Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und brachten ihn an seinen Mund.
Johannes 19,28.29
Die drei Stunden der Finsternis waren vorüber. Der Herr Jesus wusste, dass alles vollbracht war. Aber eine Prophezeiung aus dem Alten Testament musste noch erfüllt werden: dass Er in seinem Durst mit Essig getränkt würde (Ps 69,22). Deshalb bat der Herr, dessen Zunge an seinem Gaumen klebte, unmittelbar vor seinem Tod seine Feinde demütig um etwas gegen seinen schrecklichen Durst.
Man hatte Christus bereits vor der Kreuzigung und kurz danach etwas zum Trinken angeboten (Mt 27,34; Lk 23,36). Dabei wurde Galle in ein Getränk gemischt, wodurch sich der erste Teil von Psalm 69,22 erfüllte: „Sie gaben in meine Speise Galle.“ Er aber nahm nichts an, was seine Qualen betäubt hätte, und machte keinen Gebrauch davon, dass Umkommende starkes Getränk nehmen durften (Spr 31,6). Er ertrug alles in der Kraft seiner Ergebenheit.
Jetzt aber wollte Christus trinken um der Heiligen Schrift willen. Und was wurde dem gegeben, der alle Wasser dieser Erde mit seiner hohlen Hand gemessen hat und der das Wasser in die Wolken bindet (Jes 40,12; Hiob 26,8)? Er bekam einen Schwamm gereicht, aus dem Er einige Tropfen Weinessig saugte! So erfüllte sich der zweite Teil von Psalm 69,22: „In meinem Durst gaben sie mir Essig zu trinken.“
Wenn im Johannesevangelium von Durst die Rede ist, hat dieser Durst immer eine tiefere Bedeutung (Joh 4,14; 6,35; 7,37). Wir denken hier daran, dass den Herrn Jesus nach Gott dürstete (Ps 42,2; 63,2). Und wir wissen auch um sein Verlangen nach dem Heil verlorener Sünder. Um dieses Heil zu erkämpfen, nahm der Herr die großen Leiden auf sich, von denen schon die Propheten geredet hatten. Ihm sei Ehre!
VOLLENDUNG DES WERKES
Das sechste Wort Christi am Kreuz
Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er:
Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt
und übergab den Geist.
Johannes 19,30
Direkt nachdem Jesus den Essig genommen hatte, um die Schrift zu erfüllen, sprach Er aus, was Er in seinem Herzen wusste: dass das Werk vollbracht ist. Menschen, die in der Mitte ihrer Jahre aus dem Leben gerissen werden, haben in ihren letzten Stunden ihres Abschieds oft Worte der Enttäuschung auf ihren Lippen gehabt, Er aber rief triumphierend: „Es ist vollbracht!“
Der Herr Jesus hatte die Schrift erfüllt und vollkommen den Willen dessen getan, der Ihn gesandt hatte, und sein Werk vollbracht (vgl. Joh 4,34; 5,30; 6,38; 8,29; 17,4). Nun war Gott völlig verherrlicht und der Weg geöffnet, dass Gott seinen ganzen Segen über die ausschütten kann, die seinem Sohn vertrauen. Jesus hat alles vollendet, alles erfüllt, alles getan.
„Es ist vollbracht!“ Was für ein Ozean von Gedanken und Segnungen verbirgt sich hinter diesem Satz, den sein heiliger Mund am Kreuz ausgesprochen hat! Erst die Ewigkeit wird klarmachen, wie gewaltig die Auswirkungen dieses Erlösungswerks sind, das nur Er vollbringen konnte und welches nur Er vollbracht hat.
Wir Menschen können dem Sühnungswerk des Herrn Jesus nichts hinzufügen. Unsere Werke sind nicht gefragt, denn Er hat das große Werk am Kreuz ausgeführt und Sühnung für Sünden bewirkt. Wenn wir an das glauben, was Er getan hat, dürfen wir glücklich wissen, dass wir durch sein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht sind (Heb 10,14).
VERTRAUEN IM STERBEN
Das siebte Wort Christi am Kreuz
Und Jesus rief mit lauter Stimme und sprach:
Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!
Als er aber dies gesagt hatte, verschied er.
Lukas 23,46
Wie bei allen sieben Aussprüchen des Herrn am Kreuz gibt es hier ebenfalls einen Anklang an das Alte Testament. Deutlich ist der Bezug zu Psalm 31,6, wo David betet: „In deine Hand befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Wahrheit!“ Der Herr fügt aber einerseits die Anrede „Vater“ hinzu, die David so nicht verwenden konnte. Andererseits lässt Jesus den zweiten Teil des Verses weg, weil Er nicht erlöst wurde, sondern selbst der Erlöser ist!
