Fünf Wochen im Ballon. Jules Verne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jules Verne
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783868209570
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in einem halben Jahr der Fall sein könne; vor Ablauf eines Jahres würde ohne allen Zweifel irgendein Entdeckungsreisender dahin kommen ... Diese Andeutungen erzielten eine Wirkung, die durchaus nicht beabsichtigt war, der Doktor geriet vor Ungeduld außer sich.

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      »Möchtest du unglücklicher Dick, du falscher Freund, denn wirklich, dass solcher Ruhm einem andern zugute käme? Soll ich meine ganze Vergangenheit Lügen strafen? Vor Hemmnissen, die keine wirklichen Hindernisse sind, zurückbeben? Mit feigem Zögern vergelten, was die englische Regierung und die Königlich-Geographische Gesellschaft in London für mich getan haben?«

      »Aber ...«, begann Kennedy von neuem; er schien eine ganz besondere Vorliebe für diese Konjunktion zu haben.

      »Aber«, fuhr der Doktor fort, »weißt du denn nicht, dass meine Reise mit den gegenwärtig in der Ausführung begriffenen Unternehmungen in Konkurrenz treten soll? Dass sich schon wieder neue Entdecker rüsten, um nach Zentralafrika zu gelangen?«

      »Aber ...«

      »Höre mich genau an, Dick, und wirf einen Blick auf diese Karte.«

      Dick ergab sich in sein Schicksal und tat, wie ihm geheißen.

      »Verfolge den Lauf des Nils«, sagte Fergusson, »und reise nach Gondokoro.«

      Kennedy dachte, wie leicht doch solch eine Reise sei... auf der Karte.

      »Nimm eine der Spitzen dieses Zirkels«, versetzte der Doktor, »und setze sie auf diese Stadt, über welche die Kühnsten kaum hinausgekommen sind. Und jetzt suche an der Küste die Insel Sansibar, unter dem 6. Grad südlicher Breite. Folge sodann diesem Parallelkreise bis Kaseh, gehe an dem 33. Längengrade entlang bis zum Beginn des Ukerewe-Sees, der Stelle, bis zu welcher der Lieutenant Speke kam.«

      »Ich bin glücklich am Ziel! Noch etwas weiter und ich wäre in den See gefallen.«

      »Nun, weißt du wohl, was man nach den von den Ufervölkern gegebenen Informationen mit Recht voraussetzen darf?«

      »Ich habe keine Ahnung.«

      »Dass dieser See, dessen unteres Ende unter 2° 30‘ Breite liegt, sich gleichfalls 2,5 Grad über den Äquator erstrecken muss.«

      »Wirklich?«

      »Nun geht aber von diesem nördlichen Ende ein Wasser aus, das sich notwendig mit dem Nil vereinigen muss, wenn es nicht der Nil selbst ist.«

      »Das wäre merkwürdig.«

      »Setze nun die andere Spitze deines Zirkels auf dieses Ende des Ukerewe-Sees. Wieviel Grade zählst du zwischen den beiden Spitzen?«

      »Kaum zwei Grade.«

      »Und weißt du, wie viel Meilen das sind, Dick?«

      »Das kann ich nicht sagen.«

      »Kaum 120 Meilen, also so gut wie gar nichts.«

      »So gut wie gar nichts, Samuel?«

      »Weißt du denn vielleicht, was in diesem Augenblick vorgeht?«

      »Nein, auf mein Wort!«

      »Nun, so höre. Die Geographische Gesellschaft hat die Erforschung dieses von Speke entdeckten Sees als sehr wichtig erkannt. Unter ihren Auspizien hat sich der Lieutenant, jetzt Kapitän Speke, mit dem Hauptmann im indischen Heere, Herrn Grant, vereinigt. Sie haben sich an die Spitze einer umfangreichen, trefflich ausgerüsteten Expedition gestellt und sollen jetzt den Auftrag ausführen, über den See zu setzen und dann nach Gondokoro zurückzukehren. Man hat ihnen Subsidien im Betrage von über 5.000 Pfund gewährt, und der Gouverneur des Kaplandes stellt ihnen hottentottische Soldaten zur Verfügung. Ende Oktober 1860 sind sie von Sansibar aufgebrochen. Unterdessen hat der Engländer John Petherick, Ihrer Majestät Konsul in Chartum, von dem Foreign-Office etwa 700 Pfund bekommen, um ein Dampfboot in Chartum auszurüsten, es mit genügenden Vorräten zu versehen und sich nach Gondokoro zu begeben; dort wird er die Karawane des Kapitäns Speke erwarten und imstande sein, sie neu zu verproviantieren.«

      »Fein ausgedacht«, sagte Kennedy.

