»Zum Saturn? Ja, natürlich! Und dann statten wir dem Jupiter einen Besuch ab; das ist ein komisches Land, in welchem die Tage nur neuneinhalb Stunden lang sind – ganz bequem für die Faulenzer; wo ein Jahr z.B. zwölf Jahre dauert, was sehr vorteilhaft für die Leute ist, die nur noch ein halbes Jahr zu leben haben. Das verlängert ihr Leben etwas!«
»Zwölf Jahre!«, wiederholte der Schiffsjunge erstaunt.
»Ja, mein Kleiner; wärest du dort geboren, so würdest du jetzt noch als Säugling auf dem Arm deiner Mama getragen werden, und jener Alte im fünfzigsten Jahr wäre ein niedliches Püppchen von kaum vier Jahren.«
»Das ist nicht zu glauben!«, rief das Halbverdeck wie aus einem Munde.
»Die reine Wahrheit«, beteuerte Joe zuversichtlich. »Aber wie das so geht! Wenn man, ohne sich anderwärts umzusehen, in dieser Welt immer weiter vegetiert, so lernt man nichts und bleibt unwissend wie ein Meerschwein. Kommt nur erst auf den Jupiter, dort werdet ihr euer blaues Wunder erleben! Man muss sich da oben anständig benehmen, denn er hat eine unangenehme Leibwache von Trabanten um sich!«
Man lachte, aber doch glaubte man ihm halb und halb; er redete weiter vom Neptun, bei dem die Seeleute gut aufgenommen würden, und vom Mars, auf welchem das Militär allen anderen den Rang ablaufe, was schließlich ganz unerträglich wäre. Was den Merkur anlangte, so sei das eine garstige Welt, nichts als Diebe und Kaufleute, die sich einander so ähnlich sehen, dass man sie schwer unterscheiden könne. Endlich entwarf er ihnen von der Venus ein wahrhaft entzückendes Bild.
»Und wenn wir von dieser Expedition zurückkehren«, sagte der liebenswürdige Erzähler, »wird man uns mit dem Stern des südlichen Kreuzes dekorieren, der da oben an dem Knopfloch des lieben Gottes leuchtet.«
»Und ihr habt ihn dann mit Recht verdient!«, sagten die Matrosen.
So vergingen in heiteren Scherzreden die langen Abende auf dem Halbverdeck, während im Kreise der Offiziere die lehrhaften Unterhaltungen des Doktors ihren Fortgang nahmen.
Eines Tages unterhielt man sich über die Lenkung der Ballons, und Fergusson wurde dringend aufgefordert, dahingehend seine Meinung abzugeben.
»Ich glaube nicht«, sagte er, »dass es gelingen wird, die Ballons zu lenken. Ich kenne alle in dieser Beziehung versuchten oder vorgeschlagenen Systeme, aber nicht ein einziges hat Erfolg gehabt, nicht ein einziges ist ausführbar. Sie begreifen wohl, dass ich mich eingehend mit dieser Frage beschäftigen musste, die ein so großes Interesse für mich hat; aber ich habe sie mit den von den gegenwärtigen Kenntnissen der Mechanik gelieferten Mitteln nicht lösen können. Man müsste eine bewegende Kraft von außerordentlicher Macht und unmöglicher Leichtigkeit entdecken! Und auch dann noch wird man gegen beträchtliche Luftströmungen nicht anzukämpfen vermögen. Bis jetzt hat man sich übrigens viel mehr damit beschäftigt, die Gondel zu lenken als den Ballon. Und das ist ein Fehler.«
»Es bestehen aber doch«, entgegnete man, »genaue Beziehungen zwischen einem Luftschiff und einem Schiff, und dies kann man nach Belieben lenken.«
»Ich muss das in Abrede stellen«, antwortete der Doktor Fergusson. »Die Luft ist unendlich weniger dicht als das Wasser, in welches das Schiff nur zur Hälfte sinkt, während das Luftschiff ganz und gar in der Atmosphäre schwebt und in Beziehung auf das umgebende Fluidum unbeweglich bleibt.«
»Sie sind also der Meinung, dass die aerostatische Wissenschaft ihr letztes Wort gesprochen hat?«
»Keineswegs! Wenn man den Ballon nicht lenken kann, so muss man etwas anderes zu erreichen suchen, ihn zumindest in den für ihn günstigen atmosphärischen Strömungen erhalten. In dem Maße wie man sich hebt, werden diese einförmiger und folgen dann beständig derselben Richtung. Sie werden nicht mehr durch die Täler und Berge, welche die Oberfläche der Erdkugel durchfurchen, gestört, und das ist ja bekanntlich die Hauptursache der Veränderungen des Windes und seiner ungleichen Stärke. Wenn nun aber einmal diese Zonen bestimmt sind, so braucht man den Ballon nur in die für ihn passende Strömung zu versetzen.«
