»Na toll. Den Krach haben übrigens die Eunuchen veranstaltet. Irgendeine Eifersuchtssache.«
»Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?«
Sie liefen schnell zurück zum Zimmer des Wesirs und öffneten vorsichtig die Tür. Alles schien in Ordnung. Sie schlüpften in den Raum und schlossen die Tür.
»He, wer da?«, bellte plötzlich der Bass des Wesirs durch den Raum. Der kleine dicke Mann stand wie aus dem Nichts vor ihnen und hielt ein Schwert an Yoricks Gurgel. »Was wollt ihr?«
»Wir …, verzeiht, Herr …«, stammelte Hans schreckensstarr.
Wesir Memduh überraschte sie, indem er scharf die Luft durch die Nase einzog und schnupperte. Dann lachte er und ließ sein Schwert sinken. »Rosenöl. Habt ihr wirklich gedacht, dass …« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hört mal, ihr Burschen! Ja, ich weiß, dass es verschiedene Gerüchte über mich gibt. Und ihr seid auch nicht die Ersten. War es eine Wette? Eine Mutprobe? Lasst euch eins gesagt sein, Burschen, egal, was man euch erzählt habt, ich mag keine parfümierten Knaben.«
»Das …, ach so, nein.« Hans ertastete in seiner Manteltasche die kleine Öllampe und das Siegel von Mir Ahmad. Er zog beides heraus und hielt die Lampe hoch. »Nein, Herr, das ist ein Missverständnis. Unsere Lampe ist durch den Luftzug ausgegangen. Und offenbar habt Ihr unser Klopfen eben nicht gehört. Darum sind wir einfach hereingekommen. Verzeiht, Herr. Es gibt nämlich wichtige Nachrichten.«
»So? Und warum gehst du damit nicht zu deinem Kommandanten?«
»Weil mir die Nachricht so wichtig scheint, dass wir gleich zu Euch gekommen sind. Ihr seid doch der Stellvertreter unseres Sultans …«
»Gut, lass hören.«
Hans erzählte die Geschichte, die er vom Boten gehört hatte, von Sultan Burhaneddin und Qara Yoluk Uthman Beg, von Sebast und den Weißen Hammeln. Er zeigte dem Wesir das Siegel Mir Ahmads und endete damit, dass den Boten leider das Zeitliche gesegnet hatte, weshalb niemand den Sultan informieren würde.
»Nun, das ist wirklich eine interessante Nachricht. Unser Vater Bayezid wird sicher nicht erfreut sein, wieder einmal von Burhaneddin und den Weißen Hammeln zu hören.« Der Wesir seufzte. »Gut, schicken wir einen Boten los. Los, Bursche, zünd endlich dein Lämpchen an, damit ich eine Botschaft schreiben kann.« Der Wesir setzte sich an den Schreibtisch und verfasste einen Brief, den er mit seinem Siegel verschloss. Dann ließ er sich von Hans und Yorick hinunter zum Eingang der Zitadelle begleiten, wo er die Wachen anwies, sofort ihren Kommandeur herbeizurufen. Dass einer der Wachen ausgerechnet Don Juan war, nahm Hans als gottgegeben hin – es passte zu dieser verrückten Nacht.
Während sie auf den Kommandanten warteten, fragte Don Juan in jenem lauten Flüstern, das garantiert jeder im näheren Umkreis mitbekommen musste: »Wie seid ihr hier hereingekommen? Ich habe euch nicht passieren lassen, oder?« Das abschließende »Arschloch« zischte er tatsächlich leise.
»Wir sind hier durch diese Tür gekommen«, flüsterte Hans genauso laut zurück. »Wir waren besonders leise, denn wir wollten dich und deinen Kollegen nicht aufwecken.«
»Wir haben nicht geschlafen.«
»Sicher. Darum habt ihr uns ja auch nicht bemerkt.«
Der Wesir kommentierte das mit einem indifferenten Schmunzeln.
»Du bist wirklich völlig wahnsinnig, Johannes Schiltberger aus München«, sagte Yorick, nachdem die Botschaft durch einen Reiter auf den Weg gebracht und sie zur Nachtruhe entlassen worden waren. »Wie viele Leben hast du eigentlich?«
»Nur dieses eine«, antwortete Hans. »Und das muss ich ausnutzen, solange es geht. Wenn jetzt der Bote unterwegs ist, bleiben mir noch vier bis sieben Tage, bis der Marschbefehl kommt, oder?«
»Richtig. Also beeil dich mit dem Mannwerden.«
8 Ghul und Ghula
Gülsüm begrüßte ihn in der nächsten Nacht mit einem fröhlichen Lächeln. Hans bedeutete Aynur, ihm zu folgen. Er führte sie durch den Tunnel zu den Kastanien. Sie legten sich im weichen Gras auf den Boden und sahen zu den Sternen hinauf. Sie hielten schweigend Händchen und waren selig. Es gab so viel zu fragen und zu sagen, also schwiegen sie. Später tanzten sie zu einer inneren Melodie, die nur sie hören konnten, sprangen herum und plapperten verliebtes Zeug.
