Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Kompendium DaF/DaZ
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301196
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und entsprechend geübt.

      5 In der Integrationsphase (Gegenüberstellung) wird das zuvor erreichte Diskussions- und Wissensniveau weiteren, auch deutlich kontroversen Perspektiven gegenübergestellt, und zwar nach Möglichkeit mit gleichzeitigem Blick auf die sprachliche Variation in unterschiedlichen Textsorten. Die sprachliche Formulierung der verschiedenen Perspektiven sollte mit Ausnahme der rezeptiven Fertigkeiten möglichst nicht über das sprachliche Niveau der Lerner hinausgehen. Die Lerner sollten die Materialien aber selbständig nutzen und ihre eigenen Ansichten mit dem entsprechenden Selbstvertrauen und der nötigen sprachlichen Sicherheit vertreten können. Der Grad des deduktiven Denkens soll dabei erhöht werden.

      Die fünf Phasen werden durch zahlreiche Referenzmaterialien, also die Nutzung von Wörterbüchern, Grammatiken, Adressen, Internetquellen, weiteren Lesetexten und ähnlichem ergänzt, die für das selbständige Lernen nötig sind. Der Umfang der Phasen ist variabel. Er kann entsprechend den Bedürfnissen der Lerner und der Lernziele angepasst werden. Alle Phasen basieren auf bedeutungstragenden Beziehungen. Assoziative Denkformen werden zunehmend durch deduktive ersetzt, je weiter die Lerner in den Phasen fortschreiten. Das vierstufige Modell des interkulturellen Sprachunterrichts von Byram und Morgan (1994: 50) enthält ebenfalls systematisierte Didaktisierungsvorschläge (vergleiche auch Witte 2006) zur Progression im interkulturellen Unterricht).

      Aus der Darstellung der verschiedenen kulturvermittelnden Ansätze werden unterschiedliche Schwerpunkte und Ziele deutlich. Neben traditionellen faktenorientierten und vorwiegend auf die Rekonstruktion denotativen Wissens ausgerichteten Verfahren, mit verschieden starker linguakultureller Orientierung, finden sich zunehmend Ansätze, die in unterschiedlichem Maße konstruktivistische Aspekte des Fremdverstehens berücksichtigen. Wie diese mit Prozessen der Transkulturation vereinbar sind, soll im folgenden Kapitel behandelt werden.

      1.3.4 Zusammenfassung

      In dieser Lerneinheit ging es darum, die Relevanz der interkulturellen Hermeneutik für die Sprach- und Kulturvermittlung kritisch zu reflektieren. Dabei zeigt sich, dass die wesentlichen Konzepte der Hermeneutik oft leichtfertig und nicht gut verstanden herangezogen werden, um didaktische Verfahren zu begründen. Die Begriffe das Eigene und das Fremde oder Perspektivwechsel und ähnliche signalisieren ein mangelndes Verständnis für die kognitive Umsetzbarkeit anspruchsvoller Lehrpostulate. In dieser Einheit haben Sie

       die theoretischen Grundlagen der interkulturellen Sprachdidaktik und eine Reihe einschlägiger Referenzen kennengelernt;

       verschiedene Ansätze zur Kulturvermittlung und Landeskunde im Fremdsprachenunterricht kritisch reflektiert;

       Illustrationen von Lehrmaterialien und einen mehrstufigen Vermittlungsansatz für die Praxis kennengelernt und kritisch begutachtet.

      1.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

      1 Was verbirgt sich hinter dem paradox klingenden Begriff Inkompetenzkompensationskompetenz?

      2 Was besagen neuere Studien zum Austausch von Schülern und Studenten in Bezug auf die Entwicklung interkultureller Kompetenzen?

      3 Illustrieren Sie anhand des 5-Phasenmodells, wie ein Annäherungsprozess durch multiperspektivisches Lernen in der interkulturellen Sprachdidaktik möglich ist.

      4 Welches sind die in dieser Lerneinheit deutlich gewordenen unterschiedlichen Schwerpunkte der kulturvermittelnden Ansätze?

