Fröhliches Morden überall. Margit Kruse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Margit Kruse
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839269107
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Fußabdrücke zu sehen waren. Er identifizierte ein paar Spuren im Schnee, die auf riesige Galoschen schließen ließen und zurück zum Ort führten. »Warum haben Sie den Fundort nicht mit Flatterband weiträumig abgesperrt, Radomski? Wie sollen wir die Spuren jetzt noch exakt sichern? Alles ist zertrampelt.«

      Radomski zuckte mit den Schultern. Ihm war kalt. Sollte er hier alles allein machen?

      Altmeier hatte inzwischen eine Dame aufgetan, die ebenfalls zu wissen glaubte, wer die Tote war. »Die wohnt oben in dem kleinen Haus am Wald. Mit ihrer Familie. Ich habe sie einige Mal im Café unten im Ort gesehen. Ich bin mir sicher, dass sie es ist.«

      Grundmüller rieb sich die kalten Hände aneinander und herrschte PHK Radomski an: »Was haben Sie die ganze Zeit gemacht, Radomski? Löcher in den Schnee gestarrt? Oder die Eiszapfen gezählt? In den knapp zwei Stunden hätten Sie die Leute befragen können. Oder einen Kollegen anfordern, der Ihnen hier hilft.«

      »Ich musste den Tatort sichern«, kam es leise aus Radomskis Mund.

      »Nee, ist klar.« Grundmüller sprach mehr zu sich selbst. »Hier ticken die Uhren echt anders.«

      Der Nachbar griff sich ans Kinn, als dachte er nach. »Ich hätte wetten können, dass das die Mutter vom Voss-Grobe ist. Die sieht genauso aus.«

      Der Kommissar wurde hellhörig. »Wo befindet sich dieser Voss-Grobe-Hof?«

      Tanja Altmeier notierte sich, was der Mann mitteilte.

      »Den unteren Teil des Eiszapfens, mit dem der Täter ihr vermutlich in den Hals stach, hat noch keiner gefunden, oder?«, fragte Grundmüller in die Runde. »Haben Sie schon danach gesucht, Radomski?« Grundmüller wurde von Minute zu Minute ungehaltener. Am liebsten hätte auch er einen Eiszapfen von der Regenrinne abgebrochen und Radomski damit eins übergebraten.

      »Wann denn?« Radomski rann trotz der Kälte der Schweiß von der Stirn. Er hatte sich den Silvesterabend anders vorgestellt.

      »Nee, ist klar«, meinte Grundmüller erneut.

      »Ich fahre zu diesem Ferienhaus, Chef, bevor ich mir den Voss-Grobe-Hof anschaue, okay? Ist ja nicht weit. Mal sehen, ob die alte Dame dort vermisst wird. Die Kirche ist doch seit Stunden aus.«

      »Alles klar, Altmeier, machen Sie das.« Wenigstens eine, die ihr Hirn einschaltet, dachte Grundmüller.

      Radomski kroch am Boden herum und besah sich wieder und wieder die Tote. »Keine Spuren eines Kampfes, keine Abwehrverletzungen, nur das klaffende Loch im Hals. Der Fundort war wohl auch der Tatort«, sprach er oberschlau.

      »Was Sie nicht sagen«, erwiderte Grundmüller gereizt und stöhnte auf. Die Frau des Besitzers reichte ihm einen Becher mit Kaffee. Dankend nahm er ihn an.

      Immerhin hatte Radomski Verstärkung angefordert, die nun endlich, in Form einer uniformierten Streifenbeamtin, eintraf. Müde gähnend kam sie auf sie zu. Von Grundmüller erhielt sie die Anweisung, sich bei den Leuten umzuhören. Bei denen, die hier vor Ort herumstanden, und bei den Nachbarn in den umliegenden Häusern. Sie machte sich sofort an die Arbeit, verteilte brav Visitenkarten und notierte Aussagen, die vielleicht wichtig sein könnten.

      Tanja Altmeier war kaum in den Wagen gestiegen und ein paar Meter die kleine Straße in Richtung Ferienhaus gefahren, als ihr schnellen Schrittes ein Mann entgegenkam. Sie bremste ab, kam ins Schlingern, hielt an und stieg aus.

      »Was machen Sie hier?« Der Mann kam ihr verdächtig vor, er wirkte benebelt. Sie zeigte ihren Ausweis und stellte sich kurz vor. War das der Täter? Vielleicht empfand er Reue und es zog ihn zurück zum Tatort?

      »Ich wohne dort oben in dem Haus am Wald. Wir machen hier Urlaub. Ich bin ein Kollege, Hauptkommissar Thomas Scheffel aus Gelsenkirchen. Ich suche meine Mutter. Sie kam von der Messe, die um 18 Uhr anfing, nicht nach Hause. Jetzt ist es fast 22 Uhr. Ich muss gestehen, dass ich eingeschlafen bin, meine Lebensgefährtin und ihre Mutter ebenfalls. Der Punsch war schuld. Als wir aufwachten, dachten wir, sie sei in ihrem Zimmer. Weil sich nichts rührte und wir nichts hörten, habe ich vorhin nachgeschaut. Sie ist noch gar nicht heimgekommen. Vielleicht ist sie nach dem Gottesdienst ins Hotel Albers. Da will ich gerade hin und nachsehen. Was ist denn da hinten los?« Erst jetzt bemerkte Thomas den Menschenauflauf ein paar Hundert Meter weiter und das Blaulicht eines Polizeiwagens, das die Umgebung gespenstisch erleuchtete. »Ist etwas passiert?« Obwohl er sich privat in Bödefeld aufhielt, zeigte er der Kommissarin seinen Dienstausweis.

