Die Suche nach Tony Veitch. William McIlvanney. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William McIlvanney
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956140365
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einem was verraten hätte. Aber ich hab einen echten Spitzel. Kannst du dich an Macey erinnern?«

      Harkness nickte. Als er mit Milligan gearbeitet hatte, war er Benny Mason ein paar Mal begegnet. Macey war das, was Polizisten unter einem »guten Halunken« verstehen – professionell, nicht gewalttätig. Er hielt den Ball flach und nahm die Dinge wie sie kamen, ohne sich zu beschweren. Seine Berufung zum Informanten schien er als selbst gewählte Beförderung zu betrachten. Und er machte sich gut in seiner neuen Rolle, schien nervlich unbelastet von den Risiken eines Lebens im kriminellen Schwebezustand. Harkness hatte jüngst gehört, Macey habe bei einem Einbruch seelenruhig zu einem unaufgeklärten Polizisten, der ihn festnehmen wollte, gesagt: »Nicht schnappen. Ich hab euch von dem Ding erzählt. Ich bin der, der knapp entkommt.« Und das ist er dann auch.

      »Du arbeitest immer noch mit ihm?«

      »Hab nicht vor, damit aufzuhören«, sagte Milligan. »Hab seine Eier im Schraubstock. Der gehört mir. Steckt mit Hook Hawkins unter einer Decke. Hab ihm schon gesagt, dass ich Informationen über Paddy Collins von ihm erwarte. Ich bin sicher, dass er welche hat. Besser wär’s.«

      »Pass nur auf, dass er sich nichts ausdenkt.«

      Milligan lachte.

      »Dann kann er gleich seinen Grabstein bestellen. Nee. So blöd ist Macey nicht. Der wird mir den kleinen Gefallen tun. Heute Abend treffe ich ihn. Rate mal wo?«

      Harkness zuckte mit den Schultern.

      »The Albany.«

      »The Albany? Du machst Witze. Das ist ein scheiß Treffpunkt für einen Spitzel.«

      »Na, und wie.«

      »Kannst ihn gleich bitten, es auf Plakatwände zu schreiben.«

      »Ja, oder? Er wollte absagen. Konnte’s kaum fassen. Hat ins Telefon gebrüllt. Aber ich hab ihn gezwungen, einzuwilligen. Ich wette, der musste durch seine eigenen Exkremente waten, um aus der Telefonzelle rauszukommen.«

      »Wozu?«

      »Ich will, dass er sich angreifbar fühlt. Als hätte er seinen Deckmantel zu Hause vergessen.« Milligan zwinkerte. »Hast du’s eilig?«

      »Ja«, sagte Harkness. »Jack will mich schon früher treffen.«

      »Spülst du noch die Teller? Ich muss mich fertig machen. Hab heute viel vor. Hör zu. Später am Nachmittag bin ich im ›Admiral‹, wenn du Zeit hast. Wir könnten einen trinken. Wenn sich dein Magen erholt hat.«

      Als sie raus auf die Straße traten, blickte Harkness in einen Himmel so schwarz wie eine Mülltonne. Passte zu seinem Kater. Er wünschte gerade, er könnte sich Milligans Heiterkeit zu eigen machen, als dieser von einem langhaarigen Mann in Jeans angerempelt wurde. Der junge Mann sah Milligan an, ohne sich zu entschuldigen.

      »Verpiss dich, bevor ich dich zertrampele«, sagte Milligan und brach in schallendes Gelächter aus.

      Harkness erinnerte sich an das, was Laidlaw über Milligans Lache gesagt hatte – »klingt, als würden Knochen brechen«.

      Dann vertiefte er sich wieder in seinen Kater.

      8

      DER »GAY LADDIE«, John Rhodes’ Lieblingsbar in Calton, am Anfang – und wie einige meinten auch am Ende – des Glasgower East End, war gerammelt voll. Jedenfalls kam es einem so vor. Macey, Dave McMaster und Hook Hawkins waren da. Außerdem John Rhodes.

      Trotz seiner Erfahrenheit ließ sich Macey immer noch von John einschüchtern. Das hatte keinen bestimmten Grund. Nicht seine beachtliche Größe. Nicht die irre Strahlkraft seiner Augen, so blau wie eine Ansichtskarte vom Meer. Äußerlich gab es nichts, womit man das Gefühl hätte erklären können. Vielleicht hatte es etwas mit der Gewalt zu tun, die John in der Vergangenheit auf sich gezogen und angesammelt hatte, den schlimmen Orten, die er besucht und von denen er wieder zurückgekehrt war. Auf Macey wirkte er wie eine drohende Gefahr, als würde er mit Flüssigsauerstoff jonglieren. Und immer wieder widerlegte seine gelassene Natürlichkeit diesen Eindruck.

