Arbeiten in der Tagesschule (E-Book). Regula Windlinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regula Windlinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035518030
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      Publiziert mit der Unterstützung der Pädagogischen Hochschule Bern und der Stiftung Mercator Schweiz.

      Regula Windlinger (Hrsg.)

      Arbeiten in der Tagesschule

      Einblicke und Impulse für die Weiterentwicklung

      ISBN Print: 978-3-0355-1802-3

      ISBN E-Book: 978-3-0355-1803-0

      1. Auflage 2020

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2020 hep Verlag AG, Bern

       hep-verlag.com

      1 Arbeiten in Tagesschulen – Einführung in den Sammelband

      Regula Windlinger

      In den letzten Jahren hat die Zahl der Frauen und Männer, die in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung (SEBB) arbeiten, stark zugenommen. Neue Tagesschulen, Tagesstrukturen, Horte und Mittagstische wurden eröffnet, und bestehende Einrichtungen haben ihr Angebot erweitert. Vielerorts stossen dabei die Organisationsstrukturen aus der Pionierzeit an ihre Grenzen, und es werden neue Formen erprobt. Während in der Anfangszeit mit Improvisation und Flexibilität vieles möglich gemacht werden konnte, braucht es nun längerfristige Lösungen, die einen hohen Qualitätsstandard garantieren. Angesprochen sind dabei die Infrastruktur, die Organisation der Angebote, Formen der Kooperation innerhalb der SEBB und mit der Schule sowie auch die Arbeits- und Anstellungsbedingungen der Mitarbeitenden.

      1.1 Empirie in der schulergänzenden Bildung und Betreuung

      Forschungsergebnisse aus dem Bereich der vorschulischen und schulergänzenden Bildung und Betreuung in der Schweiz und in Deutschland (für einen Überblick siehe Windlinger & Züger, 2020, Kapitel 3) zeigen, dass die meisten Mitarbeitenden ihren Job als bedeutsam erleben und die Arbeit mit den Kindern sie motiviert. Essenziell sind dabei die Qualität der Führung und Teamwork. Viele Betreuungspersonen erleben im Arbeitsalltag Belastungen wie Zeitdruck, fehlende Pausen, zu grosse Gruppen oder beeinträchtigende Umgebungsfaktoren wie Lärm. Diese Belastungen können sich negativ auf die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken. Studien konnten aufzeigen, dass das Erleben der Arbeit von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Erwähnenswert sind beispielsweise der Betreuungsschlüssel, das pädagogische Konzept einer Einrichtung, die Infrastruktur oder die Einteilung der Arbeitszeit. Günstige Faktoren können die Mitarbeitenden entlasten, negativ wahrgenommene Faktoren führen zu Belastungen.

      Um mehr über das Personal in den Tagesschulen, Tagesstrukturen oder Mittagstischen herauszufinden und um zu untersuchen, inwiefern diese Befunde auch für die SEBB in drei Kantonen der Schweiz zutreffen, führten wir an der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) das Forschungsprojekt «Arbeitsplatz Tagesschule» durch. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts befragten wir Leitungspersonen und Mitarbeitende in der schulergänzenden Bildung und Betreuung in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse zum Personal und dessen Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, zu den Belastungen und Ressourcen in der Arbeit, dem Beanspruchungserleben und der Motivation sowie zu Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und arbeitsbezogenen Einstellungen ist im Buch «Arbeitsplatz Tagesschule. Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung» vorzufinden (Windlinger & Züger, 2020). Insgesamt bestätigen die Ergebnisse dieses Projekts die angesprochenen Erkenntnisse aus früherer Forschung. Sie zeigen zudem, dass für die meisten Mitarbeitenden derzeit die Belastungen noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Ressourcen bei der Arbeit stehen. Diese Einschätzungen sind jedoch abhängig von der Qualifikation und dem Arbeitspensum. Mitarbeitende mit höheren Arbeitspensen sind stärker belastet und erleben daher auch stärkere emotionale Erschöpfung als Mitarbeitende mit kleineren Pensen. Eine stärkere Beanspruchung äussern Mitarbeitende mit einer pädagogischen Ausbildung. Dies hängt wahrscheinlich mit deren höheren eigenen Ansprüchen an die Qualität der Arbeit zusammen. Dies zeigt sich auch darin, dass Mitarbeitende mit einem pädagogischen Berufsabschluss die Rahmenbedingungen eher als unzureichend einstufen und diesbezüglich einen höheren Handlungsbedarf sehen.

