„Ach, hab zurzeit ´ne Pechsträhne.“ Jeff zündete sich wieder eine Zigarette an. „Trau meinem Gefühl nicht mehr. Ist mir mit Aktien passiert und mit Frauen auch. Hier hat übrigens einer vor ein paar Monaten ein paar Dollars auf ´ne alte Mähre gesetzt und dreitausend Dollar gewonnen. Ist seitdem nicht mehr aufgetaucht.“
„Und wie hieß der Glückspilz?“
Jeff zuckte die Achseln und grinste dann. „Shane, ich sehe die kleinen Zahnrädchen in Ihrem Kopf rotieren – könnte das der Tote sein? Mord aus Habgier? Ist doch eines der stärksten Motive, oder? Außer Eifersucht!“
„Ich könnte noch einen Assistenten gebrauchen“, bemerkte Shane.
„Nee, danke, bin nicht schussfest! Mach mir jedes Mal fast in die Hose, wenn die Jungs ihre Tontauben abschießen. Ach, wen haben wir denn hier?“ Jeff schob Shane nach rechts. „Das ist John Morgan.“
Vor ihnen stand ein Schrank von einem Mann, größer als Jeff, mit breiten Schultern wie ein Rugbyspieler und einem Lächeln wie George Clooney. Shane schätzte ihn auf Ende vierzig. Er hatte graues Haar, ein markantes Kinn und blaue Augen – und bestimmt keine Probleme mit Frauen.
„Hi, John, das ist ...“, begann Jeff, doch der Farmer fiel ihm mit einer rauen, sonoren Stimme ins Wort. „Detective Shane O’Connor, richtig? Hab schon von Ihnen gehört.“ Er schüttelte Shane die Hand. Sein Händedruck war fest. Shane musste zu Morgan aufsehen. Er trug Jeans und eine große, blinkende Gürtelschnalle, glänzende Boots und ein kariertes Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte, so dass seine muskulösen, behaarten Unterarme und eine blitzende Uhr zur Geltung kamen.
„Wenn Sie sich für Rinder interessieren, kommen Sie mal rüber zu uns. Wir treiben in den nächsten Tagen das Vieh zusammen. Sind ein paar verdammt prächtige Exemplare dabei!“
„Danke, aber ehrlich gesagt interessieren mich Rinder erst als Steaks“, antwortete Shane und John lachte laut.
„Sie sind zwar aus der Stadt, aber wenigstens kein verdammter Vegetarier! Sagen Sie, Detective, wie viel zahlen Sie beim Metzger in der Stadt für ein gutes Filet?“
„Ich weiß nicht, meistens gehe ich essen.“
„Aha, nicht verheiratet, was? Also, kommen Sie mal vorbei. Ich bin sicher, wir können Ihnen klar machen, dass dieser Tote hier nichts mit uns zu tun hat, oder Jeff?“ John fuhr fort: „War ein verdammt dummer Zufall. Aber wenn noch nicht mal jemandem aufgefallen ist, dass der Mann verschwunden ist, dann frag ich mich, was der für ein verdammtes Leben geführt haben muss. Wenn ich plötzlich verschwinde, vermissen mich sicher zwanzig Leute.“
„Dann können Sie ja beruhigt sein“, erwiderte Shane. John stutzte einen Moment und lachte dann wieder. „Ihr Humor gefällt mir!“ Mit den Worten tauchte er in der Menge wieder unter.
„Sehen Sie, da hinten!“ Jeff zeigte auf eine blonde, hochgewachsene Frau mit gebräunter Haut. „Das ist seine Frau, eine exzellente Reiterin. Hat früher Preise im Campdrafting gewonnen.“
Shane beobachtete die Frau, wie sie ihrem Gesprächspartner, einem kleinen Dicken mit flachem Hut, ein charmantes Lächeln schenkte.
„Vielleicht finde ich ja einen Grund sie zu verhören.“ Shane wandte sich wieder Jeff zu. „Wissen Sie, Jeff, um ehrlich zu sein, weiß ich überhaupt nicht, wo ich anfangen soll, zu ermitteln.“
„Da beneide ich Sie nicht. Aber um Ihren Sieg! Vergessen Sie nicht, Ihren Gewinn abzuholen.“
Shane ging zum Wettschalter. Er fühlte sich gut, wenn er gewann. Er war genau in der richtigen Stimmung, er musste sie nur noch ausfindig machen ... Da war sie schon, an der Bar. Shane drängelte sich durch die Menge.
