Die Suche nach Tony Veitch. William McIlvanney. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William McIlvanney
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956140365
Скачать книгу
der ersten stets wie ein siamesischer Zwilling anschloss, erheblich verkompliziert: Wen sollte er heiraten?

      Müde durchlief er sein frühmorgendliches Gedankenprogramm, das er statt Liegestützen absolvierte. Er hatte genug von der Herumtreiberei. Er wollte heiraten. Er mochte Morag. Er mochte Mary. Morag wollte er auf keinen Fall den Laufpass geben. Mary auch nicht. Aber er wollte heiraten. Und hatte genug von der Herumtreiberei.

      Seine gegenwärtige Situation bestätigte dies. Er lag in Unterhose unter einer Decke auf jemandes Couch. Die Couch war ein Garant für Schlaflosigkeit. Sie war so konstruiert, dass der Kopf im rechten Winkel zum Körper unter der einen Armlehne eingeklemmt lag, während die andere ein wildes Muster in die Waden prägte. Seine Füße guckten unter der Decke hervor, und der große Zeh seines rechten Fußes – schwarz angelaufen, seitdem er ihn sich bei einem Spiel des Crime Squad gestoßen hatte – schien ihm vorzuwerfen, jünger erscheinen zu wollen, als er tatsächlich war. Er war nämlich schon siebenundzwanzig. Und sein Fußnagel sah aus, als würde er abfallen. Auch das noch.

      Jetzt wusste er wieder, wo er war. Zuerst hatte er geglaubt, bei einem Mädchen zu Hause. Gestern Abend war er im »Joanna’s« gewesen, einer Disco. (Was hatte er da gewollt? Nach einer dritten Möglichkeit Ausschau halten?) Aber dann erkannte er die unnachahmliche Einrichtung von Milligans kleiner Wohnung, eine Art Wartezimmer-Barock.

      Die Wände waren graubraun und schmucklos, die Möbel so anheimelnd wie in einem Gebrauchtwarenlager und überall verstreut dazwischen Klamotten. Weniger ein Zimmer als ein Koffer mit Türen.

      Aus der winzigen Küche drang das Brutzeln von etwas, das in einer Pfanne gebraten wurde, und dann hörte er Milligan vergnügt »My Way« massakrieren.

      Harkness grinste. Seit er vor seiner Versetzung zum Crime Squad unter Detective Inspector Milligan bei der North Division gearbeitet hatte, war er mit der ansteckend-nervösen Fröhlichkeit Milligans vertraut. Der Mann benahm sich, als wäre die Welt eine Parade zu seinen Ehren. Wenn er an Laidlaws Angespanntheit dachte, verstand Harkness, weshalb sein neuer und sein alter Vorgesetzter einander nicht leiden konnten. Ihre Charaktere widersprachen sich.

      Milligan tapste durchs Zimmer, trug einen dunkelblauen Frotteebademantel von Marks & Spencer. Vermutlich aus der Grabbelkiste. Er deckte den Tisch. Harkness, der immer eine Weile brauchte, um zurück an die Oberfläche zu gelangen, wollte zumindest guten Willen beweisen. Er machte den Mund auf, um zu sprechen, doch heraus kam nur ein verzerrtes Gähnen, ein »Narrgh«. »Darf ich dich damit zitieren?«, fragte Milligan. »Du hast gestern Abend ganz schön getankt. Was war los? Bist du in ein Fass gefallen?«

      »Hab meine Probleme in Alkohol ertränkt.«

      »Welche Probleme? Dein einziges Problem ist, dass du nicht genügend hast.«

      Beim Anblick von Milligan, der die zahlreichen ihn umhüllenden Hektar Frottierstoff sprengte und dessen breites Gesicht aussah, als hätte es mehr Gegenwind bekommen als Beachy Head, kam sich Harkness, was Probleme anging, allerdings naiv vor. Milligan hatte eine gescheiterte Ehe und eine verhinderte Karriere hinter sich, er war ein Überlebender, der selbst bei einem Luftangriff noch fröhlich pfiff.

      »Ich bilde mir aber ein, dass ich welche habe«, sagte er kleinlaut und stand auf. Seine Füße waren eiskalt. »Danke, dass du mich gestern Nacht aufgenommen hast.«

      »Dachte, du hast vielleicht noch ein Mädchen dabei. Wie ein Take-away.«

      Harkness ging ins Badezimmer und wusch sich, benutzte Milligans letzte Rasierklinge, die sich wie eine Metallsäge auf der Haut anfühlte, und fragte, ob er das Telefon benutzen dürfe.

      »Wenn’s nicht abgestellt ist.«

      Er rief seinen Vater an, um sich zu erkundigen, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte. Dann ärgerte er sich, weil er nicht da gewesen und mit Laidlaw über Eck gesprochen hatte. Er versicherte seinem Vater, dass noch Zeit genug war, um Laidlaw pünktlich zu treffen. Kurz überlegte er, ob er in Simshill anrufen sollte, aber da es auf seiner Uhr bereits fünf vor acht war, ließ er es bleiben.