      1.2 Fünf ausgewählte Themenbereiche

      Das Projekt «Arbeitsplatz Tagesschule» war von Anfang an darauf ausgelegt, dass der initialen Forschungsphase eine Transferphase zu folgen hat, in der einerseits die im Forschungsteil gewonnenen Erkenntnisse diskutiert und kommuniziert und andererseits Schlussfolgerungen für die Praxis abgeleitet werden. Zu dieser – von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützten – Transferphase gehört eine Tagung und die vorliegende, an diese Tagung anschliessende Publikation.

      Im September 2019 stellten wir im Rahmen der Tagung «Gute Arbeitsbedingungen für gute Tagesschulen» an der PHBern Ergebnisse des Forschungsprojekts «Arbeitsplatz Tagesschule» vor. Im Vorfeld hatten wir fünf Themenbereiche ausgewählt, die wir mit den Teilnehmenden diskutieren wollten: Anstellungsbedingungen, multiprofessionelle Zusammenarbeit, Betreuungsqualität, Infrastruktur und Räume sowie Qualifikation der Mitarbeitenden. Diese Themen schienen uns aufgrund der Ergebnisse unserer Forschung wichtig. Sie sprechen Bereiche an, in denen Entwicklungen im Gange sind und weitere Veränderungen passieren müssen. Die Auswahl ist nicht abschliessend. Neben den von uns ausgewählten Themen gibt es weitere relevante Themenbereiche, die zur Debatte stehen. Im Rahmen von Diskussionsforen setzten sich die Teilnehmenden mit Forschungsergebnissen zu diesen Themen auseinander und diskutierten sie. Ziel dieser Diskussionsforen war, dass die Beteiligten die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zu eigenen Erfahrungen in Bezug setzten, diese Erfahrungen miteinander austauschten, gemeinsam Problemfelder und Lösungen identifizierten und wenn möglich Handlungsempfehlungen und Forderungen ableiteten. Die Ergebnisse dieser Diskussionen wurden jeweils von einer Person in einem Protokoll festgehalten.

      Die folgenden Abschnitte geben einen Einblick in die fünf genannten Themenbereiche. Zuerst werden Forschungsergebnisse vorgestellt, gefolgt von einem Einblick in die Inhalte der Diskussionen. Verweise im Text zeigen auf, wo diese Themenfelder in weiteren Beiträgen im Sammelband vertieft werden.

      1.2.1 Anstellungs- und Arbeitsbedingungen

      Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt «Arbeitsplatz Tagesschule» zeigen, dass sich die Anstellungsbedingungen des Personals in der SEBB in etlichen Belangen von denjenigen anderer Berufsgruppen unterscheiden. Die Mehrheit der Mitarbeitenden ist im Stundenlohn angestellt, insbesondere bei den Mittagstischen (96 Prozent). Ebenfalls bei Tagesschulen (55 Prozent) und bei Tagesstrukturen (40 Prozent) sind diese Anteile relativ hoch. Eine Anstellung im Monatslohn haben eher die Leitungspersonen und Mitarbeitende mit einer pädagogischen Qualifikation. Fünf Prozent der Mitarbeitenden gaben an, gar keinen Arbeitsvertrag zu haben. Weiter arbeiten viele Betreuungspersonen in sehr niedrigen Pensen. Die Pensen sind deutlich tiefer als im Schweizer Durchschnitt. 70 Prozent der Mitarbeitenden in der SEBB arbeiten weniger als 50 Prozent, oft fragmentiert und auf wenige Stunden pro Tag verteilt. Über 40 Prozent der Mitarbeitenden haben zusätzlich zu ihrer Arbeit in der Tagesschule, Tagesstruktur oder beim Mittagstisch noch eine weitere Anstellung anderswo. Viele Forschungsteilnehmende berichteten über Veränderungen ihrer Anstellung im Verlauf des Forschungszeitraums (Zu- oder Abnahme des Pensums).

      In den Diskussionen zeigte sich, dass viele Teilnehmende die Modularisierung der Angebote und die damit verbundenen partiellen Pensen als schwierig erleben. Insbesondere am Vormittag während des Unterrichts gibt es grosse Lücken zwischen dem Früh- und dem Mittagsmodul. Die Mittagsmodule sind an vielen Orten sehr stark belegt. Diese Belegung hat seit der Einführung des Lehrplans 21 und mit den damit verbundenen höheren Pensen für die Schülerinnen und Schüler zugenommen. In der Regel sind Vollzeitanstellungen in der SEBB gar nicht möglich. Aufgrund der Schulferien verbleiben lediglich 39 Arbeitswochen, womit sich eine Maximalanstellung von 75 Prozent ergibt.

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