5. Die Leistung des Arbeiters kontinuierlich überwachen, um zu gewährleisten, dass die entsprechenden Arbeitsabläufe befolgt und die entsprechenden Ergebnisse erzielt werden.
Übertragen auf Führung in Organisationen bedeutet das:
• Führung als Aufgabe dient im Kern dazu, die Organisation in all ihren Bereichen so zu gestalten, dass sie die Zielerreichung bei sparsamstem Ressourceneinsatz gewährleistet. Die Führenden verstehen sich als die Ge stalter, die im Sinne der vorgegebenen Zielsetzungen auf die Organisation Einfluss nehmen.
• Führung ist eine Leistung, die in der Organisation für Ordnung in den Strukturen und Abläufen sorgt. Sie kontrolliert deren Einhaltung und greift bei Abweichungen direkt ein.
• Führung ist primär die Sache der beauftragten Personen, die dazu über besondere Eigenschaften und Fähigkeiten verfügen. Ihre »Leadership-Qualitäten« befähigen sie dazu, die Gefolgschaft ihrer Leute in den jeweiligen Verantwortungsbereichen so zu mobilisieren, dass die vorgegebenen Ziele tatsächlich erreicht werden.
• Auf Seiten der Führungskräfte begünstigt das ein idealisierendes Selbstkonzept, die »heroische Führungskraft« mit hohem persönlichem Selbstanspruch: Alles im Griff respektive unter Kontrolle zu haben, Dominanz des direktiven Eingreifens, Wichtigkeit der eigenen Person. Implizit ist ihr die Deutungshoheit für richtig-falsch und die Verortung von Schuld auf Faktoren außerhalb des eigenen Einflussbereiches. Das eigene Handeln ist der wesentliche Stellhebel, um die Dinge zum Besseren zu bewegen.
Konsequenzen für Coaching:
Der Auftrag und die Erwartung der Organisation ist die schnelle Behebung von Störungen im sonst idealen Ablauf. Die Verantwortung liegt entweder beim Coach, der die richtigen Methoden und Instrumente anwendet, um die nicht richtig funktionierenden Elemente wieder in Ordnung zu bringen, oder beim Coachee, der im Zuge der Selbstoptimierung noch nicht so weit ist, um organisationale Problemlagen gut zu bewältigen.
Coaching dient häufig auch zum Spannungsabbau innerhalb der Organisation und damit zum Vermeiden von strukturellen Lösungen oder dem Erkennen und Zulassen von Paradoxien im Unternehmensalltag.
Die Erwartung der Führungskraft ist häufig die schnelle und schmerzfreie Behebung der Störung, verbunden mit einer gewissen Selbst- und Fremdüberhöhung.
2.2. Organisationen sind Arenen, in denen Akteure um die Durchsetzung ihrer Interessen ringen
Dem konsequent durchrationalisierten Bild von Organisationen, wie es Unternehmen nach den Theorien von Weber und Taylor gerne für sich in Anspruch nehmen, wird häufig ein anderes Bild gegenüber gestellt. Demzufolge können Organisationen, selbst bei Dienst nach Vorschrift, nie optimal funktionieren, sie laufen nie so regelkonform ab, wie es auf dem Papier steht, und die Hierarchie kann längst nicht alles festlegen, was geschieht oder geschehen kann. Aus dieser Sicht existieren in Organisationen Räume für strategisches, machtorientiertes Handeln von Individuen oder Koalitionen.
Der mikropolitische Ansatz geht davon aus, dass im Rahmen einer begrenzten Rationalität opportunistische Akteure vorhanden sind, die versuchen, sich aktiv eigene Machtpotentiale zu schaffen, und dass es nicht eine Einflussrichtung, sondern vielfältig vernetzte Einflussquellen gibt.
Macht definiert sich hierbei aus der Möglichkeit, Kontrolle über bedeutsame Unsicherheitsbereiche zu erlangen, verbunden mit der Fähigkeit, Ressourcen oder Koalitionen für die eigenen Interessen zu mobilisieren. Macht ist dabei nicht an eine Person gebunden, ist kein Besitzstand eines Akteurs, sie ergibt sich aus dem Netzwerk der Beziehungen und ist ein Ergebnis der Handlungen.
