Das hört sich unglaublich spannend an! Allerdings kann die Beschreibung der DMT-Erfahrung eines Einzelnen nicht als exemplarisch für die Gesamtheit des Erlebbaren gelten. Hundert DMT-Erfahrungen können so verschieden voneinander sein, dass es geradezu schwerfällt, zu glauben, dass alle von einer einzigen Substanz hervorgerufen wurden. Aber zumindest gestattet uns die Sprache, das Molekül bzw. die Molekülgruppe, mit der solch Unerhörtes hautnah und in voller psychologischer Wucht erfahren werden kann, und die sich darum rankenden Erkenntnisse zu beschreiben, über die um sie entstandene Kultur zu berichten und die Versuche jener unerschrockenen Probanden zu dokumentieren, die im Nachhall ihrer Erfahrungen Berichte hinterlassen haben.
Mit diesem Buch liegt der erste deutschsprachige Band zum Dimethyltryptamin-Komplex vor, der eine umfangreiche Kollektion an Daten, Fakten und Erfahrungsberichten versammelt. Zwar ist kein Text in der Lage, das Mysterium als solches zu entschlüsseln. Denn eines wird gerade im Fall des DMT ganz ersichtlich: Die Erkenntnis liegt allein in der Erfahrung. Die Erfahrung allerdings bedingt jedoch ein Mindestmaß an Kenntnis der Zusammenhänge, also an Bildung und Wissen, denn Kenntnis schützt vor Unbedarftheit und Ignoranz, und Bildung ist letztlich die einzige Möglichkeit, sich auf die Reise in die DMT-Welten zumindest theoretisch vorzubereiten. Wenn vorliegendes Buch dabei als eine Art psychedelische Navigationshilfe von Nutzen sein kann, hat es seinen Zweck erfüllt.
Markus Berger
Valle Gran Rey/Felsberg im Winter 2016,
zum 60. Jahrestag der Entdeckung der Psychoaktivität des DMT
»DMT is everywhere!«
Alexander T. Shulgin (1925–2014)
»Was jetzt im Entstehen begriffen ist, ist kein neues Glaubensbekenntnis und keine neue Religion, keine neue spirituelle Ideologie oder Mythologie. Wir stehen vor dem Ende nicht nur der Mythologien, sondern auch der Ideologien und Glaubenssysteme.«
Eckhart Tolle
1 Radio-Entelechie: von Terence McKenna geprägter Begriff; Entelechie (griech. für: Vollendung, das Ziel in sich tragend) ist ein Terminus der Aristotelischen Philosophie und meint die Verwirklichung des in einem Wesen angelegten Potenzials. Auch: sich in der Materie manifestierende oder verwirklichende Form.
2 Finnegans Wake: Episches und künstlerisch anspruchsvolles sowie kryptisch-psychedelisches Werk des irischen Dichters James Joyce, das McKenna und die psychedelische Bewegung als essenzielle Schrift angesehen hatten. McKenna hatte Finnegan’s Wake sogar auf seine Expeditionen in den amazonischen Dschungel mitgenommen. Tim Leary nannte James Joyce den »großen psychedelischen Schreiber dieses Jahrhunderts, das Modell eines angetörnten, eingestimmten und ausgestiegenen Menschen«. (Leary 1997: 307)
Einführung
»Die ursprüngliche Harmonie lässt sich durch den massenweisen Verzehr von Pilzen, das Rauchen von DMT und andere psychedelische Aktivitäten anscheinend wiederherstellen. Das ist dann die Morgenröte der psychedelischen Utopie.«
Rupert Sheldrake
»DMT ist nicht eine unserer irrationalen Illusionen.«
Terence McKenna (1996: 320)
Da im Rahmen einer Monografie zum DMT-Komplex, diesen »Molekülen des Bewusstseins«, ein weites und interdisziplinäres Themenfeld bearbeitet werden muss, soll diese Einleitung als eine geraffte Zusammenfassung der wichtigsten Daten und Fakten verstanden werden. Der hier zu verschaffende erste Überblick bedarf im Verlauf des Buches einer detaillierten Aufarbeitung und Betrachtung.
