Existenzielle Isolation. Eine dritte letzte Angelegenheit ist die Isolation – nicht die zwischenmenschliche Isolation, mit der sie begleitenden Einsamkeit oder die innerpersonale Isolation (Isolation von Teilen unserer selbst), sondern eine grundlegende Isolation, sowohl von anderen Geschöpfen als auch von der Welt – die jede andere Isolation noch unterläuft. Ganz gleich, wie nahe wir uns kommen können, es bleibt eine letzte unüberbrückbare Kluft; jeder von uns betritt seine Existenz allein und muss wieder allein von ihr scheiden. Der existenzielle Konflikt ist daher die Spannung zwischen unserer Bewusstheit von unserer absoluten Isolation und unserem Wunsch nach Kontakt, nach Schutz, unserem Wunsch, ein Teil von etwas Größerem zu sein.
Sinnlosigkeit. Eine vierte letzte Angelegenheit oder Gegebenheit der Existenz ist die Sinnlosigkeit. Wenn wir sterben müssen, wenn wir unsere eigene Welt schaffen, wenn jeder von uns letztlich allein in einem gleichgültigen Universum ist, welchen Sinn hat dann das Leben? Warum leben wir? Wie sollen wir leben? Wenn es keinen vorbestimmten Plan für uns gibt, dann muss jeder von uns seinen eigenen Sinn im Leben konstruieren. Aber kann der Sinn, den wir uns selbst geben, stabil genug sein, um unser eigenes Leben zu tragen? Dieser existenzielle dynamische Konflikt rührt von dem Dilemma eines sinnsuchenden Geschöpfes her, das in ein Universum hineingeworfen ist, das keinen Sinn hat.
Existenzielle Psychodynamik: Allgemeine Merkmale
»Die existenzielle Psychodynamik« bezieht sich daher auf diese vier Gegebenheiten, diese letzten Dinge, und auf die bewussten und unbewussten Befürchtungen und Motive, die von ihnen erzeugt werden. Der dynamische existenzielle Ansatz behält die grundlegende dynamische Struktur bei, wie sie von Freud entworfen wurde, ändert aber den Inhalt radikal. Die alte Formel wird durch eine neue ersetzt (s. Abb.).
Beide Formeln gehen davon aus, dass Angst die Triebkraft für Psychopathologie ist; dass sich psychische Operationen, einige bewusst und einige unbewusst, entwickeln, damit wir mit der Angst umgehen können; dass diese psychischen Operationen (Abwehrmechanismen) die Psychopathologie ausmachen; und dass sie, obwohl sie Sicherheit verschaffen, unausweichlich das Wachstum und die Erfahrung beschränken. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden dynamischen Ansätzen ist, dass Freuds Sequenz am »Trieb« ansetzt, während ein existentielles Konzept an der Bewusstheit und der Angst ansetzt. Der Therapeut hat, wie Otto Rank wusste,7 weit mehr Einwirkungsmöglichkeit, wenn er den Menschen in erster Linie als ein angstvolles Leidwesen ansieht, statt als eines, das von den Instinkten getrieben wird.
Diese vier letzten Dinge – Tod, Freiheit, Isolation, Sinnlosigkeit – machen den Korpus existenzieller Psychodynamik aus. Sie spielen eine außerordentlich wichtige Rolle auf jeder Ebene der psychischen Organisation des Individuums und haben höchste Bedeutsamkeit für die klinische Arbeit. Sie stellen auch das zentrale Organisationsprinzip dar; die vier Teile dieses Buches werden sich jeweils mit einem dieser letzten Dinge befassen und jeweils dessen philosophische, psychopathologische und therapeutische Implikationen erforschen.
Existenzielle Psychodynamik: Die Frage nach der Tiefe
Ein weiterer Hauptunterschied zwischen der existenziellen Dynamik und der Freudschen oder Neo-Freudianischen Dynamik betrifft die Definition von »Tiefe«. Für Freud bedeutete Erforschung immer Ausgrabung. Mit der Bedachtsamkeit und Geduld eines Archäologen legte er die vielschichtige Psyche frei, bis er auf das Grundgestein stieß, eine Schicht fundamentaler Konflikte, die die psychologischen Überreste der frühesten Ereignisse im Leben des Menschen waren. Tiefster Konflikt bedeutete frühester Konflikt. Freuds Psychodynamik ist also entwicklungsmäßig bedingt, und »grundlegend« oder »primär« müssen chronologisch verstanden werden: Beide Begriffe bedeuten »zuerst«. Dementsprechend werden die frühesten psychosexuellen Traumata als »grundlegende« Quellen der Angst betrachtet: Trennung und Kastration.