„Mrs. Morgan?“ Die Frau drehte sich um, ihre Haut glänzte feucht. In dem Augenblick beneidete er John Morgan. Wie er dieses einsame Leben hasste.
„Shane O’Connor, Detective“, stellte er sich vor.
„Oh? Hab ich was verbrochen?“ Sie lachte ein offenes Lachen, ihre Züge waren gleichmäßig, ihre Nase, ihr Mund, ihre Augen – alles passte harmonisch zusammen und ließ sie sympathisch erscheinen.
„Haben Sie?“, fragte er amüsiert und wusste, dass er bereits eine Grenze überschritt. Sie lachte und ihre Lippen spannten sich über gleichmäßigen weißen Zähnen.
„Finden Sie’s raus.“
Shane lachte wieder und wurde dann ernst. „Ich hab gerade mit Ihrem Mann gesprochen.“
„Und er hat Sie sicher eingeladen.“
Shane nickte.
„Wenn Sie Lust haben“, sagte sie, „dann kommen Sie doch einfach zu uns raus. Reiten Sie?“
„Hab ich verlernt ... aber ich überlege es mir. Noch viel Spaß heute ... haben Sie schon was gewonnen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich wette nie.“
„Ja dann, alles Gute.“ Er drehte sich um als sie noch sagte:
„Übrigens, Detective, Reiten verlernt man nie.“
Shane riss sich von ihrem Anblick los und ging endlich zum Wettschalter, um seinen Gewinn abzuholen.
„Das reicht wohl nicht ganz für eine Schlagzeile, aber für einen Luch im Corones“, meinte Jeff.
Kaum saß Jeff auf dem Beifahrersitz in Shanes Wagen, schaltete er das Radio an und rutschte so tief in den Sitz, dass seine langen Beine ans Armaturenbrett stießen. „Fahren Sie geradeaus, die Hunter Street runter.“ Er fummelte am CD Player herum.
„Funktioniert nicht“, erklärte Shane. „Nur das Radio. Aber es gibt sowieso nur zwei Sender, Ihren und noch einen. Machen Sie um Himmels willen dieses Ding wieder aus! Singen Sie mir lieber was vor.“
„Ich hab tatsächlich mal gesungen, im Kirchenchor. Meine Mutter bestand drauf.“ Jeff grinste.
„Okay, dann wohl doch lieber das Radio.“
„Ach, jetzt ist sowieso Simon dran. Wenn ich auf Sendung wäre, würde ich einschalten.“ Er lachte und fuhr gleich darauf fort: „Der Council hat zehn Millionen Dollar in Charleville investiert. Da staunen Sie, was? Sechs Komma sieben Millionen für den Schlachthof, zwei Millionen für das Department of Natural Resources und für den Wiederaufbau des Veteranenclubs. Hat übrigens stolze siebenhundert Mitglieder. Wenn Sie Spesen sparen wollen, da gibt’s ein Mittagessen für zwei Dollar.“
„Und das überlebt man?“
„Schauen Sie mich an.“
„Na ja, also eher nicht.“
„Sie sind ein richtiger Witzbold, Shane. Hat Ihnen das schon mal einer gesagt?“
„Nein.“
„Sehen Sie, Sie müssen nur mal in den Busch kommen, dann erfahren sie ihr wahres Wesen. Jetzt links in die Parry Street!! Außerdem gibt es ein Observatorium.“
„Entpuppt sich ja als richtiges Touristeneldorado, Ihr Charleville“, murmelte Shane.
„Ihr von der Küste habt eben keine Ahnung, was es bedeutet, hier draußen zu leben.“
„Warum müsst ihr eigentlich dauernd betonen, wie besonders euer Leben hier ist?“
„Okay, Shane, kein Wort mehr über unsere Fähigkeiten zu überleben, unsere sternklaren Nächte und unseren schönen Frauen ...“
„He, hören Sie auf damit, sonst kauf ich mir eine Farm und lass mich hier nieder.“
„Muss nicht das schlechteste Leben sein. Hier rechts rein, in die Wills Street! Da drüben, das ist das Cobb&Co. Denkmal, wenn Sie mir noch den kleinen historischen Vermerk erlauben.“
„Nur zu.“
„Wussten Sie, dass die