»Nun, Herr Kennedy?«, begann Joe eines Tages.
»Was willst du, mein guter Junge?«
»Jetzt kommt der Augenblick bald heran; es scheint, als wenn wir demnächst nach dem Monde abfahren würden.«
»Du meinst damit wahrscheinlich das Mondland; es liegt zwar nicht ganz so weit ab, aber beruhige dich, die Gefahr ist noch immer groß genug.«
»Gefahr? Von Gefahr ist keine Rede bei einem Mann wie Doktor Fergusson.«
»Ich will dir deine glückliche Täuschung nicht rauben, mein lieber Joe, aber was er da zu unternehmen gedenkt, ist ganz einfach die Unternehmung eines Verrückten. Es wird übrigens keinesfalls zu dieser Reise kommen.«
»Keinesfalls zur Reise kommen? Dann haben Sie also nicht den Ballon gesehen, der in der Werkstatt der Herren Mitchell in Borough[2] angefertigt wird?«
»Ich werde mich wohl hüten, ihn mir anzusehen.«
»Da büßen Sie wirklich einen schönen Anblick ein, Herr Kennedy; es ist ein herrliches Gerät! Und die hübsche Form, die reizende Gondel! Wie wohl werden wir uns darin fühlen!«
»Du denkst also im Ernst daran, deinen Herrn zu begleiten?«
»Das versteht sich! Ohne allen Zweifel!«, versetzte Joe. »Ich begleite ihn, wohin er will. Das fehlte noch! Ich soll ihn wohl allein reisen lassen, nachdem ich bis jetzt mit ihm zusammen die Welt durcheilt habe! Wer würde ihm denn helfen, wenn er ermüdet ist, wer ihm eine starke Hand reichen, wenn er über einen Abgrund springen will? Wer sollte ihn pflegen, wenn er etwa gar krank würde? Nein, Herr Dick, Joe wird immer auf seinem Posten sein.«
»Wackerer Junge«, rief der Schotte.
»Übrigens kommen Sie mit uns, Herr Kennedy«, fügte Joe hinzu.
»Natürlich«, sagte Kennedy, »ich begleite euch, um Samuel noch bis zum letzten Augenblick von der Ausführung einer solchen Torheit abzuraten. Ich werde ihm sogar nach Sansibar folgen, um das Meinige zu tun, damit dieser unsinnige Plan nicht zur Ausführung gelange.«
»Allen Respekt vor Ihnen, Herr Kennedy, aber Sie werden ihn auch nicht um ein Haar breit von seinem Vorhaben abbringen. Mein Herr ist nicht so hirnverbrannt, wie Sie meinen. Wenn er etwas unternehmen will, sinnt er lange zuvor darüber nach, und wenn dann sein Entschluss gefasst ist, kann ihn kein Teufel davon abbringen.«
»Das werden wir sehen!«
»Schmeicheln Sie sich nicht mit dieser Hoffnung. Übrigens liegt sehr viel daran, dass Sie mitkommen. Für einen so ausgezeichneten Jäger wie Sie ist Afrika ein herrliches Land. Sie würden keine Ursache haben, Ihre Reise zu bereuen.«
»Ich werde sie auch nicht bereuen, besonders wenn dieser Starrkopf sich überzeugen lässt und dableibt.«
»Beiläufig«, äußerte Joe, »Sie wissen doch, dass heute das Wiegen vorgenommen wird.«
»Wovon sprichst du?«
»Nun, der Herr Doktor, Sie und ich, wir sollen alle drei gewogen werden.«
»Wie Jockeys!«
»Jawohl; aber haben Sie keine Bange: Abmagerungsversuche werden nicht an Ihnen gemacht, wenn Sie zu schwer sind. Man wird Sie so nehmen, wie Sie sind.«
»Ich werde mich unter keiner Bedingung dazu hergeben, darauf verlass dich!«, sagte der Schotte sehr entschieden.
»Aber, Herr Kennedy, ich glaube, es ist für seine Maschine notwendig.«
»Er kann sehen, wie er seine Maschine ohne das fertig bekommt.«
»Wenn wir nun aber aus Mangel an genauen Berechnungen nicht aufsteigen können?«
»Das wäre mir gerade recht!«
»Machen Sie sich darauf gefasst, Herr Kennedy; mein Herr wird uns gleich abholen.«
»Ich werde nicht mitkommen.«
»Sie werden ihm doch das nicht antun.«
»Allerdings.«
»Ich weiß schon«, meinte Joe lachend. »Sie sprechen nur so, weil mein Herr noch nicht hier ist; aber wenn er Ihnen erst von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und zu Ihnen sagen wird: ›Dick – verzeihen Sie die Freiheit, Herr Kennedy – Dick, ich muss genau wissen, wie viel du wiegst‹, so werden Sie mitkommen, ich wette darauf.«
»Ich werde nicht mitkommen.«
In diesem Augenblick betrat der Doktor sein Arbeitszimmer, in welchem diese Unterredung stattgefunden hatte; er sah Kennedy, der sich nicht ganz behaglich zu fühlen schien, fest an und sagte dann:
»Dick, komm mit, und du auch, Joe; ich muss wissen, wie schwer Ihr seid.«
»Aber ...«
»Du kannst deinen Hut aufbehalten. Komm.«
Und Kennedy ging mit. – Sie begaben sich miteinander in die Werkstatt des Herrn Mitchell, wo bereits eine Schnellwaage mit Laufgewicht aufgestellt worden war. Der Doktor musste wirklich das Gewicht seiner Begleiter kennen, um das Gleichgewicht seines Luftschiffes herzustellen. Er hieß Dick auf die Brücke der Waage treten, was dieser auch, ohne Widerstand zu leisten, tat; aber er murmelte vor sich hin:
»Schon gut! Schon gut! Das verpflichtet noch zu nichts.«
»153 Pfund«, sagte der Doktor und notierte sich die Zahl in seinem Notizbuch.
»Bin ich zu schwer?«
»Bewahre, Herr Kennedy«, erwiderte Joe, »übrigens bin ich leicht – das wird sich aufheben.«
Und mit diesen Worten nahm Joe voller Begeisterung für die Sache, der er diente, die Stelle des Jägers ein. Fast hätte er in seiner Hitzigkeit beim Hinaufsteigen die Waage umgeworfen. Jetzt nahm er eine imponierende Haltung an, etwa wie der Wellington, welcher am Eingange vom Hyde-Park den Achilles nachäfft,