      »Du siehst also, dass es Eile hat, wenn wir uns an diesen Forschungsarbeiten beteiligen wollen. Und das, was ich dir soeben mitgeteilt habe, ist noch nicht alles. Während man sicheren Schrittes auf die Entdeckung der Nilquellen losgeht, dringen andere Reisende kühn in das Herz von Afrika vor.«

      »Zu Fuß«, warf Kennedy ein.

      »Jawohl, zu Fuß«, antwortete der Doktor, ohne die Andeutung verstehen zu wollen. »Doktor Krapf beabsichtigt, im Westen auf dem Dschobflusse unter dem Äquator vorzugehen; und Baron von Decken hat Mombasa verlassen, die Kenian- und Kilimandscharo-Berge erkundet und rückt nach Zentralafrika vor.«

      »Immer zu Fuß?«

      »Immer zu Fuß oder auf Maultieren.«

      »Das ist in meinen Augen genau dasselbe«, meinte Kennedy.

      »Schließlich«, fuhr der Doktor fort, »hat Herr von Heuglin, österreichischer Vizekonsul in Chartum, eine sehr bedeutende Expedition organisiert, deren erster Zweck der ist, den Reisenden Vogel aufzusuchen, der im Jahre 1853 nach Sudan geschickt wurde, um an den Arbeiten des Doktor Barth teilzunehmen. Im Jahre 1856 verließ er Bornu mit dem Entschluss, das unbekannte Land zwischen dem Tschad-See und Darfur zu erforschen; seit dieser Zeit ist er aber nicht wieder erschienen. Briefe, die im Juni 1860 nach Alexandrien gelangten, haben berichtet, dass er auf Befehl des Königs von Wadai ermordet worden sei; aber andere Nachrichten, von Doktor Hartmann an den Vater des Reisenden gesandt, teilen uns mit, dass Vogel nach den Erzählungen eines Fellatahs von Bornu nur in Wara gefangen gehalten werde; alle Hoffnung, ihn wieder zu finden, ist also noch nicht verloren. Unter dem Vorsitz des regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha hat sich ein Komitee gebildet (mein Freund Petermann ist Sekretär desselben); und eine nationale Subskription hat die Kosten dieser Expedition, der sich zahlreiche Gelehrte angeschlossen haben, bestritten. Herr von Heuglin hat sich im Monat Juni von Massaua aus auf den Weg gemacht, und während er den Spuren Vogels nachgeht, ist es zugleich seine Aufgabe, alles zwischen dem Nil und dem Tschad-See liegende Land zu erforschen, d. h. die Reisen des Kapitäns Speke mit denen des Doktor Barth zu verknüpfen. Und wenn dies geschehen ist, wird Afrika von Osten bis nach Westen durchwandert sein!«

      »Das ist ja prächtig«, versetzte der Schotte, »wenn sich das alles so gut einfädelt, haben wir dort unten doch eigentlich nichts mehr zu suchen.«

      Doktor Fergusson antwortete nicht; er zuckte nur verächtlich mit den Achseln.

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      SECHSTES KAPITEL

       Ein unbeschreiblicher Diener. – Er bemerkt die Trabanten des Jupiters. – Dick und Joe im Streit. – Zweifel und Glaube. – Das Wiegen. – Joe. – Wellington. – Er erhält eine halbe Krone.

      D

      oktor Fergusson hatte einen ganz unglaublich eifrigen Bedienten, der auf den Namen Joe hörte: eine vortreffliche Natur und seinem Herrn mit Leib und Seele ergeben. Er pflegte sogar seine Befehle schon mit richtigem Verständnis auszuführen, noch ehe jener sie ausgesprochen hatte, und war niemals mürrisch oder verdrießlich, sondern ein stets gut gelaunter Caleb; man hätte sich einen vorzüglicheren Diener überhaupt nicht denken können. Fergusson konnte sich, was die Einzelheiten seiner Existenz betraf, vollständig auf ihn verlassen. Ja, es war ein ausgezeichneter, ein braver Joe! Ein Diener, der das Mittagessen anordnet, der den Geschmack seines Herrn zu dem Seinigen gemacht hat, der den Koffer packt und weder Strümpfe noch Hemden vergisst und der die Schlüssel und Geheimnisse des Herrn unter seinen Händen hat, ohne jemals irgendwelchen Missbrauch damit zu treiben. Aber was war der Doktor auch für ein Mann in den Augen unseres würdigen Joe! Mit welcher Achtung und welchem Vertrauen nahm er seines Herrn Ratschläge an! Wenn Fergusson einmal gesprochen hatte, konnte nur ein Tor etwas