Outback Todesriff. Manuela Martini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Martini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742759511
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Ich kann dich bis nach Charleville mitnehmen.“

      Für einen Moment stand alles still. Andy wusste, dass er jetzt nur Ja sagen müsste, und er wäre frei. Frei von den Meinungen und Bedenken anderer, frei von ihr, frei – einfach das zu tun, was er für richtig hielt. Er müsste nur in dieses Auto steigen.

      Aber sie hatte ihn geküsst. Das hatte alles verändert.

      „Danke, aber ich bleib noch ´n paar Tage.“

      Er sah dem Auto nach, wie es sich entfernte und fühlte sich gut.

       Moodroo

      Er musste in die Wüste. In den Sternenhimmel sehen. Die Milchstraße und die Sieben Schwestern. Jetzt gleich. Konnte sie nicht mehr ertragen, die hässlichen Häusern mit ihren Fliegentüren und Gittern vor den Fenstern und den schäbigen Caravans in den Vorgärten. Brauchte sie sofort, die Stille, samtig wie ein Katzenfell. Die Stille, in der er wieder den Lizard hören konnte, wie er über die Sandkristalle huschte. Vielleicht hatte er ja das Dreaming doch nicht ganz verlernt, das Wissen, wie alles zusammenhing.

      Die Ahnen riefen zum Inquest auf, zur Befragung nach der Schuld. Sie wollten den Schuldigen. Der Schuldige musste getötet werden.

      Und er, Moodroo, musste ihrem Ruf folgen.

      In die Plastiktüte vom Lebensmittelladen warf er alle neun Bierdosen aus dem Kühlschrank und ging aus der Tür. Ohne Schlüssel und ohne Schuhe.

       Andy

      Er war noch völlig durcheinander von Jos Kuss und merkte erst jetzt, dass er vor einem Videoshop stehen geblieben war. Er wusste nicht so recht, was er tun sollte und da kam ihm der Laden gerade recht. Hoffentlich haben sie auch ein paar neue Filme, dachte er als er die mit Filmplakaten zugeklebte Tür aufzog. Der kleine Raum bestand praktisch nur aus Regalen, vollgestopft mit Videos. Ob Brady und Mike einen Player hatten?

      Ein Mädchen schob einen Plastikvorhang zur Seite und strahlte ihn an. „Kann ich helfen?“, fragte sie. Verglich er jetzt alle Frauen mit Jo? Sie sah gewöhnlich aus, mit ihrer blassgrauen Haut, dem mittelblonden, glatten Haar und dem großen Busen, der sich unter ihrem engen roten Shirt deutlich abzeichnete. Auf sein Alter schätzte er sie, vielleicht auch ein bisschen jünger. Bei Mädchen konnte er das immer schwer sagen.

      „Nein, ich seh mich nur ein bisschen um“, sagte er und fing an die Titel zu lesen.

      „Neu hier?“

      „Bin auf der Durchreise.“

      „Ah, ist ja auch nichts Besonders hier.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Und wo geht’s hin?“

      Gestern hätte er die Frage noch ohne Zweifel beantworten können.

      „Der Lebensmittelladen da drüben ...“, fing er an und deutete durch das staubige Fenster auf die andere Straßenseite. Jo war nicht so sehen. „Ist nicht leicht für die Frau, was?“

      Sie zog ihr enges T-Shirt straff.

      „Jo Hill? Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ Ihr Mund verzog sich und ihre Augen blitzten. Sie hatte jetzt etwas Gehässiges. Sie beugte sich über die Theke und kam seinem Gesicht nahe. Er sollte einfach gehen, doch da sagte sie schon:

      „Alle warten nur darauf, zu sehen, mit wem sie’s treibt! Und mit wem sie abhaut! Die ist ja zwanzig Jahre jünger als er! Und nicht aus der Gegend. Mit dem Leben hier kam sie auch vorher nicht klar. Vor dem Unfall.“ Sie richtete sich wieder auf und sagte schnippisch: „Naja, jeder hat eben sein Schicksal. Ich heiße übrigens Nicole.“

      Doch Andy war schon an der Tür.

      „He, und wie heißt du?“, rief sie ihm nach, aber er tat so, als hätte er die Frage nicht mehr gehört. Was sollte das heißen? Hat der Kuss ihr nichts bedeutet?

      Die dicken Äste loderten endlich auch. Das verbeulte Blech einer alten Kühlerhaube, das Brady als Windschutz hinter das Feuer gestellt hatte, reflektierte die orange-gelben Flammen. Andy schaufelte die glühende Holzkohle heraus und legte sie auf den gusseisernen, fest verschlossenen Topf, den er in ein Erdloch gestellt hatte. Sorgfältig verteilte er die Glut um den Topf herum und hörte das Fleisch darin brodeln.