      Tanja Altmeier betätigte diesmal, mangels fehlendem Scheinwerfer, die Taschenlampenfunktion ihres Smartphones und betrachtete den Ausweis ganz genau. Tatsächlich ein Kollege, dachte sie nicht gerade erfreut. Scheffel lautete sein Nachname. War das nicht auch der Name der Toten? Und er vermisste seine Mutter und wohnte im Ferienhaus. »Eine Frau wurde tot aufgefunden«, antwortete sie zögerlich. Sie empfand Mitleid mit dem Mann, der plötzlich zu zittern begann. Er ahnte es schon, das sah Altmeier ihm an. Schlimm, wenn die eigene Mutter in der Silvesternacht tot aufgefunden wurde.

      »Wissen Sie, um wen es sich handelt? Tot, sagen Sie?«

      »Sie wurde ermordet. Ich glaube, es handelt sich um Ihre Mutter. Die Dame trug einen Ausweis bei sich, der auf den Namen Eleonore Scheffel ausgestellt ist.«

      »Das muss sich um eine Verwechslung handeln. Niemand hier kannte meine Mutter. Wer sollte sie umbringen? Oder wurde sie überfallen? Aber sie schleppt nie viel Geld mit sich herum.«

      »Nein, es wurde nichts gestohlen, es war alles noch in ihrer Tasche.«

      Thomas riss die Augen weit auf. Er rannte, so schnell es der teilweise vereiste Weg erlaubte, in Richtung Leichenfundort. Er betete, dass es sich tatsächlich um einen furchtbaren Irrtum handelte.

      Tanja Altmeier stieg ins Auto, drehte um und verlangsamte, als sie neben Thomas Scheffel ankam. Durch das Fenster sagte sie: »Kommen Sie, Herr Scheffel, steigen Sie zu mir ins Auto, der Weg ist glatt.« Tanja konnte es nicht fassen. Was für ein kurioser Fall, und das in der Silvesternacht!

      Augenblicklich stieg Thomas zu ihr in den BMW und ließ sich zum Tatort fahren. Dort angekommen, lief er mit weichen Knien auf die am Boden liegende Person zu, die gerade von der Spurensicherung in einen Transportsack gepackt wurde.

      Grundmüller und Radomski versuchten ihn aufzuhalten.

      »Lassen Sie ihn. Es handelt sich wohl um den Sohn der toten Frau. Übrigens ein Kollege aus Gelsenkirchen«, teilte Altmeier ihrem Chef mit. Beide dachten: Der wird sich einmischen. Unter Garantie!

      Thomas ging in die Knie, beugte sich über die Frau und betrachtete sie. Dann fing er wie ein kleines Kind zu weinen an. »Wieso? Wieso ausgerechnet meine Mutter? Sie war doch hier nur Urlaubsgast, hat niemandem was getan.«

      Widerwillig ließ Thomas Scheffel sich zum Auto von Tanja Altmeier bringen. Erschöpft fiel er auf die Rückbank und schlug die Hände vors Gesicht. Er konnte sich kaum beruhigen. Jammerte und weinte.

      Die uniformierte Polizistin hatte die Umstehenden inzwischen alle befragt. Zusammen mit Tanja Altmeier nahm sie sich nun die Nachbarhäuser vor, die sich unmittelbar am Tatort befanden.

      Sie landeten als Erstes in der Parterrewohnung einer jungen Frau, keine 50 Meter vom Tatort entfernt. Altmeier stellte sich und die Kollegin vor und erklärte der Frau, worum es ging. Die Polizistin in Uniform hatte sich bereits unaufgefordert aufs Sofa gesetzt und verfolgte kaugummikauend das TV-Programm.

      Tanja Altmeier schaute sich um. In einer Stunde begann das neue Jahr, doch hier in der Wohnung sah es nicht nach Party aus. Ein kümmerlicher Tannenbaum stand in der Ecke, in einem Laufstall hockte ein kleiner verrotzter Junge, hangelte sich an den Stäben hoch und schaute Tanja neugierig an. Sie streckte dem Kind die Hand entgegen. Es lächelte sie fröhlich an. Tanja liebte Kinder. Für eigene brauchte sie allerdings einen geeigneten Mann, und der war nicht verfügbar. Gerade erst hatte sie die gefühlt hundertste Pleite hinter sich.

      »Ich musste ihn wieder aus dem Bett holen, er wollte einfach kein Auge zumachen«, entschuldigte die Frau den späten Aufenthalt ihres Jungen im Wohnzimmer.

      »Sie sind mir keine Rechenschaft