Die DMT- bzw. 5-MeO-DMT-Erfahrung ist exorbitant und kaum in Worte zu kleiden. Die Wirkung, die zum Beispiel nach dem Rauchen bzw. Verdampfen von DMT und 5-MeO-DMT eintritt, ist gut mit einer psychedelischen Rakete zu vergleichen, die den Konsumenten innerhalb weniger Atemzüge in den psychedelischen Hyperraum schießt. Nimmt man DMT in Form von Ayahuasca oder Ayahuasca-ähnlichen Substanzen, sogenannten Ayahuasca-Analogen, oral ein (was dann mit Zusatz eines MAO-Hemmers geschehen muss), so fällt die Erfahrung etwas anders aus. Oral aktiviertes DMT beginnt meist mit einem eher schleichenden Wirkungseintritt, wirkt deutlich länger – und auch durchaus andersartig. Im Laufe des Buches besprechen wir die Spielarten der DMT-Entheogalenik3, in denen auf diesen Aspekt noch eingegangen wird.
Zum allgemeinen Wirkprofil der Dimethyltryptamine und ihrer nächsten Verwandten schauen wir uns die Definitionen des Schweizer Chemikers Daniel Trachsel von DMT, 5-MeO-DMT und dem synthetischen Homolog DET an: »DMT führt zu einem sehr intensiven, aber nicht unbedingt euphorischen Rauscherlebnis. DMT ist keine ›Partydroge‹. Das Erleben ist qualitativ andersartig als beispielsweise unter dem Einfluss von LSD; Ich-Auflösung und das Eintauchen in bizarre Welten sind die Regel. Die eigentliche Wirkung dauert nur einige Minuten. Danach befindet man sich während etwa 30 bis 60 Minuten in einem entspannten Meta-Zustand, in dem man die kurze, aber äußerst intensive Reise in eine vollständig andere Welt zu verarbeiten hat.« (Trachsel 2011: 200) Wird 5-MeO-DMT geraucht oder vaporisiert, »tritt die Wirkung blitzartig ein und ist äußerst stark. Nach bereits 30 bis 60 Sekunden ist die ganze Wirkung da. Oft wird eine Trennung von Körper und Geist erlebt. Während des Rausches können Visionen, Farbstrudel, Erleuchtungszustände und Zeitreisen auftreten.« (Ebd.: 239) Und Diethyltryptamin (DET) »wirkt nicht so visionär wie DMT, und die Wirkung setzt langsamer ein. (…) Die kontemplative und teilweise euphorische Wirkung kann Aspekte haben, die an Partydrogen erinnern, aber nicht generell und nicht in jedem Fall. Das ›Mitschwingen‹ mit Musik, teilweise auch als Synästhesie, kann sehr ausgeprägt sein. Die Substanz scheint für manche Benutzer das ideale Psychedelikum zu sein.« (Ebd.: 208)
Psychedelikpionier Peter Stafford ergänzt: »Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, mit der DMT oder DET beim Rauchen das Gehirn affizieren – es ist, als würde auf einen jähen Impuls hin ein ruhender Gegenstand in einen quirligen Spielball verwandelt. Ich habe bei Tests Leute gesehen, die nach einem Hit zu sagen begannen, sie fühlten noch nichts und urplötzlich sprachlos wurden, gelegentlich gar einfach zu Boden sackten. Ein Freund sagte über sein erstes DMT-Experiment: ›Ich machte einen Zug – und schon fielen Arme und Beine von mir … und der Garten Gottes öffnete sich.‹« (Stafford 1980: 314)
Der US-Psychonaut D. M. Turner (Joseph Vivian, 1962–1996) bringt die DMT-Erfahrung der gerauchten Substanz in seinem »Psychedelischen Reiseführer« auf den Punkt: »Raucht man DMT, so setzt die Wirkung innerhalb von ca. 30 Sekunden ein. Innerhalb weiterer 30 Sekunden wird man in eine Höhe katapultiert, die dem Gipfelerlebnis eines Trips von 1000 μg LSD entspricht. Generell fühlt man sich dann außerhalb des Körpers und nimmt die physische Umgebung nicht mehr wahr. Dieser intensive Part der Erfahrung hält nur 2 bis 5 Minuten an, obwohl er währenddessen zeitlos zu sein scheint. Dann gleitet man schnell in den normalen Bewusstseinszustand zurück.«
DMT- und 5-MeO-DMT-Konsumenten berichten von außerkörperlichen und Nahtod-Erfahrungen, von Reisen durchs All und durch die Zeit, aber auch von zeit- und raumlosen Erfahrungen. Von Begegnungen mit vielfältigen Entitäten, Außerirdischen und körperlosen Wesen, von Begegnungen mit der Schöpferkraft, mit Göttern und mit Geistern.