Arbeiten in der Tagesschule (E-Book). Regula Windlinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regula Windlinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035518030
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wichtig. Gerade am Mittag, abhängig von der Infrastruktur und der Organisation des Mittagessens, sind die Gruppen teilweise sehr gross. Um die Kinder in kleinere Gruppen aufteilen zu können, beispielsweise nach Altersklassen, braucht es genügend Räume und Personal. Dies wäre wichtig, um dem Ruhebedürfnis der Kinder gerecht zu werden und ihnen Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Neben dem besseren Betreuungsschlüssel schlugen die Teilnehmenden als weitere Lösung vor, die Kinder vermehrt selbstorganisiert ihren Bedürfnissen nachgehen zu lassen. Dazu gehört zum Beispiel die Organisation am Mittag mit Kinderrestaurants (siehe Beitrag 11). Eine eigenständige Freizeitgestaltung nach eigenen Interessen und Wünschen hat einen präventiven Aspekt.

      Weiter forderten die Diskutierenden mehr Vorbereitungszeit für Mitarbeitende. Mitarbeitende mit einem grossen Erfahrungsschatz, jedoch ohne pädagogische Ausbildung sollten die Möglichkeit erhalten, sich (nicht zuletzt aus lohntechnischen Gründen) zu Fachpersonen ausbilden zu lassen. Förderlich für die Betreuungsqualität wären zudem mehr personelle und finanzielle Ressourcen und passende Räumlichkeiten. Damit gehen eine höhere Wertschätzung und Anerkennung dieses Berufsfeldes durch die Gesellschaft einher.

      1.2.4 Infrastruktur und Raumkonzept

      Im Forschungsprojekt gaben die Mitarbeitenden an, wie verschiedene Umgebungsfaktoren bei der Arbeit belastend sein können. Dabei zeigte sich, dass der Lärm der am stärksten störende Umgebungsfaktor ist. Über 60 Prozent der Mitarbeitenden geben an, davon zum Teil in hohem Masse betroffen zu sein. Ferner empfinden viele Mitarbeitende die räumliche Enge als unangenehm. Nach den Angaben der befragten Leitungspersonen ist der Lärmpegel in vielen Einrichtungen enorm hoch. Zudem fehlen geeignete Räume für das Personal und vielerorts auch geeignete Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder. Auf die Frage, was sie gerne an der Arbeitssituation verändern würden, nannten sowohl die Mitarbeitenden als auch die Leitungen am häufigsten die Infrastruktur. Insbesondere der Innenraum ist hierbei essenziell.

      Teilnehmende in den Diskussionen berichteten, dass in ihren Einrichtungen der Lärmpegel manchmal zu hoch sei, vor allem während der Mittagsbetreuung. Die Infrastruktur ist vielerorts nicht ideal. So muss beispielsweise in einer gewöhnlichen Küche für 50 Personen gekocht werden, oder die Betreuung findet in Räumen statt, die sich im Untergeschoss befinden. In vielen Einrichtungen ist man auf die stetig wachsende Kinderzahl nicht vorbereitet und muss improvisieren. Das Teilen von Räumlichkeiten stand ebenfalls zur Diskussion. Die Multifunktionalität und Mehrfachnutzung von Räumen stösst irgendwann an Grenzen. Weiter können feuerpolizeiliche Vorgaben einschränkend sein.

      Ob das Teilen von Räumen zwischen Betreuung und Unterricht möglich ist, hängt stark vom Rollenverständnis der Betreuungs- und Lehrpersonen ab. Nichtsdestotrotz ist eine Zusammenarbeit möglich, auch wenn unterschiedliche Rollen wahrgenommen werden. Die Schulleitung ist eine Schlüsselfigur in diesem Prozess (siehe Beiträge 7 und 8).

      In Bezug auf den Umgang mit Lärm gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Neben Massnahmen, die schalldämmend wirken, wie zum Beispiel akustische Verkleidungen, lässt sich die Raumorganisation und -gestaltung durch bewegliche Elemente verändern. Auf die Gruppendynamik hat dies einen entscheidenden Einfluss. Eine angepasste Organisation der Mittagsverpflegung, bei der nicht alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig essen, führt zu einer Reduktion des Lärms (siehe Beitrag 11). Das Thema der Gestaltung und Nutzung von Raum und Infrastruktur wird im Beitrag 4 von Keller und Marin vertieft behandelt.

