Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Kompendium DaF/DaZ
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300793
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      Faktoren in der fachbezogenen Kommunikation

      Eine erste Definition von Fachsprache auf der Basis dieser Überlegungen könnte also folgendermaßen aussehen: Fachsprache besteht aus bestimmten sprachlichen Mitteln, die es nur in diesem Fach gibt, aber auch aus sprachlichen Mitteln, die sie mit der Allgemeinsprache gemeinsam hat. Fachsprache verwendet Abkürzungen und Formeln und drückt damit fachspezifische Sachverhalte aus. Fachsprache in diesem Sinne ist die „Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten“ (Hoffmann 1985: 53). Dabei lässt sich Fachsprache unterschiedlich betrachten. Die Zusammenstellung der sprachlichen Mittel basiert auf strukturalistischen Vorstellungen. Aus pragmatischer Perspektive steht der Kommunikationszweck von Fachsprachen im Vordergrund. Hier wird bereits ersichtlich, dass zur Klärung dessen, was Fachsprache ist und was sie ausmacht, mehr nötig ist, als eine Zusammenstellung lexikalischer Listen und syntaktischer Bauformen. Vielmehr müssen Gegenstände, Fachleute sowie die Situation und Ziele der fachlichen Kommunikation einbezogen werden.

      Obgleich wir für den Textausschnitt in der Aufgabe sofort eine grobe Zuordnung zu einem Fach treffen können und die Differenzierung in unterschiedliche Fächer auch im Alltag eine Rolle spielt – man denke an den Fächerkanon der Schule, Fachleute in Diskussionsrunden und so weiter –, ist Fach längst nicht ausreichend definiert (vergleiche Kalverkämper 1998: 1). Warum können wir einen solchen Text so schnell als fachsprachlich identifizieren und einem fachlichen Bereich zuordnen, obgleich ein Fach als solches sich nicht klar umreißen lässt? Dieses Phänomen betrifft auch die Definition von Fachsprache, die ohne eine genaue Beschreibung des Begriffs zunächst etwas konturlos bleibt. Daher ist es sinnvoll, zuerst den Anwendungsbereich von Fachsprache zu umreißen, ehe man sich der sprachlichen und kommunikativen Ausgestaltung zuwendet.

      Ein Fach ist ein „mehr oder weniger spezialisierter menschlicher Tätigkeitsbereich“ (Roelcke 2010: 15), was sowohl die dort behandelten Gegenstände als auch die handelnden Akteure und deren Gebrauch sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen einschließt. Bindeglied für die Akteure ist deren Fachwissen, das im Laufe von jahrelangen Lernprozessen aufgebaut, verengt und spezifiziert wurde und das als Handlungswissen einer fachlichen Ausbildung zum beruflichen Wissen wurde. Diese Verengung basiert auf der Struktur arbeitsteiliger Gesellschaften, in denen Wissen unterschiedlich verteilt ist. Gruppen von Menschen teilen sich Aufgaben und erfüllen diese als Fachleute für die ganze Gesellschaft (vergleiche Kalverkämper 1999: 14). Ein Fach ist also zu verstehen als etwas, in dem eine Gruppe von Fachleuten (Akteure) in Bezug auf eine fachbezogene Auswahl von Gegenständen spezifische Perspektiven einnimmt sowie sprachliche und nichtsprachliche Handlungen ausführt. Die sprachlichen Handlungen finden in der Fachsprache statt, die eng an das fachliche Feld gebunden ist. Gleichzeitig stellt Fachsprache aber auch immer eine Auswahl aus den Mitteln der Allgemeinsprache dar (mehr dazu in der Lerneinheit 1.2):

      

Abbildung 1.1:

      Fachsprache als Teil des Faches und der Allgemeinsprache

      Die Fachleute müssen dabei nicht notwendigerweise mit hochkomplexen und abstrakten Gegenständen hantieren. Auch Lerner und Lehrkräfte im Fachunterricht an Schulen befassen sich mit abgegrenzten Gegenständen in spezifischer Weise und sind in diesem Sinne Fachleute. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Fächern, dass sie Handlungen beinhalten, die von speziell ausgebildeten Personen auf spezielle Gegenstände gerichtet sind. Die Handlungen, die im Rahmen einer fachlichen Tätigkeit ausgeführt werden, können in sprachliche und nichtsprachliche Handlungen unterteilt werden. Nichtsprachliche Handlungen sind konkrete Tätigkeiten, zum Beispiel wenn ein Techniker oder eine Technikerin eine Maschine repariert. Die Fachsprache bildet sich auf der Basis dieser Tätigkeiten, indem der Techniker oder die Technikerin über die Maschine kommuniziert. Die Fachsprache umfasst auch die sprachlichen Handlungen bezogen auf die fachlichen Gegenstände. Sprachliche Handlungensprachliche Handlungen sind Äußerungen, die nicht nur Sachverhalte beschreiben und Behauptungen aufstellen, sondern gleichzeitig selbst Handlungen vollziehen. Damit ist gemeint, dass befehlen, taufen, versprechen, warnen und so weiter Tätigkeiten sind, die Auswirkungen auf die Realität haben und die nur auf sprachlichem Wege erreicht werden können. Dies ist für Fachsprache bedeutsam, da viele fachliche Texte spezifische sprachliche Handlungen durchführen.

