Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Kompendium DaF/DaZ
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301196
Скачать книгу
und die explizite Thematisierung von Transkulturationsprozessen. Linguakulturelle Aspekte spielen eine sekundierende Rolle.

       Hauptanwendungsbereich der interkulturellen Hermeneutik sind literaturwissenschaftliche Themen. Ihre Grundlage ist die Annahme der kompensatorischen, optimierenden und maximierenden Wirkung mangelnden Wissens. Marquard (1981) bezeichnet die Zielsetzung der interkulturellen Hermeneutik als Inkompetenzkompensationskompetenz. Auf diese wird noch ausführlicher in Lerneinheit 1.3 eingegangen. Interkulturelles Verstehen ist zielgerichtet und – in den Unterrichtsverfahren – vor allem rekonstruierend auf Innen- und Außenperspektiven ausgerichtet. Das Erreichen einer übergeordneten (harmonisierenden transkulturellen) Perspektive im Dritten Ort ist ein theoretisches Desiderat. Hierüber bestehen konzeptuelle Verbindungen zu einem (bisher nicht ausgearbeiteten) Modell einer transkulturellen Landeskunde. Die skeptische Hermeneutik betont dagegen die Normalität und katalytische Bedeutung des Erhalts von Fremdheit. Linguakulturelle Aspekte sind konstitutiv.

       Die interkulturelle Sprachdidaktik. Sie versucht, das Sprach- und Kulturverstehen auf der Grundlage interkulturell hermeneutischer Verfahren als kohärentes linguakulturelles System abzubilden und dieses mit erwerbslinguistischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen sowie lernpsychologischen und didaktischen Aspekten in Einklang zu bringen. Sharifian (2007) fordert dafür die Entwicklung einer angewandten kulturellen Linguistik. Die interkulturelle Sprachdidaktik verbindet rekonstruktive Aspekte des perspektivischen Verstehens mit konstruktiven Transkulturationsprozessen, die sich auch in kreativen Lernerproduktionen manifestieren.

      In dieser Lerneinheit und in Lerneinheit 1.3 werden diese Ansätze der operationalisierten Sprach- und Kulturvermittlung genauer betrachtet. Im Anschluss daran wird die Rolle der Fremdheit als Bedingung und Element kognitiver Prozesse dargestellt und es wird ein Vorschlag skizziert, mit dem mehrsprachige und mehrkulturelle Dynamiken in einem ökologischen Transkulturationsmodell für die Sprach- und Kulturvermittlung angemessen zusammengeführt werden können. Ausführlicher lesen Sie in der Lerneinheit 4.3 über den Unterschied von Transkulturalität und Transkulturation.

      1.2.3 Kultur- und Landeskunde

      Mit der kommunikativen Didaktik und ihrem Blick auf die Alltagskulturen rückte neben der faktenbasierten Landeskunde die Beschäftigung mit dem Kontext der Kommunikation stärker in den Fokus der Landeskunde. Ellis und Roberts (1987) führen dazu die Unterscheidung von drei Arten von Kontext ein: einen sprachlichen, einen sitationsbezogenen und einen interaktiven Kontext (vergleiche auch Ellis 1992). Diese Klassifikation wurde in der Folge von Kramsch (1993) um eine kulturelle und intertextuelle Komponente erweitert.

      Zur Kontextualisierung der Alltagskommunikation gesellen sich seitdem Ansätze, die über die klassischen, aus den Bereichen der Alltagssprache und der Literaturvermittlung stammenden Themenbereiche hinausgehen. Der Begriff Kontext ist offen für alle denkbaren Interessensgebiete und Disziplinen. Die Charte des Langues Vivantes (1980) fordert aus diesem Grunde bereits früh, stellvertretend für viele Lehrpläne, ein Überdenken des Sprachunterrichts und explizite sprachdidaktische Verbindungen zu allen Disziplinen, unter anderem durch die Sprachreflexion in Verbindung mit der Muttersprache und der Mathematik, durch die Entwicklung des persönlichen Ausdrucks in Verbindung mit dem Literatur- und Kunstunterricht und durch die Öffnung auf die Welt in Verbindung mit der Geschichte, der Geographie, der Wirtschaft und den Naturwissenschaften:

      À l’intérieur de la scolarité obligatoire, l’enseignement des langues doit être repensé, dans sa spécificité propre et en liaison avec l’ensemble des disciplines (réflexion sur le langage, en liaison avec la langue maternelle et les mathématiques, développement de l’expression personnelle en liaison avec les enseignements littéraires et artistiques, ouverture sur le monde en liaison avec l’histoire, la géographie, l’économie, les sciences […]). (Charte des Langues Vivantes 1980)

