deshalb kann er sie auch keinem anderen erlauben.

      Permanent auf der Flucht vor der eigenen Schwäche ängstigt ihn auch die Schwäche von anderen. Dadurch ist es einem solchen Menschen dann unmöglich, sich mit Schwächeren zu identifizieren nach der Devise ich bin nicht schwach, ich verachte die Schwäche anderer. Er schlägt oder tritt dann auf den Schwachen ein und schlägt oder tritt im Grunde dabei auf sich selbst ein. Denn es ist sein Standpunkt, dass man in dieser Welt hart sein muss, dass man immer hart sein muss oder man ist immer schwach und das macht ihm unvorstellbare Angst. Denn wenn solche Menschen mit der Schwäche anderer konfrontiert werden, müssen sie sich ja in diesem Moment damit auseinander setzten, dass sie ihre eigene Schwäche und vor allem auch ihre Angst verdrängt haben. Unter diesem extremen inneren Druck kommt es zu Hassempfindungen auf die Schwäche der anderen. Darum entwickeln dann manche Menschen Groll auf schwächere und fühlen sich sogar von deren Schwäche bedroht.

      Hier ist auch das Phänomen anzusiedeln, das manche Menschen, hierzu zählte unter anderem der österreichische Tiefenpsychologe und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856-1939), eine unnatürliche Abneigung gegen übergewichtige Menschen haben und diese insgeheim verspotten. „Ich erinnere mich, daß wir mit beleibten Menschen keine Geduld hatten; wir mochten sie nicht und verspotteten sie“ (Martin Freud Mein Vater Sigmund Freud). Bei