      1.2.5 Qualifikation des Personals

      In den Einrichtungen der SEBB arbeiten Frauen und Männer mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund zusammen (siehe Abschnitt 1.2.2, «Multiprofessionelle Zusammenarbeit»). Da im Kanton Bern die Tagesschulen räumlich und organisatorisch in die Schule integriert sind (Erziehungsdirektion des Kantons Bern, 2009), arbeitet ein deutlich höherer Anteil an Lehrpersonen in der Betreuung mit, als dies in den Kantonen Aargau und Solothurn der Fall ist. Insgesamt liegt der Anteil pädagogisch ausgebildeter Mitarbeitender im Kanton Bern über 50 Prozent. In Tagesstrukturen verfügt etwa die Hälfte des Personals über eine pädagogische Qualifikation. An Mittagstischen hat die Mehrzahl der Betreuungspersonen keine pädagogische Ausbildung.

      Die Anstellung von genügend pädagogischem Personal erachten die Leitungspersonen im Forschungsprojekt als sehr wichtig, und diese Bedingung wird von den meisten Einrichtungen überwiegend erfüllt. Diesbezüglich besteht folglich kaum Handlungsbedarf.

      In den Forschungsergebnissen zeigen sich gewisse Unterschiede zwischen Mitarbeitenden mit und solchen ohne pädagogische Qualifikation. Pädagogisch ausgebildete Mitarbeitende schätzen die Wichtigkeit von verschiedenen Merkmalen der Arbeit höher ein als Mitarbeitende ohne pädagogische Ausbildung. Sie haben höhere Ansprüche an die Qualität ihrer Arbeit. Gleichzeitig fühlen sich pädagogisch ausgebildete Mitarbeitende im Arbeitsalltag nach eigenen Angaben seltener überfordert als ihre Kolleginnen und Kollegen ohne pädagogische Qualifikation. Etliche Mitarbeitende berichteten im Rahmen des Forschungsprojekts, dass sie den Umgang mit heterogenen Gruppen als schwierig erleben (zur Beziehungsgestaltung in Tagesschulen siehe Beitrag 10). Eine pädagogische Ausbildung kann hierzu das nötige Handwerk bieten.

      In den Diskussionen wurde besprochen, wie mit den Betreuungspersonen ohne pädagogische Qualifikation umgegangen werden soll. Das Ziel dabei soll sein, dass diese Mitarbeitenden einer pädagogischen Ausbildung nachgehen können und es nicht zur Entlassung des unqualifizierten Personals kommt. Dabei wurde die Frage diskutiert, wie berufliches Engagement und pädagogische Nachqualifikation unter einen Hut gebracht werden können. Teilnehmende waren der Meinung, dass die Einstiegsschwelle für die Nachholbildungen zu hoch sein kann, wenn ein Anstellungspensum von 50 Prozent vorausgesetzt wird. Die Rahmenbedingungen sollten derart angepasst werden, dass die Niederschwelligkeit gewährleistet ist und sich die Mitarbeitenden qualifizieren können. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang die Möglichkeit von Weiterbildungen für Klassenassistenzen, die sowohl im Unterricht als auch in der Betreuung eingesetzt werden können.

      Die Beteiligten betonten, dass Zeitfenster für Backgroundarbeiten für Führungspersonen und Mitarbeitende gleichermassen zur Qualitätssicherung notwendig sind. Dafür sollen im Budget Poolstunden einberechnet werden. Einzelne Tagesschulen haben bereits Tools für solche Berechnungen erarbeitet. Wünschenswert wäre ein Instrument zur Berechnung von Stellenprozenten, das vereinheitlicht und für alle verbindlich ist. Dies würde dafür sorgen, dass die Abhängigkeit von der Gemeinde in diesen Fragen aufgehoben würde.

      Dass Mitarbeitende mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund in einem Team gut zusammenarbeiten können, ist nicht selbstverständlich. Eine Schlüsselrolle hat hierbei die Leitungsperson (siehe Beitrag 6).

      1.3 Entstehung dieses Bandes

      Die Forschungsergebnisse und die Diskussionen mit Leitungspersonen, Mitarbeitenden, Forschenden, Behördenmitgliedern und weiteren Interessierten anlässlich der Tagung und im Verlauf der Entstehung dieses Bandes geben einen Einblick, wo Herausforderungen bestehen und Entwicklungen stattfinden. All diese Erkenntnisse zeigen auf, dass Erfahrungen und Meinungen unterschiedlich sind und es keine allgemeingültigen, simplen Lösungen gibt. Viele Einrichtungen beschreiten neue Wege und finden vor Ort innovative Lösungen für den Umgang mit bestimmten Herausforderungen. Am Beispiel von drei Einrichtungen aus dem Kanton Zürich wird dargelegt, wie mit neuen Formen die Mittagszeit gestaltet werden kann (siehe Beitrag 11). Vier weitere Einrichtungen gaben uns einen Einblick in ihren Alltag, und die Leitungspersonen erzählten von ihrem Umgang mit den Themen «Zusammenarbeit» (siehe Beitrag 8), «Betreuungsqualität» (Beitrag