Für die Kompetenzentwicklung von Dozierenden erachte ich folgende Punkte als wesentlich: Das alltägliche Rollenmanagement, das Aushalten von Widersprüchlichkeiten zwischen differierenden Rollenvorgaben und deren Austarieren, das Transparentmachen von Rollenwechseln, das Steuern des eigenen Verhaltens in Dimensionen und die Reflexion durch immer wieder notwendige Standortbestimmungen.
Die Spannungen im weiter oben beschriebenen Rollenstrauss zeugen von Lebendigkeit und Dynamik, von Auseinandersetzungen zugunsten der Lernprozesse der Studierenden wie auch der Lehrenden. Wobei es zugegebenermassen eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die Balance zwischen Lern- und Lehraktivität immer wieder neu herzustellen und die sich laufend verändernden Lerngewohnheiten der Lernenden dabei zu berücksichtigen.
Ich erachte eine solche Aufgabe als sehr attraktiv und durchaus auch als ein wenig waghalsig.
Attraktiv daran ist gerade die Möglichkeit, als Dozent/in auch beratend tätig zu sein, sich gemeinsam mit einer Studentin/einem Studenten (oder einer Gruppe von Studierenden) «auf den Weg» zu machen, gemeinsam Mustererkennung zu betreiben.
Beraten innerhalb der Lehrfunktion ist möglich, notwendig, wirksam und bereichernd. Aber nicht immer, nicht überall und nicht irgendwie. Wenn beraten wird, soll dies zu bestimmten Zeitpunkten und in einer professionellen Art und Weise geschehen. Dazu soll Ihnen dieser Text und die mit ihm in Zusammenhang stehenden «Instrumente», wie auch die weiteren Beiträge in diesem Buch, Anregung bieten. Ein waghalsiges Unternehmen ist dies allemal, weil Lernprozesse nie linear verlaufen und gelegentlich für Überraschungen sorgen.
Literatur
Arnold, R. (2007). Ich lerne, also bin ich – eine systematische konstruktivistische Didaktik. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.
Fatzer, G. (Hrsg.) (2005). Supervision und Beratung. Köln: Edition Humanistische Psychologie.
Fröhlich Luini, E. & Thomann, G. (2004). Supervision und Organisationsberatung im Bildungsbereich. Bern: hep verlag.
Kaiser, A. (Hrsg.) (2003). Selbstlernkompetenz – Metakognitive Grundlagen selbstregulierten Lernens und ihre Umsetzung. München: Luchterhand.
Landwehr, N. & Müller, E. (2008). Begleitetes Selbststudium. Bern: hep verlag.
Lippitt, G. & Lippitt, R. (1995). Beratung als Prozess. Leonberg: Rosenberger Fachverlag.
Mandl, Ch. Aspekte didaktischen Handelns von Lehrenden in der Weiterbildung. Referat «35 Jahre AEB» vom 22. 3. 2006 in Luzern. Unveröffentlichtes Manuskript.
Schein, E. H. (2000). Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. Köln: Edition Humanistische Psychologie.
Siebert (2008). Konstruktivistisch lehren und lernen. Augsburg: ZIEL-Verlag.
Thomann, G. (2013). Ausbildung der Ausbildenden (4. Aufl.). Bern: hep verlag.
Thomann, G. & Pawelleck, A. (2013). Studierende beraten. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich UTB.
1Der Kontrakt ist eine auf freiwilliger Basis ausgehandelte Vereinbarung zum gewünschten Beratungsziel, zu Pflichten und Rechten beider «Parteien», zur Arbeitsweise und zu Rahmenbedingungen. Der Kontrakt ist sozusagen der verbindliche Abschluss der Auftragserteilung.
2Absichtlich wird hier aus Gründen der höheren Trennschärfe zu anderen Rollen «Beratung» als Überbegriff verwendet, nicht etwa «Coaching»; Coaching zeichnet sich u. a. durch hohe Zielorientierung sowie durch mögliche integrierte Instruktionsanlässe aus (vgl. Fröhlich Luini/Thomann 2004).
Instrument 1: Fünf Phasen der Beratung – ein Grundgerüst
(in Anlehnung an: Fröhlich Luini, E./Thomann, G. (2004). Supervision und Organisationsberatung im Bildungsbereich. Bern: hep verlag, S. 116–119)
Beratung ist ein prozesshaftes Geschehen. Die meisten Darstellungen des Verlaufs von Beratungsprozessen orientieren sich am Problemlöseverfahren. Im Folgenden ist ein Modell dargestellt, das die einzelnen Phasen beschreibt. Solche Phasen können innerhalb einer einzigen Beratungssitzung relevant sein oder aber in einem längeren Beratungsprozess über mehrere Sitzungen.
Ebenso kann ein solcher Phasenplan eine Beratung innerhalb eines «Meta-Phasenplanes» strukturieren (zum Beispiel innerhalb eines Projektes, das auch andere Handlungsfelder wie Anleitung und Controlling beinhaltet); das Contracting ist in diesem Falle wahrscheinlich schon im «Meta-Phasenplan» vorgesehen.
Phasenpläne sind lineare Grundorientierungen, die nicht rigide gehandhabt werden müssen. Beispielsweise machte es einen Unterschied, ob der Klient oder die Klientin schon mit klaren Zielsetzungen in die Beratung kommt oder eben nicht.
Zu jeder skizzierten Phase werden einige zentrale Aspekte als Voraussetzungen aus beiden Perspektiven (Klientin oder Klient und Beraterin oder Berater) genannt.
Für eine differenziertere Anwendung des Phasenplanes bei einer Beratung im Hochschulalltag wird auf Instrument 2 (S. 50) verwiesen.
1.Einstiegs- und Kontaktphase/Klärung der Indikation
Die Klientin/der Klient kommt mit ihrem bzw. seinem Anliegen direkt auf die Beratungsperson zu, wird «vermittelt», oder es ergibt sich über ein Zusammentreffen der beiden das Beratungsthema. Darauf folgt ein Einstiegsgespräch oder «Kontaktgespräch». Nach dieser Phase kann – vor allem bei gegebener Freiwilligkeit – grundsätzlich von beiden Seiten entschieden werden, ob ein definitiver Beratungseinstieg überhaupt gewünscht wird oder nicht. Zugunsten der Erhöhung der Verbindlichkeit, einem gegenseitigen Commitment und der Gewährleistung von Wirksamkeit der Beratung ist dies jedoch auch bei unfreiwilligen Beratungssituationen zu empfehlen.
Die wichtigen Aspekte für die Klientin oder den Klienten sind:
Für die Beratungsperson ist in dieser Phase wichtig:
2.Vereinbarungs- und Kontraktphase
(siehe auch Instrument 3, S. 62)
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