Die Suche nach Tony Veitch. William McIlvanney. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William McIlvanney
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956140365
Скачать книгу
Vögel drin nisten.«

      Er sah Macey an.

      »Mach was mit ihm aus.«

      »Wann, John?«

      »Jetzt.«

      »Hier?«

      »Nein. Er soll sich’s aussuchen. Egal wo. Aber komm gleich wieder. Ich will ihn gleich sehen.«

      Macey ließ den Tee stehen, den er kaum angerührt hatte, und ging zur Tür.

      »Macey. Am besten irgendwo in der Nähe von einem Krankenhaus.«

      John Rhodes grinste, ein Ereignis, so freundlich wie eine Sonnenfinsternis im Winter.

      9

      DEN URBANEN BEDUINEN gibt es in Glasgow wie in jeder anderen Stadt. Aufgrund der Orientierungslosigkeit des Alkoholikers verändert er ständig seinen Standort, aber sein Vagabundieren folgt eingefahrenen Handelswegen. In einer Saison sind bestimmte Orte angesagt, die irgendwann aufgegeben werden, wie Kurorte, deren Brunnen versiegt sind.

      Laidlaw hatte Eck gut genug gekannt, um eine grobe Vorstellung von seinen Präferenzen zu haben. Über kurze Zeiträume hinweg – und in den vergangenen Jahren sehr unregelmäßig – war er hin und wieder, wie einige meinten, in Wohlanständigkeit abgetaucht, hatte in richtigen Häusern gelebt. Aber natürlich war er immer wieder auf der Straße gelandet, meist in einem Mantel, der mehr oder weniger einer Müllhalde mit Knöpfen glich.

      Wenn er gerade keinen Ausflug machte, wusste man meist, wo er zu finden war. Selbst Zerfall kann zur Routine werden. Die Winter verbrachte er im Talbot House oder dem Great Eastern Hotel, dessen Name eine Absteige in der Duke Street zierte wie ein Zylinder einen Scheißhaufen. Bei freundlicherem Wetter zog es ihn meist ins East End, in die Nähe des Glasgow Green und die verkommene, noch immer nicht sanierte Gegend südwestlich der Gorbals Street.

      Harkness machte sich Sorgen um Laidlaw, seit sie das Büro zu Fuß verlassen hatten. Er kannte Laidlaws Überzeugung, die »Straße in sich aufnehmen« zu müssen, als ließen sich Fälle durch Osmose lösen. Abgesehen von der zweifelhaften Effizienz dieser Methode, lief man sich die Füße wund. Die geistesabwesenden Gespräche, die damit einhergingen, machten es nicht besser. Man sah einem Hamster im Laufrad zu, der verzweifelt nirgendwohin gelangt.

      »Paddy Collins steht auf Ecks Zettel. Paddy Collins ist tot. Was hat Eck mit Paddy Collins’ Tod zu tun? Hat dir Milligan noch was erzählt?«

      »Nein. Nur das.«

      »Hat er gesagt, ob jemand ins Victoria gekommen ist, als er da war?«

      »Paddys Frau. Und, ich denke, Cam.«

      Sie gingen an einer Telefonzelle vorbei.

      »Seltsam. Warte, ich versuch’s noch mal unter der Nummer.«

      Beide quetschten sich in die Zelle und Laidlaw wählte aus dem Gedächtnis. Harkness wusste warum. Seit sie losgegangen waren, hatte er es schon drei Mal versucht. Dieses Mal wurde beim zwölften Tuten abgenommen. Laidlaws Augen strahlten wie die eines kleinen Jungen an Weihnachten. Er warf Geld ein und nickte Harkness gleichzeitig zu, damit dieser sein Ohr an den Hörer hielt.

      »Hallo«, sagte Laidlaw.

      »Hallo?« Eine Frauenstimme.

      »Hallo. Wer spricht da bitte?«

      »Hallo, hallo?« Sie klang etwas älter.

      »Wer spricht da bitte?«

      »Hallo. Hier ist Mrs Wotherspoon. Wer sind Sie, junger Mann?«

      »Verzeihung«, sagte Laidlaw und zwinkerte Harkness zu. »Ich will nur sichergehen, dass ich die richtige Nummer habe. Wie lautet Ihre Adresse?«

      »Die Adresse? Das ist eine öffentliche Telefonzelle, junger Mann. Ich bin nur vorbeigekommen und hab’s klingeln hören. Bin auf dem Weg zur Fußpflege. Meine Füße bringen mich um. So wie ich gehe, brauch ich zehn Minuten, bis ich an der Telefonzelle vorbei bin. Wahrscheinlich hab ich’s deshalb gehört.«

      Harkness keuchte leise, war knallrot im Gesicht vor Anstrengung, sich das Lachen zu verkneifen, er zwinkerte zurück. Laidlaw guckte, als hätte er einen Strumpf voller Asche zu Weihnachten bekommen.