Als der Herr Jesus seinen Geist aufgab, rief Er ein zweites Mal mit lauter Stimme (vgl. Mt 27,46; Mk 15,34). Das zeigt sehr eindrucksvoll, dass Er nicht an Entkräftung gestorben ist. Er hat sein heiliges Leben freiwillig in den Tod gegeben. Niemand konnte Ihm das Leben nehmen, sondern Er hatte Gewalt, sein Leben nach dem Gebot des Vaters zu lassen – und Er hat es auch getan (Joh 10,18).
Der Herr Jesus übergab seinen Geist in die Hände des Vaters. Jesaja spricht prophetisch davon, dass Er seine Seele in den Tod ausgeschüttet hat (Jes 53,12). Und in Hebräer 10,10 lesen wir von dem ein für alle Mal geschehenen Opfer des Leibes Jesu Christi. Christus wurde wahrhaftig Mensch und hat einen Geist, eine Seele und einen Leib. Und dieser wahrhaftige Mensch ist wirklich in den Tod gegangen.
Obwohl der Herr in den drei Stunden der Finsternis die Strafe für unsere Sünden getragen hat, musste Er zur Sühnung auch noch sterben, weil der Lohn der Sünde der Tod ist (Röm 6,23). „Ohne Blutvergießung“, sagt der Schreiber des Hebräerbriefes, „gibt es keine Vergebung“ (Heb 9,22). Darum hat Er sein heiliges Blut vergossen, darum ist Er am Kreuz gestorben.
„Als aber der Hauptmann, der ihm gegenüber dabeistand, sah, dass er so schrie und verschied, sprach er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Dieser Mann blieb nicht der Einzige, der durch das Geschehen am Kreuz beeindruckt wurde. Und auch wir wollen immer wieder das Geschehen auf Golgatha bewundern!
GABEN VOR GOTT BRINGEN
Christus – unser großer Priester
Mache ein Blech aus reinem Gold und stich darauf mit Siegelstecherei: Heilig dem HERRN! Und tu es an eine Schnur aus blauem Purpur; und es soll an dem Kopfbund sein, an der Vorderseite des Kopfbundes soll es sein. Und es soll auf der Stirn Aarons sein,
und Aaron soll die Ungerechtigkeit der heiligen Dinge tragen, die die Kinder Israel heiligen werden bei allen Gaben ihrer heiligen Dinge; und es soll beständig an seiner Stirn sein, zum Wohlgefallen für sie
vor dem HERRN.
2. Mose 28,36-38
Das Volk Israel war dem Herrn ein heiliges Volk, das Er sich zum Eigentumsvolk aus allen Völkern erwählt hatte (5. Mo 7,6; 14,2). Das war ihre Position vor dem Herrn. Doch wenn die Kinder Israels ihre heiligen Gaben zum Zelt der Zusammenkunft brachten, taten sie es als Menschen, die mit Ungerechtigkeit behaftet waren. Wie sollte ein heiliger Gott solche Gaben annehmen?
Er konnte es tun, weil das Volk von dem Hohenpriester repräsentiert und vertreten wurde. Am Kopfbund des Hohenpriesters war ein goldenes Blech befestigt, auf dem eingraviert war: Heilig dem Herrn. Wenn die Israeliten ihre Gaben zum Heiligtum brachten, blickte Gott auf den Hohenpriester in seiner heiligen Amtstracht und nahm die Gaben deshalb wohlgefällig an.
Als Christen wissen wir, dass wir für Gott geheiligt sind durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi (Heb 10,10). Diese Heiligung ist nicht nur äußerlich wie beim Volk Israel, sondern wir sind in völlige Übereinstimmung mit Gott gebracht worden und haben freien Zugang in seine Gegenwart auf dem „neuen und lebendigen Weg“ (Heb 10,19.20).
Doch unsere „geistlichen Schlachtopfer“, die wir Gott bringen wollen, sind mit unserer Schwachheit und Ungerechtigkeit verbunden. Wir würdigen das Opfer Christi nicht so, wie wir es sollten. Unsere Gedanken über den Sohn sind nicht immer seiner Heiligkeit angemessen. Unsere Formulierungen sind unzureichend und wir haben manchmal Mühe, das auszudrücken, was in unseren Herzen ist.
Was nun? Sollen wir besser unsere Anbetung zurückhalten, weil Gott nur das annehmen wird, was im Einklang mit seiner Heiligkeit ist? Sollten wir als Brüder in den Zusammenkünften lieber schweigen, damit wir nichts falsch machen und versehentlich einen Schatten auf Christus und sein wunderbares Sühnungswerk werfen?