      2 Transkulturation und Transdifferenz

      Interkulturelle Kommunikation ist ein etablierter Begriff in der Alltagssprache, in Lehrplänen, in vielen wissenschaftlichen Disziplinen und in populären Firmentrainings. Dennoch ist nicht klar festgelegt, was genau damit gemeint ist. War es in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts notwendig, in der aufkommenden postkolonialen, zunehmend multikulturell geprägten Zeit auch passende Begriffe zu besitzen, so sind zunehmend Zweifel an der Umsetzbarkeit multi- und danach interkultureller Gesellschaftsmodelle aufgetreten. Das hat vor allem mit der Erkenntnis zu tun, dass Kontakt alleine noch keinen Austausch und kein Verstehen bewirkt, sondern oft sogar die Gegensätze verschärft. Im Zuge dieser Diskussion lassen sich unterschiedliche Strömungen feststellen: die eine, die munter einem vagen Multi- und Interkulturalismus-Konzept verschrieben ist, dessen hermeneutische Prämissen um das Fremde und Eigene, Perspektivenwechsel und Toleranz kreisen. Eine andere, die gerade diese hermeneutischen Prämissen hinterfragt und sich damit auch von den frühen Begrifflichkeiten der Debatte distanziert. In diesem Kapitel geht es darum, dieser zweiten Strömung Platz einzuräumen. Es wird daher dargestellt, welche Weiterentwicklung das Konzept der Transkulturation und das der Transdifferenz gegenüber statischen Modellen der kulturellen Begegnung darstellen, inklusive dem der Transkultur. In diesem Zusammenhang wird auch das vermeintliche Gegenstück zu interkultureller Kommunikation, die Verwendung eines vermeintlich universellen, linguakulturunabhängigen Instrumentes beleuchtet, wie es in einer Lingua Franca gegeben scheint. Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Frage, wie sich individuelle Identitätskonstruktionen mit vorherrschenden gesellschaftlichen vereinbaren lassen, ohne dass es zu Auflösungserscheinungen kommen muss (Lerneinheit 2.1). Lerneinheit 2.2 stellt die Grundlagen des Verstehensmodells Transdifferenz ausführlich dar. Lerneinheit 2.3 befasst sich schließlich mit der Rolle der Lingua Franca als Instrument in Wissenskulturen und Wissenschaftssprachen.

      2.1 Kulturtransfer und Identität

      Jörg Roche

      Wer mit Sprache kommuniziert, nimmt bekanntlich unterschiedliche Rollen an, weil er damit Unterschiedliches ausdrücken kann. Über diese in sozialer Interaktion ausgehandelten Rollen konstituiert ein Sprecher also unterschiedliche Identitäten. Wie aber verändern sich diese Rollen über sprachkulturelle Grenzen hinweg, wie lassen sie sich nebeneinander organisieren, ohne zu Interferenzen oder Konflikten zu führen? Die Frage der sozialen Identität eines Sprechers führt gleichzeitig zu grundsätzlichen Fragen des Kontaktes und Austausches von Kulturen. Inwiefern führt der Kontakt zu Konvergenzen, inwiefern zu Divergenzen? Handelt es sich dabei um Eigenschaften oder Zustände, wie es die Bezeichnungen Transkultur beziehungsweise transkulturell suggerieren oder eher um dynamische Prozesse der Transkulturation? Wie lassen sich diese ergebnisoffenen Prozesse sinnvoll im Unterricht einsetzen?

       Lernziele

      In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

       die Konstitutionsprozesse sozialer Identität durch Sprache verstehen;

       die Mechanismen der mehrfachen Kollektivzugehörigkeit von Sprechern kennenlernen;

       die Prozesse von Konvergenz und Divergenz in transkultureller Kommunikation erkennen;

       die Konzepte Transkultur und Transkulturation kritisch betrachten;

       sich mit der skeptischen Hermeneutik als didaktischem Ansatz des Fremdsprachenunterrichts auseinandersetzen.

      2.1.1 Kommunikative Steuerung sozialer Identitätsprozesse

      Mit der Sprache konstruieren Sprecher und Sprecherinnen ihre Rolle in der sozialen Interaktion und kommunizieren diese an ihre Gesprächspartner beziehungsweise Gesprächspartnerinnen und die Außenwelt. Quist und Jørgensen (2009: 386) weisen darauf hin, dass selbst die “most monolingual speakers” Code-Wechsel betreiben, um damit den Wechsel von einer Rolle zur anderen zu markieren. Dieser Wechsel muss nicht situativ oder kontextuell, sondern kann auch metaphorisch sein. Unzählige Studien verweisen auf den Zusammenhang von Sprache und Identität und den identitätsstiftenden Charakter der Sprache bei Mehrsprachigen: Pavlenko (2006); Pavlenko & Blackledge (2004); Panayiotou (2004); Piller (2002); Bamberg (1997). Eine Zusammenfassung qualitativer und quantitativer Studien findet sich in Dewaele (2009), ein Überblick über die Forschungsentwicklung in Baquedano‑López & Kattan (2007).

      Die soziale Konstruktion kann ihren Ausdruck in unterschiedlicher sprachlicher Form finden oder sie kann durch