      Das Frühstück war eine einzige Selbstkasteiung. Der Schinken und die Eier waren fraglos gut, aber er hatte sich die Zähne nur mit dem Zeigefinger geputzt, und die Reste der vergangenen Nacht in seinem Mund ließen alles nach Federn schmecken. Milligans grausame Heiterkeit machte es nicht besser.

      »Ich glaube, ich werde heiraten«, sagte Harkness mehr oder weniger zu sich selbst und unterbrach damit Milligans Monolog.

      »Warum machst du nicht was Vernünftigeres und spielst Russisch Roulette?«

      »Kannst du die Ehe nicht empfehlen?«

      »Ich hoffe, das soll kein Antrag sein. Nur weil ich ein gutes Frühstück zustande bringe. Eigentlich bin ich auch vergeben. Meine Frau und ich überlegen, ob wir uns nicht wieder versöhnen wollen. Ehrlich. Letzte Woche hab ich zwei oder drei Stunden mit ihr verbracht und sie kein einziges Mal schlagen wollen. Das muss Liebe sein. Sie hat immer noch nicht die Scheidung eingereicht, weißt du? Eine Schande ist das. Wenn die sich erst mal auf mich einlassen, sind sie für andere verdorben.«

      »Wann soll das passieren?«

      »Gib ihr Zeit. Sie wird schon klein beigeben. Die Kinder treiben sie in den Wahnsinn. Machen das Haus zum Abenteuerspielplatz. Denen fehlt die starke Hand des Vaters. Wobei’s schade ist, wenn ich aus meiner hübschen kleinen Jungesellenbude rausmuss.«

      »Zwing dich.«

      »Könnte das letzte Mal sein, dass du hier gepennt hast. Und das ist erst der Anfang. Ich werde diesen Arschgesichtern zeigen, was ein richtiger Polizist ist. Die werden gar nicht mehr anders können, als mich zu befördern.«

      »Wie meinst du das?«

      »Kennst du Paddy Collins?«

      »Im Victoria Infirmary? Der bei einer Messerstecherei verletzt wurde?«

      »Verletzt? Er ist durchlöcherter als Haggs Castle. Die wussten nicht, ob sie ihn verbinden oder eine Runde auf ihm spielen sollen. Seit Tagen war er schon so gut wie tot. War nur eine Frage der Zeit, bis er’s zugeben musste. Letzte Nacht war’s dann so weit.«

      »Weißt du, wer’s getan hat?«

      »Nein, aber ich krieg’s raus. Ich war ein paar Mal bei ihm, leider war er nie bei Bewusstsein. Weißt du, wer er war?«

      »Paddy Collins.«

      »Klar. Und Hitler war Anstreicher. Ich meine, ob du weißt, mit wem er verwandt war? Cam Colvin ist sein Schwager. Und weißt du, was das bedeutet?«

      »Paddy Collins bleibt vielleicht nicht der einzige Tote.«

      »Kann eine große Sache werden.« Milligans unverhohlener Enthusiasmus irritierte Harkness, wie eine Touristenführung im Leichenschauhaus. »Stell dir das vor. Ich hab Cams Schwester im Krankenhaus gesehen. Sie macht auf trauernde Witwe, übt schon seit Tagen. Allmählich hat sie’s richtig gut drauf. Toll, oder? Ihr Mann war schon immer so voller Scheiße wie zwei Tonnen Kompost. Gemein zu Frauen, gemein zu Männern. Hat nur von Cam Colvins Ruf gelebt. Jeder, der ihn kannte, hätte gesagt, er hat’s verdient, als Leiche zu enden. Aber kaum liegt er im Krankenhaus mit einem Schlauch in der Nase, fangen die Engelschöre an zu singen. Sie wird dafür sorgen, dass es einem vorkommt wie ein Weltuntergang. Und Cam wird das nicht gefallen. Er wird ihr ein Leichentuch zum Tränentrocknen reichen. Mit einem Toten drin. Das kann er nicht auf sich sitzen lassen.«

      Harkness schüttelte den Kopf, dachte an die Konsequenzen.

      »Drängt Jacks Sorgen in den Hintergrund«, sagte er.

      »Wer? Laidlaw? St. Francis aus Simshill. Was treibt er so?«

      »Hab gerade meinen Vater angerufen. Jack hat sich bei mir gemeldet. Eck Adamson ist gestern Nacht im Royal gestorben.«

      »Und deshalb hat er Sorgen? Das ist ungefähr so traurig, wie wenn eine Flasche Brennspiritus zerbricht. Der muss doch inzwischen aus reinem Alkohol bestanden haben. In Laidlaws Augen war er natürlich das Paradebeispiel einer Not leidenden Kreatur. Du lieber Himmel, wir haben alle