»Aber man wird dann«, begann der Kommandant, »beständig steigen oder fallen müssen, um sie zu erreichen. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit, mein lieber Doktor.«
»Und warum, mein lieber Herr Pennet?«
»Einigen wir uns darauf: Das wird nur für die ausgedehnten Reisen eine Schwierigkeit und ein Hindernis sein, nicht für einfache Luftspaziergänge.«
»Und weshalb denn, wenn‘s beliebt?«
»Weil man nur steigt, wenn man Ballast abwirft, und sich nur mit dem Ablassen von Gas herablässt, und weil bei diesem Verfahren Ihre Gas- und Ballastvorräte schnell erschöpft sein werden.«
»Mein lieber Pennet, dies eben ist die ganze Frage, dies ist die einzige Schwierigkeit, welche die Wissenschaft zu besiegen streben muss. Es handelt sich nicht darum, die Ballons zu lenken, sondern vielmehr darum, sie von oben nach unten zu bewegen, ohne dieses Gas zu vergeuden, welches, wenn man sich so ausdrücken darf, die Kraft, das Blut, die Seele des Ballons ist.«
»Sie haben Recht, mein lieber Doktor, aber dieses Problem ist noch nicht gelöst, das Mittel dafür noch nicht gefunden.«
»Bitte um Verzeihung, es ist gefunden.«
»Von wem?«
»Von mir!«
»Von Ihnen?«
»Sie begreifen wohl, dass es mir ohne dies nicht hätte in den Sinn kommen können, eine Bereisung Afrikas im Ballon zu unternehmen; nach 24 Stunden wäre ich mit meinem Gas aufs trockene gesetzt worden!«
»Aber in England haben Sie davon nichts verlauten lassen?«
»Nein, denn es lag mir nichts daran, meine Erfindung öffentlich besprochen zu sehen; dies schien mir überflüssig. Ich habe in der Stille vorbereitende Versuche gemacht, die befriedigend ausgefallen sind, und weiter brauche ich nichts.«
»Nun, mein lieber Fergusson, darf man jetzt Ihr Geheimnis erfahren?«
»Jawohl, meine Herren, das Mittel ist äußerst einfach.«
Die Aufmerksamkeit der Zuhörer war auf das Höchste gespannt, und der Doktor begann ruhig mit der folgenden Auseinanderlegung:
ZEHNTES KAPITEL
Frühere Versuche. – Die fünf Kästen des Doktors. – Das Knallgasgebläse. – Der Heizapparat. – Handhabungsweise. – Sicherer Erfolg!
M
an hat oft versucht, meine Herren, nach Belieben zu steigen oder zu fallen, ohne Gas oder Ballast aus dem Ballon zu verlieren. Ein französischer Luftschiffer, Herr Meunier, wollte dies dadurch erreichen, dass er Luft in einem inneren Behälter komprimierte. Ein Belgier, Herr Doktor van Hecke, suchte mithilfe von Flügeln und Schaufeln eine Kraft in vertikaler Richtung zustande zu bringen, die sich jedoch in der Mehrzahl der Fälle als ungenügend erwiesen haben würde. Auch sind die von diesen verschiedenen Mitteln erzielten praktischen Resultate geringfügig gewesen.
Ich beschloss also, an diese Frage von jenen früheren Versuchen ganz unabhängig heranzutreten. Zunächst lasse ich den Ballast im Prinzip vollständig beiseite und behalte ihn nur in beschränkter Weise für den Eintritt zwingender Umstände bei, wie z. B. für den Fall einer Beschädigung meines Apparates oder wenn ich mich unverzüglich zu erheben wünsche, um einem unvorhergesehenen Hindernis aus dem Wege zu gehen. Meine Mittel zum Steigen und Herablassen bestehen einzig darin, durch Anwendung verschiedener Temperatur das im Innern des Luftschiffes eingeschlossene Gas auszudehnen oder zu verdichten. Und dieses Ergebnis erhalte ich auf folgende Weise:
Sie haben gesehen, wie mit der Gondel mehrere Kästen, deren Gebrauch Ihnen unbekannt war, verladen worden sind; und zwar habe ich von diesen Kästen fünf mitgenommen. Der erste enthält ungefähr 25 Gallonen Wasser, dem ich einige Tropfen Schwefelsäure beifüge, um seine Leitungsfähigkeit zu erhöhen. Ich zerlege dasselbe mithilfe einer starken Bunsenschen Batterie.