Die existenziellen Dynamiken sind keinem Entwicklungsmodell verpflichtet. Es gibt keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass »grundlegend« (das heißt wichtig, elementar) und »zuerst« (das heißt chronologisch zuerst) identische Konzepte sind. Aus einer existenziellen Perspektive tief zu forschen bedeutet nicht, dass man die Vergangenheit erforscht; es bedeutet vielmehr, dass man die alltäglichen Probleme beiseite lässt, und tiefgehend über seine existenzielle Situation nachdenkt. Es bedeutet, außerhalb der Zeit zu denken, über die Beziehung zwischen den eigenen Füßen und dem Boden unter uns, zwischen dem eigenen Bewusstsein und dem Raum um uns herum nachzu denken; es bedeutet, nicht über den Weg nachzudenken, wie man zu dem geworden ist, was man ist, sondern dass man ist.
Die Vergangenheit – das heißt unsere Erinnerung an die Vergangenheit – ist insofern wichtig, als sie Teil unserer gegenwärtigen Existenz ist und dazu beigetragen hat, auf welche Weise man sich mit den letzten Dingen auseinandersetzt; aber dies ist, wie ich später ausführen werde, nicht das lohnendste Gebiet für therapeutische Erforschung. Die-Zukunft-die-zur-Gegenwart-wird ist das primäre Tempus existenzieller Therapie.
Diese Unterscheidung bedeutet nicht, dass man existenzielle Faktoren in einem entwicklungsmäßigen Rahmen nicht erforschen kann (tatsächlich wird im dritten Kapitel die Entwicklung des Todesbegriffs beim Kind gründlich erforscht); aber sie bedeutet, dass Entwicklungsfragen nicht relevant sind, wenn ein Individuum fragt, »Welches sind die grundlegendsten Quellen der Furcht in diesem Moment, auf der tiefsten Ebene meines Seins?« Die frühesten Erfahrungen eines Individuums geben, obwohl sie unbestreitbar wichtig für das Leben sind, keine Antwort auf diese grundlegende Frage. Tatsächlich erzeugen die Überreste frühester Lebenserfahrungen biologische Störungen, die zur Verdunklung der Antwort beitragen. Die Antwort auf die Frage ist transpersonal. Es ist eine einschneidende Antwort in der persönlichen Lebensgeschichte jedes Individuums, eine Antwort, die zu jeder Person passt: Sie gehört zur »Situation« des menschlichen Wesens in der Welt.
Die Unterscheidung zwischen dem entwicklungsorientierten, dynamischen, analytischen Modell und dem unmittelbaren, ahistorischen, existenziellen ist von mehr als nur theoretischem Interesse: Wie ich in späteren Kapiteln erläutern werde, hat sie tief greifende Implikationen für die Technik des Therapeuten.
Die existenzielle Orientierung: Fremd, aber seltsam vertraut
Ein großer Teil meines Materials über die letzten Dinge wird für den Kliniker fremd und doch auf eine seltsame Weise vertraut erscheinen. Das Material wird fremd erscheinen, weil der existenzielle Zugang quer zu gewohnten Kategorien liegt und klinische Beobachtungen auf eine neue Weise zusammenführt. Darüber hinaus ist ein großer Teil des Vokabulars unterschiedlich. Selbst wenn ich den Jargon professioneller Philosophen vermeide und alltägliche Begriffe benutze, um die existenziellen Konzepte zu beschreiben, wird der Kliniker die Sprache als psychologisch fremd empfinden. Wo ist das Psychotherapie-Lexikon, das Begriffe enthält wie »Wahl«, »Verantwortung«, »Freiheit«, »existenzielle Isolation«, »Sterblichkeit«, »Zweck des Lebens«, »Wollen«? Der medizinische Bibliothekscomputer lachte mich aus, als ich Literaturnachweise auf diesen Gebieten von ihm haben wollte.
Dennoch wird der Kliniker in ihnen viel finden, was ihm vertraut ist. Ich glaube, dass der erfahrene Kliniker oft implizit innerhalb eines existenziellen Rahmens arbeitet: »In seinen Knochen« wertschätzt er die Besorgnisse eines Patienten und antwortet demgemäß. Diese Antwort ist das, was ich vorher mit den entscheidenden »Zugaben« meinte. Eine Hauptaufgabe dieses Buches besteht darin, den Fokus des Therapeuten zu verschieben und sich sorgfältig diesen vitalen Dingen und den therapeutischen Transaktionen, die an der Peripherie formaler Therapie stattfinden, zuzuwenden und sie dorthin zu stellen, wo sie hingehören – ins Zentrum der therapeutischen Arbeit.
Ein weiterer vertrauter Zug besteht darin, dass die wesentlichen existenziellen Fragen seit dem Beginn niedergeschriebener Gedanken