M. Crozier und E. Friedberg haben vier große Machtquellen benannt, die den jeweils relevanten Ungewissheitsquellen der Organisation entsprechen. Neben dem Expertenwissen identifizieren sie als weitere Machtquellen die Beziehungen zur Umwelt, die Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen und die Nutzung organisatorischer Regeln. (Kieser / Walgenbach 2003; 57)
»Allerdings kann Macht in der Regel nicht zum Verschwinden gebracht, sondern nur unterschiedlich eingesetzt werden. Macht ist also nichts negatives, nicht durchgängig repressiv, sondern der grundlegende Aspekt jeder sozialen Beziehung. In dieser Sichtweise ist Macht also nicht nur ein Ausdruck von Zwängen, sondern zugleich die Vorbedingung für die Freiheit.« (Crozier 1993, 33)
M. Crozier und E. Friedberg führen für die Vermittlung zwischen den Freiheiten des Individuums und dem Zwang der Organisation das Konzept des »Spiels« ein.
»Das Spiel ist das Instrument, das die Menschen entwickelt haben, um ihre Zusammenarbeit zu regeln. Es ist das wesentliche Instrument organisierten Handelns. Es vereint Freiheit und Zwang. Der Spieler bleibt frei, muss aber, wenn er gewinnen will, eine rationale Strategie verfolgen, die der Beschaffenheit des Spiels entspricht, und er muss dessen Regeln beachten. Das heißt, dass er zur Durchsetzung seiner Interessen die ihm auferlegten Zwänge zumindest zeitweilig akzeptieren muss.« (Crozier / Friedberg 1979, 69)
Entscheidungsfindungen erfolgen durch:
• Übersehen der tatsächlichen Probleme mit sofortigen Entscheidungen, die auf die beteiligten Akteure Druck ausüben;
• Flucht vor Problemen: Aufschieben der Entscheidung bis es sich von selbst löst
• Lösung des Problems: Intensive Problembearbeitung.
Computersimulationen für Entscheidungsprozesse ergaben eine deutliche Konzentration auf die Varianten Übersehen und Flucht.
Formelle wie auch informelle Regeln schaffen Verhaltenssicherheit und ordnen den Handelnden bestimmte Handlungsräume zu. Sie begrenzen das Spielfeld für die Spiele und bewirken auf indirektem Wege den Zusammenhalt und Kontrolle der widersprüchlichen mikropolitischen Strategien. Die Strukturen schränken einerseits das Handeln der Organisation und seiner Individuen ein, andererseits fordern sie es heraus: Das Überleben der Organisation ist zu gewährleisten.
Konsequenzen für Führung in Organisationen:
Hat die Führungskraft die politischen Vorgänge innerhalb ihrer Organisation identifiziert, so ergibt sich für sie ein Handlungsspielraum. Führungskräfte als beteiligte Akteure sollten in der Lage sein, diese Handlungsräume aber auch zu nutzen, um ihrer Rolle gerecht werden zu können.
Sie müssen also, wie Führungskräfte in anderen Bereichen auch, auf politische und mikropolitische Handlungsstrategien zurückgreifen:
• Freundlichkeit, Beziehungspflege
• Tauschhandel anbieten und praktizieren
• Vorteile besprechen und beschaffen
• Fordern, gegebenenfalls unter Druck setzen, mit Nachteilen drohen
• Bündnisse schließen, Koalitionen eingehen
• An höhere Werte, Idealismus appellieren
• Höhere Vorgesetze einschalten, aber auch gegebenenfalls umgehen
• oder von unten führen
• im Einzelfall sogar manipulieren, täuschen, überreden usw.
Das stellt das übliche Repertoire dar, in Machtarenen mit widersprüchlichen, komplexen Situationen umzugehen. Praktiziert wird dies allemal – vorteilhaft könnte es sein, die obigen Muster zu kennen, um das tatsächliche Dilemma professioneller handhaben zu können.
Konsequenzen für Coaching
An Coaching ist hier häufig die Erwartung gebunden, differenzierte und hochwirksame Handlungsmuster für die politische Bühne zu erhalten oder auszubauen. Die Gefährdung entsteht durch vielfältige Koalitionsangebote »Wir gegen die Organisation oder wichtige Personen«, der Coach wird zum Übungsobjekt für Instrumente der Einflussnahme. Reflexion erfolgt unter dem Leitthema: Wie kann ich noch besser meine persönlichen