In der zweiten Nacht wartete Aynur schon im Zimmer des Wesirs vor der Geheimtür.
»Bist du wahnsinnig?«, raunte Hans. »Wenn er aufgewacht wäre!«
Aynur zuckte mit den Schultern. »Dann wäre ich zu ihm ins Bett«, sagte sie mit einer Nüchternheit, die Hans einen kleinen Stich versetzte.
Sie legten sich wieder unter die Sterne und hielten Händchen.
»Warum bist du damals bei Nikopolis nicht geflohen?«, brach Hans irgendwann das Schweigen.
»Wir wollten fliehen, aber der Esel meines Vaters ist in der Nacht gestorben. Einfach so. Altersschwäche vermutlich. Wir haben den Karren erst selbst gezogen, dann haben wir ihn sogar zurückgelassen, um schneller zu sein. Aber sie haben uns eingeholt. Meine Familie und mich.«
»Dein Vater war Wäscher?«
»Nein, wie kommst du darauf?«
»Weil ich dich bei den Wäscherinnen gesehen habe. Ich … du bist keine Wäscherin?« Wäscherinnen verdienten sich in der Regel immer noch etwas als Huren nebenbei. Das war bekannt. Und Hans betonte es so, dass Aynur es deutlich heraushören konnte.
»Nein«, sagte Aynur empört. »Ich war ein anständiges Mädchen.«
Hans’ Herz hüpfte vor Freude. Er drückte ihre Hand.
»Mein Vater war Koch. Wir haben ihn als Küchenhilfen begleitet, meine Mutter und meine kleinen Brüder und ich. Jetzt sind alle tot, bis auf mich.« Sie schluckte. »Aber ich kann mich nicht beklagen. Der Türke, der mich gefangen nahm, wollte mich auch auf einem Sklavenmarkt verkaufen. Er hat mich nicht angerührt, weil er wusste, dass er für eine Jungfrau einen besseren Preis bekommt.« Sie berichtete, wie sie sich von einer dreckigen Alten, die nach Katzenpisse stank, untersuchen lassen musste. »Zum Glück hat mich der Wesir Memduh entdeckt und gekauft. Das hätte er nicht, wenn ich nicht noch Jungfrau gewesen wäre. Ich kann mich gar nicht beklagen. Er behandelt mich sehr gut. Er hat mich von einer einfachen Haremssklavin schnell zu seiner Konkubine gemacht. Er ist ein guter Mann.« Tränen stiegen ihr in die Augen und glitzerten im Sternenlicht. Hans wischte die Tränen vorsichtig mit seinem Daumen weg und küsste ihre Augen. Dann ihren Mund. Endlos.
In der folgenden Nacht schmiedeten sie Pläne für eine Flucht, wohl wissend, dass die Erfolgschancen gleich null waren. Sie träumten davon, auf einem Pferd durch die Türkei zu reiten. Verfolgt vom wütenden Wesir. Bis ans Ende der Welt! Aynur fand Hans’ Plan völlig verrückt und gleichzeitig unglaublich romantisch.
Sie küssten sich leidenschaftlich, und Hans fühlte ihre Hand, die sich in seine Hose tastete und seinen harten Penis umfasste. Hans keuchte überrascht auf und wäre allein von der Berührung fast gekommen. Sie keuchten beide, als sie ihm ihr Becken entgegendrückte und ihn vorsichtig einführte. Mit der Hand bremste sie ihn, damit er nicht zu schnell und hart eindrang. Seine Entjungferung endete sehr schnell. Sie zog endlich ihre trennende Hand weg, er glitt die letzten Zentimeter tief in sie, spürte sein Schamhaar sich mit ihrem knisternd verkräuseln und kam sofort. Für das zweite Mal zogen sie sich aus. Hans, immer noch unbeholfen, aber neugierig und lernwillig, merkte schnell, dass es sich lohnte, den Orgasmus so weit als möglich hinauszuziehen.
Der greise Ziegenhirte, der in der Nähe seine Herde bewachte und unter Schlaflosigkeit litt, beobachtete auch das. Zwar nur schemenhaft, denn seine Augen waren nicht mehr die besten, doch er war sich sicher, dass er drei Nächte lang ein Paar bei den Kastanien gesehen hatte. Das erzählte er jedem, ob der er hören wollte oder nicht. Die meisten schimpften ihn einen Spanner, doch dann trumpfte er mit dem Ende auf: Er sei jedesmal, wenn das Paar gegen Morgen zwischen