Mit den Nachtsichtgeräten wirkten sie wie Aliens.
Ritsch! Ratsch!
Jemand hatte eine Pumpgun durchgeladen und rammte mir die Mündung in den Bauch.
"Wenn du auch nur zu atmen wagst, du Bastard, bist du nur noch 'n blutiger Fleck an der Wand!" zischte mir einer entgegen. Seine Stimme war leise und sehr heiser. Er kicherte und fuhr fort: "DEN Fluchtweg kannten wir auch..."
"Worauf wartest du?", meinte ein anderer. "Mach das Schwein alle..."
2
Einige Wochen waren Milo und ich schon im Undercover-Einsatz bei den 'Mole-People'. Es dauerte eine Weile, bis man das Vertrauen der scheuen Bewohner dieses städtischen Höhlensystems erringen konnte.
Sobald einer von ihnen auch nur ahnte, dass wir Special Agents des FBI waren, hätten wir keinen von ihnen je wiedergesehen.
Sie misstrauten jedem, auch denen, die ihnen helfen wollten. Und ihre Erfahrungen mit Cops und Behörden waren nicht gerade so, dass sie jedem Polizisten oder Streetworker gleich ihr Herz ausschütteten. Das Problem der Tunnelmenschen, wie man sie auch nannte, war erst in letzter etwas stärker ins Bewusstsein der Behörden gerückt.
Wir vom FBI kümmerten uns um die 'Mole People', seit eine mysteriöse Mordserie unter diesen Menschen die Homicide Squads mehrerer New Yorker Polizeireviere zum Rotieren gebracht hatte.
Das Leben in den Katakomben war außerordentlich hart. Neben der Kälte im Winter, sowie unbehandelten und daher meist tödlichen Infektionskrankheiten forderten auch immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen ihre Opfer.
Aber das, womit wir uns hier auseinanderzusetzen hatten, ging weit über alles hinaus, was bisher bekanntgeworden war.
Dutzende von Tunnelmenschen waren im Verlauf von Monaten zunächst verschwunden und später tot aufgefunden worden.
Das Besondere war, dass irgendjemand ihnen alle lebenswichtigen Organe entnommen hatte. Den meisten fehlten die Nieren, die Leber, das Herz... Bei manchen auch die Hornhaut der Augen. Die Obduktionen hatten ergeben, dass die Toten nach allen Regeln der Kunst anästhesiert und operiert worden waren.
Aus ihrer Betäubung hatte es für die Opfer kein Erwachen mehr gegeben.
Todesursache: Das Fehlen lebenswichtiger Organe.
Andere waren mit Genickschüssen getötet worden, bevor man ihren Leichen einige Organe entnommen hatte.
Die Umstände dieser Morde ließen eigentlich nur einen einzigen Schluss zu.
Wer immer auch hier unten auf Menschenjagd ging - die Killer hatten es auf die Organe abgesehen. Und die Vorgehensweise richtete sich offenbar jeweils danach, welches Organ benötigt wurde und ob es möglich war, die Transplantation auch noch einige Zeit nach dem Ableben durchzuführen oder nicht.
Es war grauenvoll, was diese Unbekannten mit den Mole People taten. Die Mörder schienen zu glauben, dass der Tod eines dieser Tunnelmenschen an der Oberfläche niemanden interessierte. Auch die Cops nicht.
Aber da hatten sie ihre Rechnung ohne uns G-men gemacht!
Illegaler Handel mit menschlichen Organen zur Transplantation war längst ein eigenständiger Zweig des organisierten Verbrechens, genauso profitabel wie der Drogenhandel oder die Schutzgelderpressung. Manche dieser Organe stammten von chinesischen Todeskandidaten, deren Hinrichtungstermine in eigenartigem Zusammenhang mit den Operationstagen gewisser Privatkliniken standen. Anderes 'Material', wie die Händler das nannten, wurde Verzweifelten in der Dritten Welt für ein paar Dollar abgekauft. Und es schien offenbar in diesem dreckigen Gewerbe auch Leute zu geben, die in den 'Mole People' nichts weiter als ein menschliches Ersatzteillager sahen...
Gerüchte über diese grausamen Jäger kursierten in den Katakomben. Aber keiner, der ihnen begegnet war, hatte das überlebt.
Wochenlang hatten wir uns auf die Lauer gelegt.
Wir waren dabei auf uns allein gestellt gewesen. Eine groß angelegte Aktion hätte nichts bewirkt. Die Täter hätten sich einfach zurückgezogen - und die möglichen Opfer auch.
Ein risikoreicher Einsatz.
Selbst das Handy funktionierte in weiten Teilen der unterirdischen Labyrinthe nicht, weil die vielen Meter Beton und Erde den Kontakt zum Funknetz unterbrachen.
Und jetzt stand ich einigen Männern gegenüber, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an diesen bestialischen Menschenjagden beteiligt waren...
Und wie es schien, würde es mir nicht sehr viel besser ergehen, als all denen, die zuvor schon ihre Wege gekreuzt hatten.
Ich überlegte fieberhaft.
Sinnlos, jetzt die Pistole aus dem Parka herauszureißen.
Mit Glück hätte ich einen oder zwei der Maskierten ausschalten können. Spätestens dann wäre ich von einer Bleigarbe so durchsiebt worden, dass es den Kollegen der Gerichtsmedizin später schwergefallen wäre, mich zu identifizieren.
Sie packten mich, drückten mich gegen Beton.
Ihre Hände wanderten durch meine Taschen. Sie nahmen die P226, meine Taschenlampe und was ich sonst noch so an Kleinigkeiten in den Taschen hatte.
"Hey, ist er nun ein G-man oder nicht?", krächzte der Heisere.
Diese Stimme...
Ich schwor mir, sie nicht zu vergessen.
Jemand versetzte mir einen furchtbaren Fausthieb, der mich ächzen ließ. Ich bekam einen Augenblick keine Luft mehr.
Einer der Kerle packte mich. Ich wurde zu Boden geschleudert und fiel in die stinkende Brühe.
"Hey, immer vorsichtig", zischte der Heisere. "Wenn wir ihn töten, dann machen wir das auf die saubere Weise. So dass nichts beschädigt wird, was man noch verwenden kann..."
"Er hat nichts bei sich", meldete sich der andere.
"Keinen Ausweis, kein Führerschein..."
"Genau wie die beiden, die wir an dem Lagerfeuer erledigt haben..."
"Könnte sein, dass uns da jemand zum Narren halten wollte..."
"Die Pistole ist jedenfalls eine Cop-Waffe!"
"Die kann jeder im Laden kaufen!"
Der Heisere trat auf mich zu.
Er leuchtete mir mit meiner eigenen Taschenlampe direkt ins Gesicht, so dass ich völlig geblendet war.
"Wer bist du?", zischte er.
"Ich heiße Billy", log ich.
"Wie lange lebst du schon hier unten bei den Ratten."
"Ein halbes Jahr."
Der Schlag kam ohne Vorwarnung und traf mich mitten im Gesicht. Das Blut schoss mir aus der Nase, während ich zu Boden ging.
"Du bist ein gottverdammter Lügner", knurrte es mir entgegen. Ich erhob mich wieder. Mein Parka war tropfnass von dem schlammigen Abwasser.
"Was wollt ihr von mir?", fragte ich.
Wieder