      »Wo steht die Telefonzelle, meine Liebe?«, fragte er.

      »Ist eine von zweien an der Ecke Queen Margaret Drive und Wilton Street. Worum geht’s denn, junger Mann? Wollen Sie jemanden erreichen? Kann ich helfen?«

      »Meine Liebe«, sagte Laidlaw. »Tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe. Ist die falsche Nummer. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

      »Keine Ursache.«

      »Ich hoffe, Ihren Füßen geht’s bald besser.«

      »Das hoffe ich auch, junger Mann. Allerdings. Im Moment fühlen sie sich an wie zwei Laib Toastbrot. Machen Sie’s gut, junger Mann.«

      »Cheerio.«

      Als sie weitergingen, hatte Laidlaw nichts gegen Harkness’ Frotzeleien. Sie hielten ihn aber nicht davon ab, sich sofort wieder in Gedanken zu verlieren.

      »Immerhin etwas«, sagte er. »Das hätten wir erledigt. Paddy Collins fällt aus. ›The Crib‹ ist zu allgemein, als dass es im Moment von Bedeutung sein könnte. Bleibt die Adresse in Pollokshields und die geheimnisvolle Lynsey Farren. Mal sehen, was dabei herauskommt, wenn wir sie überprüfen.«

      Laidlaw und Harkness hielten sich zunächst auf der Nordseite des Flusses. Gingen ein kurzes Stück durch den Park und kamen hinter der seltsam verzierten Fassade von Templeton’s Teppichfabrik wieder heraus.

      »In dieser Stadt gibt’s ein paar fantastische Gebäude«, sagte Harkness. »Aber man guckt fast nie hin.«

      Laidlaw stimmte ihm zu.

      »In unserem Job bekommt man einen Tunnelblick«, sagte er.

      Betreten gingen sie weiter. Harkness machte sich jetzt noch mehr Sorgen um Laidlaw. Es hatte etwas Zwanghaftes, wie Laidlaw immer weiterlief. Schonungslos. Er sprach Fremde an, beschrieb Eck und erkundigte sich, ob ihn in letzter Zeit jemand gesehen hatte. Harkness war es peinlich.

      So hatte man ihm das in der Polizeischule nicht beigebracht. Ähnlich schlau wie nackt über die Straße rennen. Und trotzdem funktionierte es irgendwie. Niemand erschrak. Harkness überlegte, dass einem Offenheit in Glasgow am besten freies Geleit sicherte. Versuchte man Glasgower zu überrumpeln, fielen sie aus allen Ecken über einen her. Sie hassen es, an der Nase herumgeführt zu werden. Begegnet man ihnen ehrlich, ist ihre Toleranz riesengroß.

      Für einen Mann galt dies ganz besonders. Er war klein, hatte ein lahmes Bein und trug etwas, das aussah wie ein Beutel mit Brötchen. Als Laidlaw ihn ansprach, nickte er weise.

      »Du lieber Gott, ja. Der Junge vom großen Tammy Adamson. Kein Problem. Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Als Big Tammy den Laden in Govanhill verkauft hat, ist Alec zur See gefahren. Bei der Handelsmarine. Soweit ich weiß, ist er da immer noch. Netter Junge, aber groß. Fast eins neunzig.«

      »Nein«, sagte Laidlaw. »Das ist nicht der, den wir meinen.«

      »Klingt aber nach ihm. Trotzdem viel Glück. Einen anderen Eck Adamson kenne ich nicht.«

      »Danke«, sagte Laidlaw.

      »Wofür? War froh, dass mein Bein mal Pause hatte. Tschüs, Jungs.«

      Auf ihren Wegen begegneten sie auch ein paar Mal Obdachlosen und unterhielten sich mit ihnen. Einige, die um ein Feuer herumsaßen, schickten sie auf die Südseite des Flusses. Die Information war wahrscheinlich ebenso hilfreich wie ein hölzerner Kompass. Aber etwas anderes hatten sie nicht.

      Sie überquerten den Fluss auf der Suspension Bridge. Eine Zeit lang passierte gar nichts. Nachdem sie weitergegangen waren, entdeckten sie fünf Leute hinter der Caledonia Road Church. Ein bemerkenswerter Moment. Vier Männer und eine Frau, die sich verschworen hatten, einer hatte eine Flasche in der Hand. Sie