      Wenn er sich John jetzt so ansah, wie er den Tee, den Dave hinten aufgegossen hatte, in vier Becher schenkte, war sich Macey erneut der explosiven Widersprüche bewusst, die John Rhodes ausmachten. Dass sie hier waren, gehörte dazu. Sie trafen sich in dem Pub, weil John nicht duldete, dass die brutalen Methoden, mit denen er sein Geld verdiente, in sein Zuhause einbrachen und sein Familienleben störten, das er mit seiner Frau und den beiden Töchtern führte, als wäre er der Geschäftsführer einer Bank.

      Der befremdende Gedanke fand Widerhall in der Befremdlichkeit der Kneipe. Es war circa halb zehn Uhr morgens, und durch die hohen Fenster, die kaum mehr als drahtverstärkte Glasschlitze waren, drangen Lichtstrahlen voll wirbelnder Staubpartikel, was dem fast leeren Pub eine verstörende Feierlichkeit verlieh, ähnlich einer Kapelle mit Baugerüst. Als das Teeritual beendet war, sprach der Hohepriester.

      »Hook«, sagte er. »Sag die Wahrheit. Weißt du, was Cam Colvin vorhat?«

      Hook Hawkins blickte auf. Sein erhobener Kopf bewegte sich, als wollte er absichtlich die Narbe betonen, die sich von seiner linken Wange bis unter sein Kinn zog. Manche behaupteten, sein Spitzname rühre daher, denn er habe sie einem Mann mit einer Hakenhand zu verdanken. Andere behaupteten, der Name stamme aus seiner kurzen Karriere als Boxer.

      Macey dachte an sein Treffen mit Ernie Milligan später am Abend und hatte außer seiner angeborenen Neugierde weitere Gründe, aufmerksam zuzuhören. Er wusste, dass Hook und Paddy Collins zerstritten waren, hatte aber nie erfahren warum. Er fragte sich, ob es um etwas ging, das noch nicht ausgestanden war. Aber er fand Hooks Darbietung überzeugend.

      »Bei Gott, ehrlich. Ich weiß nicht, worum’s geht, John. Keine Ahnung.«

      »Paddy Collins ist tot«, sagte John. »Weißt du was darüber?«

      »Wir waren Freunde.«

      »Nicht immer.«

      »Ist lange her, John.«

      »Vielleicht sieht Cam das anders. Ist dieser Sammy auch ein Freund von dir, Macey?«

      »Ja. Na ja, ein Bekannter, John. Der ist harmlos.«

      John sah Dave McMaster an. Macey bereute seine letzte Bemerkung. Er hatte nur John gegenüber klarstellen wollen, dass er keinen Unruhestifter in dessen Pubs einführen würde. Aber er begriff jetzt, dass er Daves Situation damit verschlimmert hatte, weil er ihm unterstellte, er würde zulassen, dass Unschuldige belästigt werden. Hoffentlich würde Dave es ihm nicht übel nehmen.

      »Dem geht’s gut«, ergänzte Macey beschwichtigend. »Ist nichts passiert. Nur die Jacke sieht jetzt aus, als wär sie gebatikt.«

      Wenn er in Stimmung war, ließ sich John ebenso leicht unterhalten wie das Publikum im Glasgow Empire an einem regnerischen Dienstag. Immer noch ruhte sein Blick auf Dave. So angeguckt zu werden, dachte Macey, ist, als würde man einem Schmelzofen zu nahe kommen. Man weicht automatisch zurück.

      »Was macht Mickey Ballater hier oben? Wer will diesen Abschaum hier haben? Und Panda Paterson? Wenn ich scheiße, kommt was Besseres raus als der.«

      »Der war kein Problem, John«, sagte Dave. »Aber ohne dein Okay wollte ich mich nicht mit Cam anlegen. Jetzt wird’s ernst. Das ist alles.«

      John starrte ihn an.

      »Das will ich hoffen«, sagte er. »Auf einen Laden aufpassen heißt auch, dass man sich um alle kümmert. Wenn du einem Arschloch erlaubst, dir ins Gesicht zu pissen, kommt der Nächste gleich mit ner ganzen Busladung vorbei, und die wollen dann alle mal. Kann ganz schnell einreißen, wenn sich rumspricht, dass man sich im ›Crib‹ was erlauben kann.«

      Er trank seinen Tee. Eigentlich fällte er gar keine Entscheidung. Er ließ sie fällen. Bedachtsamkeit war nicht seine Stärke. Dafür Wut. Als er dort saß, lockte er sie aus ihrem Zwinger, legte ihr Bruchstücke des Geschehenen vor, als wollte er sie auf eine Fährte setzen.

      »Einen zweiten Durchbruch zur Straße?«,