      Lambina, hatte der Schwager des Tankstellenpächters erzählt, war der Reinfall meines Lebens. Ging mit ´en paar tausend Dollar hin und kam mit nichts zurück. Hat nur ´n paar Monate gedauert. Die haben mich sabotiert. Jeden Tag war was anders an den verdammten Maschinen kaputt. Und nachts haben die von der Nebenmine in meine reingegraben. Ich hab nämlich wirklich was gefunden. Aber ich war zu blöd und hab nicht unten mit `ner Knarre in der Hand gepennt. Was willst du machen, wenn du allein bist? Die wollten meinen Claim. Haben sie schließlich auch gekriegt. Du bekommst sowieso keinen Claim mehr. Alles weg. Und neue sind nicht in Sicht. Das Land gehört den Aborigines, die verkaufen erst wieder was, wenn sie Geld brauchen. Such dir was anderes, Lambina ist verlorene Zeit.

      Jetzt kochte Andy mit seinen Freunden Rinderfilet, das Brady während einer Reparatur aus dem Kühlwagen gestohlen hatte. Sie hatten die Sessel und Schaukelstühle von der Veranda heruntergeholt und um das Feuer herum gestellt. Zikaden zirpten und hin und wieder schrie ein Vogel auf. Am schwarzen Himmel leuchteten die Sterne. „Wenn du so ein Moralapostel bist, musst du halt was anderes essen“, hatte Brady auf Andys Einwand hin erwidert. Er hatte dabei die Augen zusammengekniffen und das Kinn vorgeschoben. Andy war wieder aufgefallen, wie verschlagen er aussah. Er hatte die Bedenken weggeschoben. Endlich hatte er Freunde gefunden. Typen, die sich einfach nahmen, was sie wollten und nicht wie er selbst ihr ganzes Leben mit Warten verbrachten. Vielleicht war ihre Art zu leben gar nicht so schlecht. Und, was machte es schon, sich ein bisschen was zu essen zu nehmen?

      „Wir sind ein Superteam!“ Brady steckte sich ein Stück Fleisch in den Mund. Mike, der im Ohrensessel lümmelte, nickte und kaute. Andy schnitt sich ein weiteres Stück ab.

      „Mike hat das Bier beschafft, ich das Fleisch, und Andy hat gut gekocht!“, fuhr Brady mit vollem Mund fort. Als Brady erwähnte, dass Mike das Bier „besorgt“ hätte, wurde Andy klar, es war geklaut. Mike hatte keinen Job und klaute, was sie so zum Leben brauchten.

      „Gib mir noch ein Stück Fleisch!“ Brady hielt Andy den Teller hin. „Könnten doch mal wieder was unternehmen.“

      „Cool!“ Mike schüttet das Bier hinunter.

      „Und du, was meinst du, Andy?“

      „Mhm“, machte Andy und nickte. Er hatte keine Ahnung, was sie so unternehmen sollten.

      „Okay, und was?“ Brady sah in die Runde.

      „Könnten nach Eulo in den Puff“, schlug Mike vor und puhlte Fleisch aus den Zähnen. Brady lachte.

      „He, Andy! Eulo musst du doch kennen!“

      „Wieso?“ Brady schlug seinem Bruder auf die Schenkel. „Ist das wahr? Unser Andy kennt Eulo nicht, die verfickte Hure von Eulo.“

      Mike lachte genauso laut und schlug Brady ebenfalls auf die Schenkel.

      „Also komm, klären wir unseren Freund mal auf.“ Brady beugte sich vor.

      „Ja, klären wir ihn mal auf“, wiederholte Mike.

      „Also, da war `ne Frau, `ne verdammte Hure genauer gesagt“, fing Brady an.

      „`ne Hure im Puff“, warf Mike ein. Brady nickte und fuhr fort. „Genau, ´ne Hure im Puff in Eulo. Die war besonders scharf auf Opalgräber-Schwänze!“ Mike wollte etwas sagen, doch Brady redete weiter: „Denen hat sie die beschissenen Opale abgefickt. Die mussten mit Opalen bezahlen. Die alte Schlampe ist stinkreich dabei geworden.“

      Mike grölte und nickte unablässig, bis Brady ihm den Rest Bier aus der Flasche überschüttete und vor Lachen brüllte. Mike erstarrte. Andy fürchtete eine Schlägerei zwischen den besoffenen Brüdern. Doch dann fing Mike ebenfalls an, vor Lachen zu brüllen.

      „Die Hure von Eulo – vielleicht hat die deinem Alten auch die Opale abgewichst! Und der hat dir einfach