Partizipation lässt sich in einem weiten Verständnis als gesellschaftliche Teilhabe und aktive Teilnahme durch «auf Öffentlichkeit bezogenes individuelles Handeln» konzeptualisieren (von Schwanenflügel 2015, 15). Für fokussierte Analysen von Beteiligungsprozessen und der damit verbundenen Eröffnung von Teilhabe- und/oder Bildungsmöglichkeiten erscheint jedoch eine enge Betrachtungsweise sinnvoll, die Partizipation «als Einbindung von Individuen in Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse» (Reichenbach 2006, 54) auffasst (vgl. auch Rieker et al. 2016; Knauer/Sturzenhecker 2005). So können Partizipationspraktiken dahingehend untersucht werden, inwieweit sie Kindern und Jugendlichen eine Erweiterung ihres Handlungsspielraumes ermöglichen. Partizipationsgremien in Schulen lassen sich vor diesem Hintergrund als Bildungsorte fassen (Büchner/Brake 2006; Busse 2010), an denen eine Beteiligung an «Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen», kennengelernt und eingeübt werden kann, mit dem eine Erweiterung gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten einhergeht.
Der Zugang zu gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten ist in modernen Gesellschaften über formale Bildungsprozesse vermittelt. Bildungsinstitutionen ermöglichen in ihrer sozialen Praxis Zugang zu symbolischen und materiellen Ressourcen, schränken diesen aber auch ein oder blockieren ihn im ungünstigsten Fall ganz (Mecheril/Quehl 2015). So lässt sich sowohl im schweizerischen als auch im deutschen Bildungssystem eine enge Kopplung zwischen sozioökonomischem Status sowie kulturellem Kapital der Familie und den Bildungserfolgschancen in der Schule konstatieren (vgl. PISA-Konsortium 2008; Mecheril/Quehl 2015). Unterschiedliche klassen- und familienspezifische Sozialisationsbedingungen lassen unterschiedliche Voraussetzungen von Kindern und Jugendlichen für schulischen Bildungserfolg entstehen (vgl. Lareau 2011). Die (Re-)Produktion sozialer Ungleichheiten ist – wie in diesen Studien deutlich wird – letztlich auch eine Folge sprachlicher Fähigkeiten.
«Verborgene Mechanismen» (Bourdieu 2005) einer Leistungs- und Begabungsideologie bringen hierbei schulische Gremien wie den Schülerrat als ein Lern- und Bildungsfeld hervor, das nicht frei ist von pädagogischen Ungleichheits- und Differenzpraktiken, die Zugang sowie Teilhabemöglichkeiten an Partizipationsgremien regulieren. Der Zugang zu diesen Bildungsorten, der mit einer Ermöglichung beziehungsweise Verunmöglichung von Bildungsanlässen einhergeht, steht demnach nicht allen Kindern in gleicher Weise offen. Pädagogische Differenzpraktiken im Kontext von schulischen Partizipationsangeboten erfolgen dabei entlang der sozialen Herkunft der Kinder und Jugendlichen sowie über natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeiten und Zuschreibungen (Mecheril 2003), die jeweils eng verknüpft sind mit den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder. Sogenannte «Sprachdefizite», illegitime «Bildungssprachen» und/oder «Migrationssprachen» werden für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen als Herausforderung betrachtet (Brisić 2007, 43). Um mit Blick auf den Bildungserfolg im Feld der Schule «mitspielen zu können, muss man eine bestimmte Sprache beherrschen und über eine bestimmte Kultur verfügen» (Bourdieu 2005, 14). Insofern eine bestimmte Sprache notwendig ist, um sich feldspezifisch mitteilen, aber auch an sozialen und politischen Möglichkeitsbedingungen teilhaben und sich beteiligen zu können, kann man von einem hierarchischen Verhältnis von Sprache(n) und sprachlichen Fähigkeiten ausgehen, welches in den Analysen weiter expliziert wird (vgl. Mörgen/Schnitzer 2015, 7 f.). Sprache kann in diesem Zusammenhang als soziale Praxis aufgefasst werden, die als Teil des jeweils verfügbaren kulturellen Kapitals im Sinne Bourdieus verstanden werden kann (Bourdieu 1983). In diesem Sinne wird Sprache nicht ausschließlich als Verständigungsmedium aufgefasst, sondern als «a set of resources which circulate in unequal ways in