      Auch die CLIL-Initiative (Content and Language Integrated Learning) steht in dieser Tradition (Europäische Kommission 2012). Bemerkenswert ist, dass das inhaltsbezogene Lernen nicht erst mit der kommunikativen Didaktik oder der späteren CLIL-Initiative entdeckt wurde, sondern schon lange zu den grundlegenden Prinzipien der Sprachvermittlung gehört (siehe hierzu Krueger & Ryan 1993). Eine Inhaltsorientierung schlägt bereits Comenius vor und sie findet auch in der traditionellen Orientierung des Fremdsprachenunterrichts auf literar-historische Themen und in einer Reihe weiterer Ansätze statt. Die industrielle Revolution und die explosionsartige Entwicklung der Naturwissenschaften führten im 19. Jahrhundert schließlich zu einem größeren Bedarf an technischen Themen- und Arbeitsbereichen im Sprachunterricht. Schon 1880 fragte daher der französische Sprachpädagoge Gouin: „Warum sollte der Physik- oder Geschichtsunterricht nicht als Thema des Deutsch- oder Französischunterrichts dienen?“

      113 Jahre später machen Krueger und Ryan (1993) mit Blick auf den nordamerikanischen Fremdsprachenunterricht eine bemerkenswert ähnliche Feststellung:

      If, on the other hand, languages are never used in any courses other than literature, this sends a clear signal that they really have no other important use. (Krueger & Ryan 1993: 7)

      Der deutsche Didaktiker Viëtor publizierte 1882, von seiner eigenen Sprachlernerfahrung in London beflügelt, ein kritisches Pamphlet zu den damals vorherrschenden Unterrichtsverhältnissen, das er mit dem (auch heute noch aktuellen) Titel Der Sprachunterricht muß umkehren versah. Der auch dort geforderte themenspezifische, inhaltsbasierte Sprachunterricht ist in der Folge in den bilingualen Modellen weiterentwickelt worden. Dazu gehören auch Immersionsprogramme und ‑schulen, die sich darum bemühen, den Inhalt und den Kontext der Zielkultur möglichst authentisch in der Sprachvermittlung abzubilden. Die französischsprachigen Immersionsprogramme und -schulen, die 1965 ihren Ausgang in St. Lambert in Québec nahmen, gehören zu den bekanntesten Vertretern dieser Unterrichtsmodelle. Eine Reihe weiterer Modelle, die fachspezifische Inhalte im Sprachunterricht – oder umgekehrt sprachliche Elemente im Fachunterricht – berücksichtigen, sind seitdem vorgeschlagen und erprobt worden. Zu den wichtigsten gehören die Content-Based Instruction und die Discipline-Based Instruction in Nordamerika und die bereits genannte Content and Language Integrated Learning-Initiative (CLIL) in Europa. Auch im Foreign Laguages Across the Curriculum- (FLAC) oder Foreign Lanuages in the Curriculum-Programm (FLIC), manchmal auch Foreign Laguage-Enriched Content Instruction genannt (Allen, Anderson & Narvaez, zitiert bei Wesche 1993: 59), wird in der Fremdsprache unterrichtet. Bei diesen FLIC- / FLAC-Programmen ist der Fokus anders als im immersiven Sprachunterricht: Hier werden fremdsprachige Ressourcen in den Fachunterricht integriert, nicht der Fremdsprachenunterricht mit fachlichen Inhalten durchgeführt. Dabei kann es sich um spezifische Aufgaben wie fachliche Recherchen, die Konstruktion von Gegenständen oder Plänen oder die Durchführung von Experimenten in der Fremdsprache handeln (siehe Jurasek 1993: 86ff; Metcalf 1993: 114f).

      Die Einbeziehung von Fachsprachen in den Fremdsprachenunterricht steht ebenfalls in der Tradition der Inhaltsorientierung. Durch die fachspezifische Orientierung auf Inhalte und die Nutzung des fachlichen Vorwissens der Lerner lässt sich gerade bei fachkompetenten Lernern eine wesentliche Lernerleichterung und -beschleunigung erzielen (Roche 2008: 18; Meißner & Burk 2001; Buhlmann & Fearns 2000). Wichtige didaktisch nutzbare Faktoren in diesem Verfahren sind die Ausnutzung bereits erworbenen Fachwissens und bereits erworbener Fachkompetenzen und das verbundene erhöhte Interesse (die Motivation) der Lerner.

      Während die klassische Landeskunde die Zielkultur als faktenbasierte Kunde der fremden Kultur behandelt, verschiebt sich der thematische Schwerpunkt mit der kommunikativen Didaktik zunehmend auf sozio-geographische, historische, wirtschaftliche und andere gesellschaftspolitisch relevante Informationen, aber das einbahnartige Prinzip der Präsentation von Inhalten der fremden Kultur bleibt, ähnlich wie bei der Vermittlung der Grammatik, weitgehend das gleiche. Byram charakterisiert es als

      the listing and learning of ‘typical’ differences, of haphazard facts about daily life in some conflict-free, leisure-laden, lower-to-middle class family, supplemented by a simplistic geography and history of the country in question. (Byram 1989: 20)

      Als Folge dessen wird Kultur im Unterricht häufig als (fakultatives) Landeskunde-Zusatzangebot