      Eine Gebrauchsanweisung beispielsweise verfolgt – ebenso wie ein Lexikoneintrag – das Ziel, die Lesenden zu informieren. Die sprachliche Handlung, die damit verbunden ist, kann aber eher als appellativ begriffen werden. Damit ist gemeint, dass eine Gebrauchsanweisung Aufforderungscharakter hat. Sie soll eine konkrete Tätigkeit (zum Beispiel die Programmierung eines Geräts) instruieren und jemanden zu dieser anleiten. Ein Gesetzestext hingegen hat ganz klar normativen Charakter, da er das Verhalten und die Handlungen von Menschen in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation regeln soll. Die Sprachhandlung, die damit verwirklicht wird, ist die rechtliche Regelung eines Sachverhalts. Sprachliche Handlungen können also höchst unterschiedlich sein, je nach Fach und Zweck der Kommunikation. Für Fachsprachen besonders zentral sind zum Beispiel die Sprachhandlungen definieren, erklären und begründen (mehr dazu in Lerneinheit 1.3).

      Sprachliches Handeln in der Fachsprache wird häufig durch schriftlich fixierte Fachtexte realisiert. Diese Texte stellen auch die am weitesten untersuchte Form fachlicher Kommunikation dar. Der Fachtext ist zu verstehen als

      Instrument und Resultat der im Zusammenhang mit einer spezialisierten gesellschaftlich-produktiven Tätigkeit ausgeübten sprachlich-kommunikativen Tätigkeit [und] er besteht aus einer endlichen, geordneten Menge logisch, semantisch und syntaktisch kohärenter Sätze (Texteme) oder satzwertiger Einheiten, die als komplexe sprachliche Zeichen komplexen Propositionen im Bewusstsein des Menschen und komplexen Sachverhalten in der objektiven Realität entsprechen. (Hoffman 1985: 233f)

      Diese etwas sperrige Definition greift darauf zurück, dass Sachverhalte, die sprachlich Verhandelt werden, entweder tatsächlich vorhandene Gegenstände (wie zum Beispiel Bilder, Personen, Dinge) oder Vorstellungen sind. Diese werden als Proposition ausgedrückt. PropositionenPropositionen sind das, was im Rahmen einer Äußerung, im gegebenen Kontext, über bestimmte Gegenstände oder Sachverhalte der Welt ausgesagt wird.

      

Abbildung 1.2:

      Fachtexte als Ausdruck fachlicher Gegenstände

      Aus Kognitionssicht betrachtet, bedeutet das: Fachsprachen – oder bestimmte Varietäten davon – sind das geeignete sprachliche Instrument, um unterschiedliche Wissensbestände der Sprecher oder Sprecherinnen und Hörer oder Hörerinnen beziehungsweise Leser oder Leserinnen auszugleichen. Der Sachtext, als sprachlicher Ausdruck von Gegenständen, erfüllt die jeweilige kommunikative Funktion, die Sprechende oder Schreibende damit verbinden, und verwendet hierfür spezifische sprachliche Mittel. Im Rahmen von Fachsprachen liegt der Fokus auf der Behandlung der fachlichen Gegenstände, der Fachdiskurs ist jedoch meist nicht ausschließlich von Fachthemen bestimmt. Auch Aspekte der Arbeitssituation, der Fachpolitik, der Planung oder der logistischen Abstimmung bei Projekten sind darin wichtige Elemente. So entstehen „aus der Vielschichtigkeit des Fachdiskurses […] unterschiedliche Mischformen von Allgemein- und Fachsprache“ (Roche 2008a: 164). Die Kriterien und Textmerkmale der jeweiligen Form ergeben sich aus dem Zweck eines Textes sowie seiner Zielgruppe. In den Zusammenhängen eines bestimmten Faches existieren also unterschiedliche Textsorten, die unterschiedliche sprachliche Handlungen realisieren, parallel und nebeneinander. So weist ein Fach wie die praktische Physik sowohl Texte auf, die der wissenschaftlichen Auseinandersetzung dienen, als auch Gebrauchsanweisungen für bestimmte technische Hilfsmittel, Gesetzestexte, die unterschiedliche Bereiche regeln, Briefe an Geldgeber oder Geldgeberinnen und so weiter. Alle diese Textsorten verwenden die sprachlichen Mittel, die für diese Fachrichtung typisch sind, und hängen daher zusammen. Sie unterscheiden sich aber auch aufgrund ihrer Ziele und Adressaten und Adressatinnen. Aus diesen Zusammenhängen resultieren unter anderem der Grad der Fachlichkeit, Formalität, Komplexität,