social networks and discursive spaces, and whose meaning and value are socially constructed within the constraints of social organizational processes, under specific historical conditions» (Heller 2007, 2). Sie fungiert demnach als Zugangsmedium zu Bildungsinstitutionen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten und ist zugleich Ergebnis sozialer Aneignungsprozesse. Inwiefern dabei über Sprache beziehungsweise über sprachliche Fähigkeiten und damit einhergehende Kompetenzzuschreibungen Zugangsmöglichkeiten zu Partizipationsgremien als institutionelle Bildungsorte vermittelt und damit soziale Positionen ausgehandelt werden, die wiederum mit unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten einhergehen, ist Gegenstand der nachfolgenden Analysen. Hier stellt sich einerseits die Frage, inwiefern in diesem Kontext politische Artikulationsmöglichkeiten beziehungsweise deren Einübung im Rahmen institutioneller Bildungsanlässe über sprachliche Fähigkeiten reguliert und überhaupt thematisiert werden. Andererseits lässt sich fragen, welche Anforderungen an pädagogische Fachkräfte – im schulischen Kontext zumeist Lehrpersonen – damit gestellt sind, Orte «gelingender» Partizipationsgelegenheiten als Bildungsräume zu gestalten, aber auch wie Kinder diese Anforderungen und politischen Artikulationsmöglichkeiten thematisieren.
Ausgehend von einem Verständnis institutioneller Partizipationsgremien als Bildungsorte, die Möglichkeiten für Bildungsprozesse eröffnen, lässt sich festhalten, dass institutionelle Bildungsmöglichkeiten mit ihrer Leistungs- und Begabungsideologie von einem ungleichen Zugang geprägt sind, der eine Teilnahme und damit einhergehende gesellschaftliche Teilhabe nicht allen Kindern in gleichem Maße eröffnet. Der Zugang wird über unterschiedliche Differenzpraktiken reguliert, die sich im Rahmen qualitativer Studien detailliert in den Blick nehmen lassen. In diesem Zusammenhang ist es allerdings wichtig, zwischen Differenzen und Ungleichheiten zu unterscheiden. Während Ungleichheiten als strukturelle Benachteiligungen im Zugang zu Ressourcen verstanden werden können (vgl. etwa Kreckel 2004, 17), lassen sich Differenzen als situative Unterschiede fassen: etwa in Bezug auf die unterschiedlichen «alltagsweltliche[n] Sprachwirklichkeiten» der Schüler/-innen, die nicht in jedem Falle mit den von der Schule erwarteten «Sprachvarianten» übereinstimmen (vgl. Mecheril/Plößer 2009, 196–197). Im Anschluss an Diehm et al. 2013 kann weiter davon ausgegangen werden, dass sich mithilfe qualitativ orientierter Ungleichheitsforschung – wie etwa der Studie, auf die im Folgenden Bezug genommen wird – Prozesse, Mechanismen und die Genese von Ungleichheitsformen rekonstruieren lassen, nicht aber «die repräsentative Abbildung von Ungleichheitsverhältnissen» (Machold 2017, 157). Rekonstruieren kann man hingegen, wie ungleichheitsrelevante Unterschiede, die für den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und sozialer Teilhabe, aber eben auch für den Zugang zu gremienförmigen Angeboten der schulischen Partizipation, bedeutsam sind, sozial hergestellt werden (ebd., 158). Für das Erfassen des Zusammenhangs von sozialer Ungleichheit und Differenz im Kontext qualitativer Forschung kann man davon ausgehen, dass sich über einen qualitativen Zugang soziale Mikroprozesse beobachten lassen und die situative Hervorbringung von Differenz rekonstruiert werden kann (Diehm et al. 2013). Diese wiederum können über eine Theoretisierung und die Formulierung verallgemeinerbarer Aussagen am empirischen Einzelfall zu Entstehungsprozessen sozialer Ungleichheit in Beziehung gesetzt werden (vgl. Machold 2017, 157; Lareau 2011).
Im Folgenden wird die Bedeutung von Sprache und sprachlichen Fähigkeiten für Partizipationsmöglichkeiten im institutionellen Setting Schule detailliert analysiert. Dabei sind die Daten der Studie «Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz», die von 2012 bis 2014 in Kooperation mit UNICEF Schweiz an der Universität Zürich durchgeführt wurde (Rieker et al. 2016),